Cultura | Salto Afternoon

Seconda Luna, zweiter Anlauf

Dass sich ein Festival namens „Identity in Motion“ im zweiten Jahr neu erfindet, sollte niemanden wundern. Partizipation und Beziehungen sind die Leitmotive in Leifers.
Prisca Bora und Le Vagabonde
Foto: La Seconda Luna
Ein hauptsächlich auf vor Ort zu realisierenden Projekten basierendes Festival wurde bei der Eröffnung am vergangenen Freitag vorgestellt. Die Früchte sollen zum Wochenende sichtbar werden. Für die Eröffnung waren ein kleiner Kunst-, Design- und Kunsthandwerksmarkt, sowie das Liveset der DJane Barbara.Bo! angesetzt.
Das Kernstück des vom Gebiet um das Rathaus (in der Weißensteiner-Straße) herum ausgehenden Festivals bilden dabei sicher die „Sette finestre sul mondo“ von Sara Di Nasso, Mike Fedrizzi, Orlando Rojas, Lorenzo Polato, Andrea Proietti, Sara Filippi Plotegher und Laura Pan. Die sieben verschiedenartigen Positionen der Künstler:innen, die im Wochenverlauf erarbeitet werden, sollen an der Innenseite der Fenster des alten Gemeindegebäudes, gegenüber des neuen Rathauses Platz finden. Einige Häuser weiter, neben der Kirche sind die „Galerie“-Räume des Festivals zu finden, in welchen Isabella Nardon und Jacopo Noera mit von der Leiferer Bevölkerung gestifteten Objektspenden (nach dem Motto: Trenne dich vom Überflüssigen“) den „militanten White Cube“ durch ihr Projekt „Miscellanea“ mit zu Kunst arrangierten Objekten füllen wollen. Neben der Galerie, im öffentlichen Raum, schafft sich Giulio Boccardi mit „Primitivo“ einen eigenen Raum, als in Situ konstruierten Biwak in welchem er auch die Nächte verbringt. Das vierte Projekt in Ausarbeitung gestaltet sich ebenfalls als Recycling in die Kunst: Martina Dal Brollos „Polarized View“ besteht aus einem partizipativen Spaziergang durch Leifers am Freitag, bei welchem sie und die Teilnehmer Plastikmüll einsammeln, der am Folgeabend als Material für eine Live Performance mit Projektor um das Phänomen der Spannungsoptik dienen soll.
 
 
All das sei als Einladung auch an die Bewohner:innen von Leifers zu verstehen, so der künstlerische Leiter des etwa zwei Jahre jungen Trägervereins La Seconda Luna, Nicolò Faccenda, der sich von der relationalen Ästhetik Nicolas Bourriauds inspiriert sieht. Ein Besuch lohnt sich voraussichtlich in besonderer Weise am Samstag oder Sonntag. Bevor sich das Programm des Festivals zum Wochenende hin verdichtet, wollen wir uns beispielhaft mit den Positionen von Nardon und Noera vertraut machen.
 
Salto.bz: Frau Nardon, im Programm finden sich zwei Projekte, die in gewisser Form Recycling betreiben: War das geplant oder eher Zufall?
 
Isabella Nardon: Das war ein Zufall. Der Fokus liegt bei uns nicht auf dem Schutz der Umwelt, mehr auf den Ideen des Tauschs und des Geschenks. Die Stadt Leifers nimmt uns als Gäste auf und wir werden mit den Geschenken, die wir erhalten eine Arbeit schaffen.
 
Findet sich unter den Geschenken etwas, das typisch für Leifers ist?
 
Nardon: Bis jetzt nicht. Es gibt Malereien, die in Norditalien anzusiedeln sind, was ihre Ästhetik anbelangt. Aber nichts, was spezifisch nach Leifers gehört.
 
Herr Noera, wie nimmt die Bevölkerung das Projekt auf, wie wird auf Sie reagiert?
 
Jacopo Noera: Da gibt es zwei Reaktionen, die zuerst kommen: Nehmt meinen Ehepartner oder meine Partnerin mit. Das ist häufig die erste Reaktion. (lacht)
 
Nardon: Oder die Kinder, häufig werden uns auch die Kinder angeboten.
 
Noera: Das haben wir so oft gehört, dass es zu einem Satz mit großem Echo wurde. Am Anfang hatten einige Personen etwas mit Furcht begegnet. Es war etwas schwierig, das Eis zu brechen. Auch durch die Verkettung, dass eine Person vor uns die Fenster zugeschlagen hat. Als dann die Person uns etwas geschenkt hat, war es leichter und hat geholfen anderen besser zu verstehen zu geben, worum es geht und was passiert.
 
 
Wie hat sich das geändert?
 
Nardon: Anfangs hieß es auch oft, dass man gerade alles entsorgt hätte, auch als wir um kleine Dinge, wie etwa ein Bonbon-Papier oder etwas Symbolisches gebeten haben, das wir in etwas anderes umwandeln und dem wir ein zweites Leben geben könnten. Aber, als wir wiederkamen, sind wir auf mehr Offenheit gestoßen, auch was Dialog und Austausch mit den Menschen anbelangt. Uns wurden Garagen geöffnet und wir durften uns aus einer Box bedienen, oder uns wurde ein Inter Mailand-Schal aus dem Fenster gereicht und ein Baubetrieber hat uns ein noch verpacktes Fitnesshandtuch aus seinem Magazin geschenkt.
 
Noera: Hervorheben will ich auch den Besitzer eines Kebab-Imbisses, der uns 10 Euro aus der Kasse und einen Pizzakarton gegeben hat.
 
Anteilsmäßig, wie viel Zeit verbringen Sie mit sammeln und wieviel mit dem Schaffen der Objekte?
 
Nardon: Zwei Tage lang haben wir Gegenstände gesammelt, geholfen hat uns auch das Team von La Seconda Luna am ersten Tag. Den Rest der Zeit verbringen wir dann damit, die Objekte zu schaffen, wir haben allerdings die Möglichkeit offen gelassen, uns noch bis Mittwoch Spenden in die Galerie zu bringen.
 
Sind die Spender eingeladen in der Galerie die Arbeiten anzusehen?
 
Noera: Wir haben alle dazu eingeladen, vorbeizukommen um das Resultat zu sehen. Auch vorher schon.
 
Nardon: Wir versuchen die Idee mit einzubinden, dass sie Teil der Arbeit sein können: Diese Installation oder dieses Objekt wird von ihnen erzählen.
 
Noera: Es ist ein kleines Porträt, eine kleine Fotographie des Orts, wenn man so will. Klarerweise haben nicht alle teilgenommen, deswegen haben wir dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
 
Nardon: In gewisser Form sind aber auch diese Menschen, durch ihre Abwesenheit, vertreten, wir haben auch diejenigen, die uns nichts gegeben haben eingeladen, vorbei zu kommen. Die Abwesenheit ihres Objekts ist Teil der Skulptur.
 
Ist eine Altersgruppe in spezieller Weise abwesend?
 
Nardon: Wir haben wenig junge Menschen gesehen: Wir sahen entweder Kinder, die eine oder andere ältere Person, oder Personen mittleren Alters. Aber wenige Personen in unserem Alter.
 
Haben Sie sie nicht gesehen, oder waren sie weniger bereit etwas beizusteuern?
 
Nardon: Wir haben Sie nicht gesehen. Vielleicht waren Sie außerhalb des Dorfes, etwa in den Bergen unterwegs, oder es lag an den Vierteln, die wir besucht haben.