Politisches Roulette im Senat
Nach Großkundgebungen, Dauerpolemiken und bischöflichen Empfehlungen tritt das Tauziehen um die unioni civili am Dienstag im Senat in seine konkrete Phase. Vor Beginn des Abstimmungsmarathons muss die Lega Nord zunächst ihrer Ankündigung folgen und ihre fast 5000 Abänderungsanträge zurückziehen. Und der Partito Democratico jenes Bündel von Anträgen, das vorbereitet wurde, um jene der Lega zu neutralisieren. Dann wird der Verlauf der weiteren Debatte davon abhängen, wie viele neue und substantielle Abänderungsanträge Präsident Pietro Grasso zulassen wird.
Renzis Chancen, den Abstimmungsmarathon unbeschadet zu überstehen, sind unterdessen merklich gesunken. Das liegt an einer überraschenden Wende Grillos, der seinen Parlamentariern mit der Ankündigung in den Rücken fiel, bei den Abstimmungen gelte "Gewissensfreiheit". Seit Wochen hatten die Parlamentarier der Fünfsterne-Bewegung unbeirrt darauf beharrt, dass sie den Gesetzentwurf "nur ohne Änderungen und Abstriche" genehmigen würden. Chiara di Benedetto, Sprecherin des M5S in der Abgeordnetenkammer, zeigte sich erzürnt über Grillos Quertreiberei:
"La libertá di coscienza, a due giorni dal voto, suona come patetico tentativo i non spingersi oltre. Era fondamentale mantenere il metodo che c'eravamo prefissati."
Die Entscheidung Grillos - typisch für dessen unberechenbaren Stil - hat in der Bewegung heftige Polemiken ausgelöst. Mit Jubel reagierte dagegen Innenminister Angelino Alfano Jubel, der profilierteste Vertreter des katholischen Flügels, der vor allem die Adoption kippen will: "Si riapre la partita. Potrebbe saltare l'intera legge." Für Grillos überraschende Ankündigung dürften nicht nur Rücksichten auf eher konservative M5S-Wähler massgeblich sein, sondern auch seine tiefe Abneigung gegen Renzi, dem er liebend gerne eine empfindliche Niederlage zufügen würde. Ein Hasardspiel. Denn die Fünfsterne-Bewegung hatte sich klar hinter diesen Gesetzentwurf gestellt. Wird er jetzt gekippt, werden die Proteste der Basis kaum auf sich warten lassen.
Für Regierungschef Renzi wird am Dienstag und Mittwoch jedes Votum zur Zitterpartie. Das gilt vor allem für die geheimen Abstimmungen, bei denen katholische Senatoren aus dem PD und dem M5S angesichts der Wackelmehrheit dem Premier eine Abfuhr erteilen könnten. Die Opposition wird daher von ihrem Recht Gebrauch machen, eine möglichst hohe Zahl von Geheimabstimmungen zu fordern. Bleibt es bei 15 oder 20, könnte sie Renzi mit etwas Glück überstehen. Steigt ihre Zahl auf das Dreifache, wird jeder Wahlgang zum politischen Roulette.
Ein Angebot Alfanos, das Gesetz ohne die umstrittene Adoption und ohne Gleichstellung mit der Ehe zu verabschieden, hat der Premier abgelehnt. Denn Matteo Renzi ist ein Hasardeur. Wie sein verhasster Gegenspieler Beppe Grillo. Diesmal freilich befinden sich beide in derselben misslichen Ausgangslage: Wird das Gesetz über die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gekippt, erleiden beide Erzfeinde eine empfindliche Niederlage.