Teurer, aber nicht reicher?
Die Inflation galoppiert: Für dasselbe Geld konnten in Bozen ansässige Familien im Januar 2022 rund 5,5 Prozent weniger Waren einkaufen als im Jahr zuvor. Bezieht man die Inflationsrate auf alle privaten Wirtschaftsteilnehmer der Gemeinde, so sind es sogar 6,2 Prozent.
Diese Inflationszahlen stellen nicht nur Rekordwerte der letzten 20 Jahre dar, sondern fallen auch deutlich höher aus als im restlichen Staatsgebiet, wo die Inflationsrate für Haushalte von Arbeitern und Angestellten (FOI) 4,8 Prozent beträgt. Dabei wirken sich die seit Herbst stark steigenden Energiekosten sowie der Wirtschaftsaufschwung nach der Pandemie deutlich auf das lokale und nationale Preisniveau aus. Warum aber ist die Inflation in Bozen so viel höher als im restlichen Staatsgebiet? Inwiefern ist eine hohe Inflationsrate problematisch? Und welche Maßnahmen könnten kurz- und langfristig dagegen eingesetzt werden?
Knapp und attraktiv
Die Gründe für das stark ansteigende Preisniveau in Bozen (das übrigens auch das Preisniveau im restlichen Landesgebiet anspornt und reflektiert) sind vielfältig - aber nicht unbedingt negativ, wie der Wirtschaftswissenschaftler Federico Boffa von der Universität Bozen weiß: “Die interne Preissteigerung - also jene Inflation, die nicht durch externe Faktoren wie die globalen Energiekosten verursacht wird, - zeugt von der Attraktivität des Territoriums sowie den darin hergestellten Produkten”, so Boffa. Die Preissteigerung ist also Zeugnis einer hohen Lebensqualität, positiven Wirtschaftsentwicklung und starken Kaufkraft in Bozen.
Grund- und Wohnungspreise werden durch die verstärkte Nachfrage bei sonst schon knappen geografischen Bedingungen und absichtlich frei gehaltenem Wohnraum in die Höhe getrieben.
Dabei spielet der Tourismus eine wichtige Rolle: Grund- und Wohnungspreise werden durch die verstärkte Nachfrage bei sonst schon knappen geografischen Bedingungen und absichtlich frei gehaltenem Wohnraum in die Höhe getrieben. Wie der CFO und Vize-Generaldirektor der Volksbank, Martin Schweitzer, erklärt, habe es in den letzten Monaten vor allem aus dem südbayrischen Raum eine verstärkte Nachfrage gegeben: “Dass ein Münchner eine Zweitwohnung auf dem Gardasee besitzt, ist ein bekanntes Phänomen”, so Schweitzer. “Dass er diese in Südtirol ankauft, ist eine Entwicklung, die wir vor allem in den letzten Monaten verstärkt beobachten.”
Fehlende Konkurrenz
Gleichzeitig sind die lokalen Bau- und Handwerksbetriebe durch Aufträge im Tourismussektor relativ gut ausgelastet und können somit auch für den privaten Haus- und Wohnungsbau hohe Preise verlangen. Daran seien auch Subventionen wie der Superbonus 110 Schuld, die - so Schweitzer - “zu einem höheren Preisniveau führen”. Zudem kommt, dass viele in Südtirol ansässige Personen bei Bau- oder Sanierungsarbeiten auf einheimische Betriebe und Handwerker zurückgreifen. Das sei per se durchaus positiv für die heimischen Arbeitsplätze, so Schweitzer - treibe aber die Preise in die Höhe, da Betriebe aus dem restlichen Italien oder aus Österreich zum Beispiel kaum eine Chance haben, als Konkurrenten in den Markt einzusteigen.
Ein ähnlicher Mechanismus zeichnet sich auch im Lebensmittelsektor ab: Einerseits sind viele Südtiroler Familien bereit, einen höheren Preis für einheimische Lebensmittel zu bezahlen. Andererseits ist vor allem in diesem Sektor die Konkurrenz relativ begrenzt. Wie Boffa erklärt, gibt es sowohl auf Gemeindeebene als auch auf Landesebene relativ strikte Regeln, die die Eröffnung neuer Betriebe erschweren. Vorhandene Betriebe müssen ihre Preise also kaum an neue Konkurrenten anpassen.
Import Abhängigkeit
Letztlich trägt auch die Import-Abhängigkeit Südtirols, die sowohl den Bau-, Energie- und Lebensmittelsektor prägt, kaum zu einer Preissenkung bei: Südtirol ist allein aufgrund der begrenzten Fläche dazu gezwungen, viele Rohstoffe aus dem Ausland oder anderen italienischen Regionen zu importieren. “Es gibt also weder genügend Konkurrenten noch Ansprechpartner vor Ort, über die eine Preissenkung eingeleitet werden könnte”, so Schweitzer.
Verteilung und externe Inflation problematisch
Wie sowohl Boffa als auch Schweitzer betonen, sei die hohe Inflationsrate nicht unbedingt ein negatives Zeichen. Besorgniserregend seien jedoch die großen Unterschiede bei Einkommen und Vermögen zwischen den einzelnen Wirtschaftsteilnehmern sowie die von Außen bedingte Inflation.
Während die klaffende Einkommensschere, vernachlässigte Löhne und die Zugkraft wohlhabender Wirtschaftsteilnehmer dafür sorgen, dass untere und mittlere Einkommensschichten einer schrumpfenden Kaufkraft gegenüber stehen - “Urlaub in Südtirol ist für viele Einheimische nicht mehr leistbar”, so Schweitzer - drückt die von Außen bedingte Inflation, sprich die international hohen Energiekosten, die Kaufkraft insgesamt nach unten. Es handelt sich hierbei um eine sogenannte Stagflation, weiß Boffa, bei der einerseits die Preise nach oben getrieben werden, gleichzeitig aber die insgesamte Kaufkraft der Wirtschaftsteilnehmer - und somit auch das Bruttoinlandsprodukt - sinkt.
Dabei ist der Effekt der extern-bedingten Inflation nicht für alle gleich: Für Südtiroler Familien dürften die Heiz- und Stromkosten beispielsweise etwas höher ausfallen als anderswo; gleichzeitig gibt es in Südtirol aber relativ wenig energieintensive Betriebe, die nicht nur hohen Kosten, sondern einem möglicherweise daraus resultierenden Absatzrückgang gegenüberstehen.
Wie also eingreifen, um Abhilfe zu schaffen?
Kurzfristig - sind sich Boffa und Schweitzer einig - gehe es vor allem darum, Abhilfe gegen die hohen Energiepreise zu schaffen. Laut Boffa könnte man hier beispielsweise die Dividenden der öffentlich getragenen Energiegesellschaft Alperia an Kunden in finanziellen Schwierigkeiten weitergeben. Schweitzer plädiert hingegen für einen Preisstopp für Haushalte mit einem relativ geringen Energiekonsum. Die Umsetzung dieser Maßnahmen seien jedoch mit Schwierigkeiten verbunden.
Es braucht mehr Konkurrenz, aber auch eine Überlegung, wohin und wie weit wir gehen wollen. - Martin Schweizer.
Langfristig gehe es hingegen darum, strukturelle Änderungen zu erzwingen, um ein tragbares Preisniveau in Südtirol zu schaffen: Das bedeutet vor allem die Förderung der Konkurrenz im Bereich Wohnen, Bauen und Lebensmittelversorgung. Es könnte also zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden, die Regeln für Neueröffnungen erleichtert und mehr Fachkräfte ausgebildet werden.
Neben der Förderung der Konkurrenz stellt sich für Schweitzer aber auch die Frage, für wen das Territorium attraktiv gestaltet werden soll: “Jede Investition in eine neue Seilbahn oder den Ausbau von Straßen, zieht wiederum Touristen und somit neue, größere und vor allem teurere touristische Infrastrukturen an”. Langfristig würden die Preise so immer weiter in die Höhe getrieben; eine Entwicklung, die für viele Einheimische finanziell kaum tragbar sei. “Wir müssen uns überlegen, wohin und wie weit wir gehen wollen”, so Schweitzer.
Vielleicht schafft man es ja
Vielleicht schafft man es ja jetzt, umzudenken und
z.B. Hilfe zur Selbsthilfe zur Selbsthilfe umzusetzen, wie: URBANE GEMEINSCHAFTSGÄRTEN ...
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Danke dem Salto-Team für brauchbare und wichtige Informationen!