Politica | Landtag
Die verschobene Kür
Foto: G.News
Es ist eine schlechte Angewohnheit der Politik. Dinge, die einfach sind noch einmal zu verkomplizieren.
Ein Musterbeispiel dafür spielt sich derzeit im Südtiroler Landtag ab. Es geht um die Ernennung eines neuen italienischen Richters für das Verwaltungsgericht Bozen. Eigentlich war die Wahl für diesen Dienstagnachmittag im Landtag angesagt. Jetzt wurde sie aber auf März verschoben. Der Grund: Rechtliche Unklarheiten, die man bis dahin klären will.
„Ein Rechtsgutachten soll die Sachlage jetzt klären“, meint Landtagspräsidentin Rita Mattei.
Was sie nicht sagt: Die Rechtslage ist eigentlich mehr als klar, aber die Politiker haben Angst vor einer möglichen Blamage.
Die Nachbesetzung
Mit 11. Oktober 2021 ging der Bozner Verwaltungsrichters Terenzio Del Gaudio in Rente. Der ehemalige Kommandant der Bozner Finanzwache war im September 2000 vom Südtiroler Landtag zum Verwaltungsrichter bestimmt und wenig später vom Staatspräsidenten per Dekret ernannt worden.
Seine Nachbesetzung steht dem Südtiroler Landtag zu. Genauer gesagt den italienischen Landtagsabgeordneten. Dabei wurde zum ersten Mal eine neue Formel angewandt. Ausgearbeitet vom Verfassungsrechtler und ehemaligen PD-SVP-Senator Francesco Palermo wurde die entsprechende Durchführungsbestimmung erst vor wenige Jahren geändert. Der Hintergrund: Die politische Ernennung der Verwaltungsrichter sollte durch ein professionelles Auswahlverfahren abgedämpft werden.
Laut Durchführungsbestimmungen (Nr. 426) wird das Auswahlverfahren von einer vierköpfigen Kommission vorgenommen. Sie setzt sich aus einem Staatsrat, der vom Präsidialrat der Verwaltungsgerichtsbarkeit ernannt wird, aus einem vom Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Bozen ernannten Verwaltungsrichter, aus einem vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Bozen ernannten Anwalt, sowie aus einem vom Landtag ernannten, Universitätsprofessor für Rechtswissenschaften zusammen. Präsident der Kommission wird der Staatsrat.
Die Aufgabe dieser Kommission ist es die Eignung der Kandidatinnen und Kandidaten festzustellen.
Die Auswahl
Der Staatsrat ernannte den Südtiroler Staatsrat Thomas Mathá in die Kommission, das Bozner Verwaltungsgericht entsandte Giuseppina Adamo, Sektionspräsidentin am Verwaltungsgericht Apulien, der Landtag ernannte Anfang Oktober 2021 den Professor für Verwaltungsrecht an der Universität La Sapienza, Marcello Clarich und die Rechtsanwaltskammer den Bozner Anwalt Christoph Trebo.
Die Auswahlkommission prüfte die Bewerbungen von insgesamt 17 Personen. Acht Bewerberinnen und Bewerber wurden zur Anhörung geladen. Eine davon zog sich vorher zurück. Aus den sieben Kandidatinnen und Kandidaten ermittelt die vierköpfige Kommission letztlich zwei Geeignete.
Fabrizio Cavallar, Direktor des Rechtsdienstes für das Territorium in der Landesverwaltung und Carlo Busato, langjähriger Richter am Landesgericht Bozen. Busato, bisher auch ernsthaft als neuer Gerichtspräsident im Gespräch, ist dabei der eindeutige Favorit.
Das Problem
Eigentlich sollte der neue italienische Verwaltungsrichter am Dienstagnachmittag vom Landtag ernannt werden. Doch bei der Aussprache zwischen den acht italienischen Landtagsabgeordneten tauchte plötzlich ein „Problem“ auf.
In der Durchführungsbestimmung steht wörtlich: „Eine weitere Voraussetzung für die Ernennung ist ein Alter von mindestens 40 und höchstens 60 Jahren“. Fabrizio Cavallar aber hat mit 24. Jänner 2022 das 60. Lebensjahr erreicht. Damit müsste der Landesbeamte eigentlich aus dem Rennen sein.
Es war aber vor allem der PD-Landtagsabgeordnete Sandro Repetto, der auf der Sitzung eine Rechtsfrage aufwarf: Bei Wettbewerben gilt die Altersbeschränkung bei der Abgabe des Gesuches. Demnach würde Cavallar die Voraussetzungen erfüllen.
Vor diesem Zweifel will man jetzt ein Rechtsgutachten beim Rechtsamt des Landtages einholen.
Angst vor Rekurs
Dabei ist die Rechtslage eigentlich mehr als klar. Denn es handelt bei der Ernennung des Verwaltungsrichters nicht um einen Wettbewerb, sondern um ein Auswahlverfahren. Dessen Regeln klar und deutlich in der Durchführungsbestimmung festgeschrieben sind. Dort ist der Zeitpunkt der Ernennung (nomina) als Kriterium angegeben.
Der einzige rechtliche Zweifel, der hier noch bleibt, ist, was man unter Ernennung versteht. Die Wahl im Landtag oder die Ernennung des Verwaltungsrichters durch das Dekret des Staatspräsidenten? „Darüber kann man diskutieren“, sagt ein bekannter Verwaltungsrechtler zu Salto.bz, „der Rest ist sonnenklar“.
Dass man im Landtag aber dennoch zögert, liegt auch an einer Vorgeschichte. Fabrizio Cavallar hat zweimal vor dem Bozner Verwaltungsgericht gegen die Ernennung der damaligen Volksanwältin Burgi Volgger geklagt und Recht bekommen. Die Wahl Volggers wurde vom Verwaltungsgericht im Dezember 2012 annulliert. Die Volksanwältin konnte ihre Amtszeit nur zu Ende führen, weil der Landtag vor den Staatsrat zog.
Jetzt hat man Angst, dass Fabrizio Cavallar bei einem Ausschluss aus Altergründen wieder den Gerichtsweg bestreiten könnte und der Landtag nochmals eine schlechte Figur abgeben könnte.
Deshalb will man diesmal auf Nummer sichergehen und hat die Wahl auf März verschoben.
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