Politica | Rassismus

Cécile Kyenge in Meran

Enttäuscht zeigte sich die ehemalige Integrationsministerin zum Urteil des Senats über den Orang-Utan-Spruch von Calderoli: "Es muss eine Grenze geben."

Mit anderthalb Stunden Verspätung traf Cécile Kyenge in Meran ein: Der Schneesturm in Modena habe es beinahe unmöglich gemacht, die Stadt überhaupt zu verlassen sagte sie, 50 Zentimeter seien in ihrer Heimatstadt gefallen. Ein Termin im Meraner Frauenmuseum, ein weiterer mit dem lokalen Partito Democratico und um 20 Uhr ein Treffen im Bürgersaal mit großem Publikum standen auf der Agenda der ehemaligen Integrationsministerin und nunmehrigen Europaparlamentarierin. Thema: Integration und Überwindung von Rollenzuschreibungen, Vorurteil und Rassismus.

Doch Cecile Kyenge sprach in erster Linie von dem Ereignis, das am Tag zuvor im Senatsausschuss behandelt worden war. Dieser hatte am Donnerstag entschieden, dass die Aussage „Wenn ich Kyenge sehe, muss ich unweigerlich an einen Orang-Utan denken“ weder rassistisch noch verhetzend sei, sondern „unanfechtbar bzw. insindacabile“ und durchaus im politischen Jargon üblich. Auch nicht, wenn die Ausage von einem Politiker, bzw. dem Vizepräsidenten des Senats, Roberto Calderoli ausgesprochen wird. Dieser Meinung waren sämtliche im Ausschuss vertretenden Parteien, außer Movimento 5 Stelle.

"Sono stata sorpresa. Poi triste. Non per me. Vorrei uscire da questa logica perché non stiamo valutando Calderoli come persona. Io lui l'ho perdonato.”

Cecile Kyenge ist enttäuscht und taurig, wie sie in Meran sagt. „Ich hatte mir ein anderes Urteil erwartet, nicht für mich selbst, sondern als Zeichen und Symbol für das Land. Calderoli habe ich vergeben. Aber was jetzt nötig gewesen wäre, wäre eine klare Aussage, dass rassistische Beleidigungen in politischen Institutionen keinen Platz haben dürfen. Es muss eine Grenze geben, und diese ist leider nicht gezogen worden.“

"Die Affäre Calderoli wird nun im Senat behandelt, ich möchte, dass die Sache zu einem Politikum wird."

Die rassistische Aussage Calderolis war lediglich die Spitze des Eisberges in einer Reihe von Untergriffen gegen die Integrationsministerin im Kabinett Letta. Kyenge gesteht, dass sie es sehr überrascht hatte, wie prompt die Lega Nord Angriffe gegen sie startete. „Die Lega hatte von Anfang an vor, mich zu diskreditieren und nutzte dazu jede Gelegenheit, mit einer systematischen, auf ihre Wählergruppen gezielten Rhetorik.“ Sie habe deshalb entschieden, jede der rassistischen Aussagen gerichtlich zu ahnden, einige Dutzende seien innerhalb von nur einem Jahr im Ministeramt zusammengekommen. Ein Regionalabgeordneter der Lega sei zu 150.000 Euro verurteilt worden, weil er in einem institutionellen Foto ihr Bild mit dem eines Orang-Utans ersetzt hatte.  „E sa perché posso dire che la Lega è un partito razzista? Perché sono stati loro a pagargli l'avvocato. Sono le azioni, non le parole, che la qualificano come tale.”

Aber Kyenge ist eine Frau und Politikerin, die gründlich und ebenso systematisch wie ihre Angreifer für ihre Anliegen kämpft. Nun wird die „Affäre Calderoli“ im Senat zur Debatte kommen, „ich möchte, dass es zu einem Politikum wird“. Im Notfall wolle sie bis an den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Bild
Profile picture for user Martin B.
Martin B. Sab, 02/07/2015 - 13:17

Weiß nicht mehr wo (Iene?), aber die Dame wurde vor Luxusshops inklusive Leibgarde und Autoblu gefilmt. Ein Vorbild der Bescheidenheit (besonders im Angesicht der armen Einwanderer selben Ursprungs) sieht für mich anders aus. Mein Eindruck: sie hat sich allzuschnell an die Gefilden der PD-Macht und des leichten Obulus angepasst. Fast schon anachronistisch, dass gerade M5S die einzigen waren, die Calderolis Spruch nicht als tolerabel einstuften.

Sab, 02/07/2015 - 13:17 Collegamento permanente