Politica | nicht alleine

“Sogar zum Fi**en zu schiach”

Hass auf Facebook und im Netz – die Erfahrungen der Politikerinnen des Südtiroler Landtags.
Boxhandschuh
Foto: Pixabay

Das Urteil hat in Deutschland für großes Unverständnis gesorgt. Vor wenigen Wochen beschloss das Berliner Landesgericht, dass die Grünen-Politikerin Renate Künast wüste Beschimpfungen auf Facebook hinnehmen muss. Dort war die Bundestagsabgeordnete im März unter anderem als “Drecks Fotze”, “Stück Scheisse”, “Schlampe”, “Sondermüll”, “Alte perverse Dreckssau” bezeichnet worden. Künast hat daraufhin eine Kampagne gegen digitale Gewalt ins Leben gerufen und wird Beschwerde gegen das Urteil einlegen.

Wie weit der Hass auf Facebook und im Netz allgemein geht, hat auch so manche Abgeordnete im Südtiroler Landtag erfahren. Neun Frauen sitzen dort – auf Nachfrage von salto.bz sprechen einige ganz offen über ihre Erfahrungen. Auch wenn frau sich zu wehren weiß – das Bild, das sich vom Umgang mit Politikerinnen im Web ergibt, darf fassungslos und nachdenklich stimmen.

 

Sind Sie in Ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete je auf Facebook beschimpft, beleidigt, angegriffen oder in Ihrer Würde verletzt worden?

Jasmin Ladurner (SVP): Leider ja, sowohl auf Facebook – dort insbesondere im Wahlkampf, nachher weniger – als auch auf Online-Nachrichtenportalen. Insbesondere Frauen, die den Schritt in die Öffentlichkeit wagen, scheinen digitalen Angriffen ausgesetzt zu sein. Offene Meinungsäußerung und inhaltliche Kritik sind immer gerne willkommen, aber bitte mit einem Mindestmaß an Respekt.

Brigitte Foppa (Grüne): Ja, ich werde seit Beginn meiner politischen Tätigkeit immer wieder beschimpft, auf Facebook, in Online-Portalen, in privaten Mails oder über Messenger, manchmal sogar per Post.

Maria Elisabeth Rieder (Team Köllensperger): Nein, das ist mir bisher Gott sei Dank nicht passiert. Aber ich weiß, dass dies jederzeit aus dem Nichts passieren kann. Bei der Entscheidung für eine Landtagskandidatur war gerade das eine meiner Sorgen: Der Umgang mit den Politkern – insbesondere mit den Politikerinnen – in den sozialen Medien.

 

Magdalena Amhof (SVP): Oh ja, ich wurde beschimpft, beleidigt, sehr aggressiv angegriffen und damit auch in meiner Würde verletzt.

Ulli Mair (Freiheitliche): Ja, sowohl beschimpft als auch verbal angegriffen. Beleidigt würde ich nicht sagen, weil mich Schimpfwörter nicht beleidigen können. In meiner Würde fühlte ich mich nur einmal verletzt, als sich jemand ganz übel über meine Kinderlosigkeit ausgelassen hat und (m)einem eventuellen Baby eine Behinderung wünschte. Dazu muss man wissen, dass ich nicht freiwillig kinderlos bin, eine Zeit lang auch darunter zu leiden hatte und das verletzt dann schon. So etwas geht mir näher als jede andere verbale Attacke.

 

Von wem wurden Sie beschimpft? Mit welchen Ausdrücken?

Ulli Mair: Das mit der Kinderlosigkeit auf einem Online-Portal, anonym. Aber ich weiß trotzdem, wer das gemacht hat. Auf Facebook kamen Angriffe, Beschimpfungen stets mit Klarnamen. Da war von “walscher Hure”, “Nazi-Schlampe”, “dummer Sau”, “Verräterin” (auf meine Beziehung angesprochen) die Rede. Anonyme Kommentare auf Online-Seiten lese ich seit Jahren nicht mehr, da ich mir das schlichtweg nicht antue und mich anonymes Auslassen über meine Person auch nicht die Bohne interessiert. Es spricht eigentlich mehr für ein Medium, wenn es massive anonyme Beschimpfungen und Beleidigungen, die nichts mit dem politischen Thema zu tun haben, zulässt und veröffentlicht. Zudem erlebe ich immer wieder, dass gerade jene, die von linker Seite Toleranz in Anspruch stellen und sich selbst schnell diskriminiert fühlen, mit Beleidigungen gegen alle, die nicht links sind, sich selbst keine Grenzen setzen.

Jasmin Ladurner: Es waren überwiegend anonyme User. Von billigen, oberflächlichen, unfundierten Beleidigungen (“dumme Blondine”, “Gitschele”, “Stroh im Hirn”, “wia bled konn men lei sein”, “grod ausn Kindergortn”, “nit amoll fertig studiert...”) zu sexistischen Kommentaren (“Die Ladurner geilt mi”, “Me la farei…”, “Bacioni alla vagina…”) gab es eine große Bandbreite. Die sexistischen Kommentare haben für mich persönlich eine Grenze überschritten. Hier muss frau einen Riegel vorschieben – auch, um anderen Frauen zu zeigen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen müssen. Respekt ist für mich das Schlüsselwort.

 

Magdalena Amhof: Sowohl anonym, mit Pseudonym aber auch mit Klarnamen. Es waren auch Personen dabei, die mich ansonsten längs der Straße recht freundlich grüßen, oder aber auch Kollegen im Landtag! Die Ausdrücke habe ich verdrängt, vieles hab ich mir zum Selbstschutz gar nicht genauer angesehen. Aber ich werde immer wieder von meiner Familie, Freunden und anderen lieben Menschen aufmerksam gemacht, wenn solche Posts gemacht worden sind.

Brigitte Foppa: Da war alles dabei, sogar ehemalige Klassenkollegen, viele durchaus auch mit Klarnamen, auf Online-Portalen mit den üblichen Nicknames. Oftmals haben die Beschimpfungen sexistischen Hintergrund (“die vögelt ja niemand”, “die Foppa ist ja sogar zum Ficken zu schiach”), beziehen sich auf mein Aussehen, meine Haare (“so wie die aussieht”, “wann war Foppa das letzte Mal beim Frisör”, “die grüne Vogelscheuche”, “die griane Hex” usw.). An solche Aussagen gewöhnt frau sich mit der Zeit. Aber immer noch verletzt es mich, wenn es heißt, dass ich nicht arbeite, wenn meine Kompetenz in Frage gestellt wird oder wenn meine gesamte Familie in den Schmutz gezogen wird. Die schlimmsten Kommentare gab es in den ersten Jahren meiner Tätigkeit. Inzwischen ist es besser geworden. Dafür ist jetzt neu, dass mein Alter zum Thema gemacht wird – N.B. Lauter Dinge, mit denen kein einziger meiner männlichen Kollegen je zu tun hatte! Der bekannteste Shitstorm war vor drei Jahren zum Thema Kruzifix, da hat man mir von Vergewaltigungen bis Tod am Kreuz so ziemlich alles gewünscht.

 

Sind Sie gegen die Beleidigungen bzw. deren Verfasser vorgegangen? Wenn ja, wie?

Brigitte Foppa: Die schlimmsten Beschimpfer habe ich angezeigt. Und einige bin ich in Begleitung einer Journalistin besuchen gegangen. Als sie mich in der Tür stehen sahen, ist den Hatern fast das Herz stehen geblieben. Aber sie haben mich alle eingelassen, ich habe bei allen etwas zum Trinken bekommen, die Sache wurde besprochen und es hat wohl alle auch erstaunt, dass da ein Mensch von ihren Worten betroffen war, und nicht eine Figur oder eine Projektionsfläche.

Magdalena Amhof: Bisher nicht, einige meiner Kolleginnen haben das bereits getan. Ich werde es in Zukunft auch so handhaben, indem ich solche Beleidigungen und Beschimpfungen zur Anzeige bringe. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein!

 

Ulli Mair: Ich habe einmal Anzeige erstattet. Ich erhielt eine beleidigende E-Mail, abgeschickt von einer Fake-Adresse und unterzeichnet mit einem gefälschtem Namen. Durch die IP-Adresse konnte der Verfasser schnell identifiziert werden. Es war ein Oberschullehrer, der vom Schulcomputer die Mail verschickt hatte. Ich habe mich mit ihm getroffen und danach entschieden, die Anzeige zurückzuziehen. Er riskierte viel, ich hatte meine Neugierde gestillt und sogar Mitleid mit ihm, er muss sein gesamtes Leben mit sich verbringen, das ist Strafe genug... Seitdem steht er für mich stellvertretend für anonyme Schreiberlinge: arme Hater, Außenseiter, Neidhammel, Versager, die alles und jeden für ihren Frust verantwortlich machen, nur nicht sich selbst.

Jasmin Ladurner: Ich habe bei der Polizei Strafanzeige erstattet.