Economia | Südtirol-Story

Die Ernst-Macher

Wie Meraner Querdenker die Forst AG gegen sich aufbringen.
Ernst Bier
Foto: Simon Staffler

Das ist die Geschichte von Ernst. Und von Horst. Von Horst, der zu Ernst wurde, weil ein mächtiger Südtiroler Konzern nicht wollte, dass es ihn gibt. “Er wurde im Juni geboren und ist im Februar gestorben”, sagt Simon Staffler über Horst. Staffler ist einer der Väter – und kümmert sich seit Kurzem nun um Ernst.

 

Vielfalt in der Flasche

 

Den Anfang nimmt die Geschichte vergangenes Jahr. In Meran hat sich die Agentur “Peppis Kreativstudio” eine kreative Revolution von unten zum Ziel gesetzt: “Eine gemeinsame Bewegung, die für mehr Artenvielfalt in Merano Downtown steht. Die sich für eine geile Szene in der Kurstadt einsetzt: Bar, Gastro, Parties, Produkte von kleinen Freaks.”

Simon Staffler ist mit den “Peppis” befreundet. Der 31-Jährige stammt selbst aus Meran und ist als Sänger mit seiner Band VINOROSSO über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Im Brotberuf ist Staffler Weinverkoster und Redakteur bei einem österreichischen Gourmetmagazin. Mit Wein hat die Idee, die er im Juni 2019 gemeinsam mit der Kreativagentur umsetzt, allerdings nichts zu tun. Sondern mit Bier.

Das Meraner Gespann will den Ost West Club unterstützen und lässt dem größten Kulturverein seiner Heimatstadt eine etwas andere Spende zukommen: 500 Flaschen Bier, deren Verkaufserlös der Club behalten kann. Abgefüllt wird das Bier an der Hofbrauerei Hubenbauer in Vahrn, wo ein ehemaliges VINOROSSO-Bandmitglied als Bierbrauer tätig ist. Die Initiative sieht man als “soziales Projekt für mehr Bierkultur” in einem Land, wo eine Quasi-Monokultur unter den Fahnen der Forst die Branche dominiert. Das Bier, das – im Gegensatz zu jenem des Marktführers – nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wird, wird im Ost West Club zum Renner. Man liefert nach, am Ende gehen an die 17.000 Bierflaschen in Umlauf.

 

Ein provokanter Name

 

Dann kommt der 5. Februar 2020. In der Anwaltskanzlei Fiammenghi-Fiammenghi in Rom wird ein Schreiben aufgesetzt, das bald darauf beim Hubenbauer eintrifft. Es ist eine Aufforderung zur Unterlassung. Konkret verlangen die Anwälte, das Bier, das aus der kleinen Braustube nach Meran geht, vom Markt zu nehmen. Andernfalls würden wohl rechtliche Schritte folgen. Fiammenghi-Fiammenghi hat sich auf Markenrecht spezialisiert und schreibt im Auftrag der Forst AG. Warum aber stört sich die mächtige Brauerei an dem vergleichsweise winzigen Bierbruder? Die Antwort liegt auf der Hand bzw. steht auf der Flasche: Die Meraner Querdenker haben ihr Bier “Horst” getauft. Und das könne zu “Verwirrung unter den Konsumenten” sowie einer “unrechtmäßigen Assoziation zwischen den beiden Unternehmen” führen, schreiben die römischen Anwälte.

 

“Natürlich, die beiden Namen klingen ähnlich”, weist Simon Staffler die Bedenken der Forst AG nicht von der Hand. “Aber wir haben den Namen bewusst provokant gewählt.” Vorab habe man sich bei sieben Rechtsanwälten über die Verwendung des Namen “Horst” informiert, “und sieben Meinungen erhalten – von ‘kein Problem’ bis ‘ihr seid total verrückt’”, verrät Staffler. “Am Ende haben wir gesagt, wir tun es einfach – auch weil wir die Grenzen austesten wollten.” Auf einen drohenden Rechtsstreit mit Forst aber will man sich nicht einlassen. “Dafür haben wir weder die Zeit noch das Geld.”

 

Eine ernste Sache

 

Sämtliche Horst-Flaschen werden noch im Februar eingezogen und vernichtet. Doch der Rückzug geht nicht kampflos vonstatten. “Peppis” und Staffler machen Ernst, beschließen, ihr Bier kurzerhand von “Horst” in “Ernst” umzubenennen. Im Netz schreiben sie dazu: “Der Kleinere gibt bekanntlich immer nach. Aber niemals auf. Weil wir glauben, liebe Forst, es braucht Alternativen. Zum Monopol und zum Maisgritz (eine Anspielung auf das Maisgritz, das Forst anstelle des im deutschen Reinheitsgebot vorgeschriebenen Gerstenmalz für ihr Bier verwendet, Anm.d.Red.). Und die machen Euch kein bisschen ärmer. Für uns wird jetzt aus Spaß ERNST.”

 

Bevor die Namensänderung vonstatten geht, holt man sich erneut juristische Beratung in Sachen Patent- und Markenrechte ein. “Vor ein paar Wochen haben wir ‘Ernst’ schließlich als Marke bei der Handelskammer registriert”, berichtet Staffler. Das Bier ist bereits wieder in Vertrieb. Eine eigene Webseite ist unter “istdasdeinernst.com” erreichbar.

Die Geschichte sei kein Marketing-Gag, um Geld zu verdienen, betont Staffler, “sondern eine ernste Sache: Es geht darum, ein Zeichen für mehr Bier-Arten-Vielfalt zu setzen”. Trotz aller Ernsthaftigkeit haben sich die Ernst-Macher den Humor bewahrt. Im Netz schreiben sie: “Eventuelle Anzeigen einfach wieder freundlich per Briefpost schicken. DANKE.”

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Hartmuth Staffler Lun, 06/08/2020 - 07:57

"Sämtliche Horst-Flaschen werden noch im Februar eingezogen und vernichtet." - Das finde ich sehr schade um das Bier. Man hätte die Flaschen ja einfach umetikettieren können, anstatt sie gleich zu vernichten.

Lun, 06/08/2020 - 07:57 Collegamento permanente
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kurt duschek Lun, 06/08/2020 - 08:02

....war Lehrling in der Brauerei Forst, Geselle, Praktikum in der Mälzerei in Vilpian und machte den Braumeister 1967 in Ulm. Eine lustige Sache diese Biergeschichte, wobei, ich erinnere mich, es war Karl Klammsteiner der als erster das "Biermonopol" der Forst in Südtirol angeknabbert hat. Gemeinsam mit Klammsteiner haben wir in Lana das "Greiter" gebraut. Rechtlich gesehen hätte meiner Meinung nach das HORST Bier (ohne Grafik mit dem Wald Hintergrund) sicher auch eine Chance gehabt, denn Horst ist ein gebräuchlicher persönlicher Namen und den kann man eigentlich nicht verbieten. Mein bevorzugtes Bier? Ich braue es selbst (habe ich auch in der Trattoria La Veneta gemacht) oder gehe in den OST WEST CLUB! Prost

Lun, 06/08/2020 - 08:02 Collegamento permanente
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rotaderga Lun, 06/08/2020 - 08:04

Eine Frage bleibt noch:
Sponsert ihr politische Parteien, autoctone Vogelmusik und zahlt vollen Wasserzins?
Wünsche euch dass in 10 Jahren aus Ernst auch volle Spaß wird.

Lun, 06/08/2020 - 08:04 Collegamento permanente
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kurt duschek Mar, 06/09/2020 - 09:36

....wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen ! Habe kürzlich eine Bierbestellung in einer Bar mitgehört. Die Frage an die Kellnerin war: " Haben sie auch Bier oder haben sie nur FORST?"

Mar, 06/09/2020 - 09:36 Collegamento permanente