Società | Leistungsstipendien

Am Ende mehr Klarheit?

Welche Probleme Studierende mit der Streichung der Leistungsstipendien an den Universitäten sehen und was sie selbst tun können, um sich mehr Gehör zu verschaffen.
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Foto: Photo by Charlotte May from Pexels

Nachdem das Thema der gestrichenen Leistungsstipendien für Südtiroler Studierende medial bereits Aufmerksamkeit bekommen hat, ist ein Wunsch der in der Sache engagierten Studierenden zu kurz gekommen: Es sollte möglich sein, einen Dialog zu etablieren, in dem die verschiedenen Beteiligten ernsthaft aufeinander eingehen. „Am Ende wünschen wir uns alle einfach mehr Klarheit“, sagt Eleonora Pizzini vom Universitätsrat der Freien Universität Bozen.

 

Keine eindeutigen Ankündigungen

 

Auch Lorenzo Massera und Joe Roberts, zwei ehemalige Studierende der Freien Universität Bozen, die im Jahr 2020 ihr Bachelorstudium absolviert haben und Anrecht auf das Leistungsstipendium gehabt hätten, sind verwirrt. Sie haben herausgefunden, dass die Leistungsstipendien, die für herausragende akademische Leistungen vor allem an Absolvent*innen vergeben werden, dieses Jahr aufgrund mangelnder Finanzierungen gestrichen wurden. „Und das noch nicht einmal in einer offiziellen Kommunikation, sondern durch eigenständige Recherche auf der Seite der Provinz“, sagt Joe. Sie haben anschließend in Sachen der Aussetzung recherchiert und haben auch, wie Eleonora, im Namen der Studentenvertreter*innen an verschiedene Stellen gewandt, an die Universität selbst, an das Amt für Hochschulförderung und an die Südtiroler HochschülerInnenschaft.

In seiner Mail an das Amt für Hochschulförderung hat Lorenzo Massera, wie er es Salto mitteilte, eine recht konfuse Mail im Namen der Provinz und von Landesrat Philipp Achammer erhalten, die auf wenig Verständnis für den Inhalt der Maßnahme schließen lasse. Die Mail gehe tatsächlich nicht auf die Streichung der Leistungsstipendien ein, sondern sei eine Rechtfertigung für Änderungen in Sachen Studienbeihilfen, die die ökonomische Situation der Studierenden und nicht ihre Leistung betrifft. „So fühle ich mich nicht ernst genommen“, sagt Lorenzo.

 

Eine andere Mail, die er erhalten hat, erkläre tatsächlich detaillierter, dass die Streichung der Leistungsstipendien nur eine von vier Leistungen sei, die in diesem Jahr im Bildungsbereich ausfallen müssten, da im Laufe der Jahre die Finanzierungen für den Bereich der Hochschulförderung reduziert worden seien. Die Pandemie sei nun ausschlaggebend dafür gewesen, dass Abstriche gemacht werden mussten. „Dass für unsere Generation Abstriche gemacht werden, ist natürlich nicht gutzuheißen“, sagt Joe, „Es wäre gut, mehr über gestrichene Finanzierungen in anderen Bereichen, auch außerhalb der Bildung, zu wissen, um eine solche Maßnahme im Kontext zu sehen. Kürzungen zu machen im Bereich Bildung finde ich aber nie gerechtfertigt.“

 

Liegt das Problem an unzureichenden Studienbeihilfen?

 

Eleonora argumentiert auch damit, dass das Leben in Bozen für Studierende teuer genug sei, und dass einige tatsächlich auf diese Summen, wenn sie auch nur um die 265 Studierende und diese häufig nur einmalig erhielten, angewiesen seien. „Was besonders bedauerlich ist, ist, wenn jemand mit den ordentlichen Studienbeihilfen nicht auskommt und zusätzlich darauf zählen muss, ein Leistungsstipendium zu bekommen, weil er/sie sich sonst nicht finanzieren kann“, so Eleonora. Das impliziere dann aber vor allem mangelhafte ordentliche Studienbeihilfen.

Damit wolle sie aber auch eine größere Schieflage adressieren, die der in ihren Augen und auch in den Augen der HochschülerInnenschaft dringend besprochen werden muss. Dieses Thema wurde von der Politik auch direkt aufgegriffen, und auch die sh.asus befand sich in den letzten Tagen in Gesprächen mit Philipp Achammer, um auf soziale Missstände für Studierende aufmerksam zu machen und dort neue Impulse zu setzen. „Erstens sollte es eine außerordentliche Beihilfe für arbeitende Studierende geben, zweitens sollten mehr Personen von der Rückerstattung der Studiengebühren profitieren. Im Allgemeinen muss außerdem der Fonds für die ordentliche Studienbeihilfe erhöht werden“, fasst sh.asus-Vize Julian Nikolaus Rensi die Forderungen zusammen.

So sagt auch Eleonora, dass sie mit der HochschülerInnenschaft vollkommen übereinstimme, denn in Puncto Studienbeihilfen müsse noch einiges getan werden. „Wer nicht in die recht stark begrenzten Kriterien hineinfällt, in dem ihm/ihr die Gelder zustehen, befindet sich sofort in einer Grauzone, es gibt keine Abstufung, was die Finanzierung betrifft.“ Auch das ist ein Projekt, das die HochschülerInnenschaft realisieren will: „Es soll eine zusätzliche FWL-Schwelle eingeführt werden, bei der Studierende, die in diese fallen, zwar nicht eine ordentliche Studienbeihilfe erhalten, aber dafür trotzdem eine teilweise Rückerstattung ihrer Studiengebühren. Hiervon würde vor allem die Mittelschicht profitieren, sodass diese Maßnahme geboten scheint, da gerade der Mittelstand aktuell in Krise ist.“

Natürlich ist das Leistungsstipendium nicht dazu da, dass ich mir meinen wöchentlichen Einkauf leisten kann.

Und was die Leistungsstipendien betrifft: „Obwohl die Debatte rund um die Leistungsstipendien teils verzerrt geführt wurde, hat sie unsere Befürchtungen bestätigt: Allzu viele Studierende brauchen konkrete Hilfe, gingen und gehen aber bislang leer aus.“ Die Forderung nach finanzieller Unterstützung der Studierenden, die im Rahmen der causa Leistungsstipendien gestellt wurde, möchte die sh.asus direkt aufgreifen, das heißt „indem wir Maßnahmen verlangen, die wirklich sozialen Charakter haben und denen helfen, die objektiv Hilfe benötigen“. Die HochschülerInnenschaft fordere eine Reduzierung statt einer Streichung der Leistungsstipendien.

Dennoch – die Finanzierung durch die Leistungsstipendien beträgt 1.160 Euro pro Person – letztendlich wird diese Summe aber in den allermeisten Fällen nur einmal zum Abschluss – und nicht alljährlich vergeben.

Was aus dem Diskurs um die Leistungsstipendien keinen der sozialen Mobilität mache – dafür betreffen sie unabhängig von der Summe auch einfach zu wenige Studierende. „Natürlich ist das Leistungsstipendium nicht dazu da, dass ich mir meinen wöchentlichen Einkauf leisten kann“, sagt Joe.

Doch gerade dies scheint die HochschülerInnenschaft in einer veröffentlichen Kommunikation und in einem Gastkommentar auf salto.bz zu bemängeln: dass im öffentlichen Diskurs die Streichung der Stipendien instrumentalisiert und so dargestellt würden, als seien sie Maßnahmen für soziale Problematiken wie gestiegene Lebenskosten in Südtirol. Dennoch sei damit vor allem die Breitenwirkung der Stipendien überschätzt, da sie von nicht einmal 2 Prozent der Studierenden in Südtirol empfangen würden. Lorenzo kontaktiert die sh.asus, um ihnen sein Anliegen näher zu bringen. Er erhält etwas länger keine Antwort, und fühlt sich missverstanden.

Wir sind keine reine Interessensvertretung, sondern beschäftigen uns seit mehreren Jahren vor allem auch mit gesellschaftspolitischen Themen.

Am Telefon erklärt Matthias von Wenzl, Präsident der HochschülerInnenschaft sh.asus, dass er den Unmut versteht und die Mail gern früher beantwortet hätte. Allerdings „arbeiten wir ehrenamtlich und haben im Verein eine Situation des unendlichen Schwimmens“, sagt von Wenzl. Die letzten Wochen seien besonders beanspruchend gewesen, da auch Verhandlungen in sozialen Themen mit der lokalen Politik anstanden, es sei in den letzten Wochen einfach sehr viel angestanden. Trotzdem: „Es steht jedem frei, mitzureden“, so von Wenzl, er erwarte aber Nachsicht und Verständnis für die Arbeit der HochschülerInnenschaft.

Was die Forderung der Studierenden in Puncto Leistungsstipendien betrifft, sagt er: „Wir sind keine reine Interessensvertretung, sondern beschäftigen uns seit mehreren Jahren vor allem auch mit gesellschaftspolitischen Themen.“ Somit sei die Priorität, Studierenden einen freien Hochschulzugang zu ermöglichen. Das Problem sei, dass die HochschülerInnenschaft den Sparkurs der Provinz vor allem im Rahmen der Pandemie nachvollziehen könne. „Wir sind in einer Zwickmühle, wenn wir öffentlich sagen, dass wir die Maßnahme verstehen.“ Sie würden trotzdem, wie bereits in ihrem jüngsten Statement veröffentlicht, für eine Reduzierung anstatt einer Streichung der Leistungsstipendien plädieren. „Wir müssen einfach Interessen abwägen.“ Und Vorrang habe da nun einmal die Frage nach sozialer Gerechtigkeit und der Ausbau der Studienbeihilfen. Und: „Selbst, wenn die Leistungsstipendien dieses Jahr nicht gestrichen worden wären, hätte es ein riesiges Gerechtigkeitsproblem gegeben.“ Dazu nennt er als Beispiel eine sinnbildhafte Studierende, die sich in ihrer Laufbahn an der Uni für ein solches Stipendium qualifiziert, dieses Jahr aber eine Laborprüfung nicht besteht, da aufgrund der Pandemie verringerte Möglichkeiten zum Lernen vor Ort bestehen.

Er sagte weiter, dass er für den Kontakt zu Studierenden jederzeit zur Verfügung stehe, nur dass er entsprechend nie eine Kommunikation von Seiten der Vertreter*innen der Universität erhalten habe.

Wäre also eine bessere und kollektive Aufstellung von Seiten der Interessenten, die sich für die Leistungsstipendien einsetzen, nötig? Eleonora glaubt, dass der Aktivismus von studentischer Seite vor allem daher eher zurückhaltend sein könnte, weil es bisher in der Organisation der Universität recht wenige Probleme gegeben habe. Auf der anderen Seite habe sie aber schon das Gefühl, mit gestärktem Rückgrat dazustehen, da viele sich vielleicht nicht in der ersten Reihe positionieren würden, aber trotzdem aktiv und interessiert an der Sache seien.

 

Wie geht es weiter?

 

Es scheint also durchaus das Potenzial zu bestehen, miteinander zu reden und sich einzubringen. Und dies nicht nur in der konkreten Debatte um die Leistungsstipendien, sondern sicherlich auch für zukünftige Themen. Ein erster Schritt in Richtung eines stärkeren Einflusses und mehr Durchblick in Sachen Bildungspolitik dürfte eine bessere Koordination der studentischen Interessen sein. Inzwischen ist die HochschülerInnenschaft mit Eleonora im Gespräch, und auch ein Kontakt zwischen ihnen und Lorenzo hat sich etabliert. Somit besteht für die Studierenden die Hoffnung, ihr Anliegen nun auf diesem Wege einzubringen, und Antworten von der Provinz zu erhalten. 

„Mich würde zum Beispiel interessieren, ob Interessenten in der Sache tatsächlich angehört wurden oder ob die Streichung einfach so vom Amt der Hochschulförderung beschlossen wurde“, sagt Eleonora. Und auch: ob diese Entwicklung schon länger absehbar war oder an finanziellen Notstand zu Coronazeiten gebunden ist. Die Überlegungen könnten tatsächlich schon länger im Raum stehen, wie die Mail des Amtes für Hochschulförderung schließen lässt. „Wenn das der Fall ist, wäre es schön, nicht lesen zu müssen, dass es nächstes Jahr wahrscheinlich wieder Stipendien gibt, ich möchte einfach wissen, ob es sie dann gibt oder nicht“, sagt Joe. Auch, weil während des Open Days im März, weiter mit den Leistungsstipendien Werbung gemacht worden sei. Sie haben auch Fragen nach dem Zusammenhang der Finanzierung der Universiät und dem Amt für Hochschulförderung gestellt, und nach potenziellen Änderungen der Maßnahme.

Hierbei könnte auch eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Sandro Repetto (Pd) Klarheit schaffen, die innerhalb der nächsten Wochen von Philipp Achammer beantwortet werden soll. Diese sehen die Studierenden als positiven Schritt, von dem sie sich erhoffen, etwas mehr zu verstehen.