Politica | Tragödie von Cutro

„Der Zynismus eines Ministers“

Die SVP-Senatorin Julia Unterberger hat in einer harten Rede im Senat Innenminister Matteo Piantedosi verbal abgewatscht. Ihre Wortmeldung hat für Aufsehen gesorgt.
Cutro
Foto: Il T quotidiano indipendente
Julia Unterberger hat am Dienstag im Senat eine beinharte und vielbeachtete Rede gegen Innenminister Matteo Piantedosi und seine Aussagen zur Flüchtlingstragödie von Cutro gehalten.  
Die Wortmeldung der SVP-Senatorin wurde dabei im Senat nicht nur immer wieder von Applaus unterbrochen, sondern hat auch ihren Niederschlag in den nationalen Medien gefunden. So schreibt die römische Tageszeitung „La Repubblica“ in ihrer heutigen Ausgabe: „La più affiliata nell´atto di accusa è forse la senatrice sudtirolese Julia Unterberger."
 

Die Rede

Die Unterberger-Rede im Wortlaut:
 
Herr Präsident, Minister Piantedosi,
Es bedurfte erst dieser Tragödie, um einen rechten Minister von Rettungen sprechen zu hören, einen der stolz aufzählt, wie viele Menschen von den italienischen Behörden gerettet worden sind. Es ist das erste Mal seit sechs Jahren, dass das in diesem Haus geschieht. Denn in der ganzen Zeit, während sich diese Tragödien abspielten, hörten wir von Ihren Bänken aus, nur das Gerede von einer Seeblockade zur Bekämpfung des islamischen Terrorismus, von achtzehnmonatiger Haft für diejenigen, die unsere Küsten erreicht haben, und vom Versenken der Boote, die für die Überfahrten benutzt wurden. (Beifall).
Herr Minister, verstehen Sie denn nicht, dass jemand dieses Unglück mit den Verordnungen gegen die NROs in Verbindung bringt? Es ist ganz einfach: Sie haben ein Klima geschaffen, das die Rettungsaktionen kriminalisiert, sie mit der Beihilfe zur illegalen Einwanderung gleichsetzt (Beifall) und alle zögerlich werden lässt, wenn es um die Einleitung von Rettungsmaßnahmen geht: Dabei muss die Bewertung von Rettungsaktionen - wie ein Admiral der Mission Mare nostrum erklärt hat - immer aus einem Übermaß an Vorsicht gemacht werden und nicht aus Mangel aus Vorsicht. 
 
Sie haben ein Klima geschaffen, das die Rettungsaktionen kriminalisiert, sie mit der Beihilfe zur illegalen Einwanderung gleichsetzt und alle zögerlich werden lässt, wenn es um die Einleitung von Rettungsmaßnahmen geht.
 
Um bei Ihrer Geschichte zu bleiben, Herr Minister, aus der klar hervor geht, dass diese Reise höllisch gewesen ist und keineswegs eine Kreuzfahrt war, wie ein Mitglied Ihrer Mehrheit gemeint hat. (Beifall). Zudem und das haben Sie selbst noch einmal bestätigt, weist allein die Herkunft dieser Menschen darauf hin, dass sie den Schutz durch internationale Abkommen genossen hätten. Deshalb sind die Aussagen, die Sie in Kalabrien gemacht haben und die nicht missverständlich wiedergegeben wurden, umso schwerwiegender. Wie eine Dichterin geschrieben hat: Niemand setzt seine Kinder in ein Boot, außer das Wasser ist sicherer als das Land. Das ist der wahre Pull-Faktor, nicht die NGOs. (Beifall).
 
 
 
 
Immer in Cutro sagten Sie, dass wir die Asylbewerber holen werden. Wird es dann einen Ort geben, an dem eine afghanische Frau, die von den Taliban in ihrem Haus eingesperrt wurde, ihre Reise buchen kann? (Beifall. Kommentare). Oder war das nur der Zynismus von Seiten eines Ministers?
Während ich auf eine Antwort warte, möchte ich Ihnen mitteilen, dass Ihre Mehrheit in der Abgeordnetenkammer die Salvini-Dekrete zur Einschränkung der Kriterien für die Gewährung des Flüchtlingsstatus wieder einführen will. Hier zeigt sich Euer wahres Gesicht, wo Ihr dann versucht, die Verantwortung auf Europa abzuwälzen und die Karten neu zu mischen, indem ihr von rechtmäßigen Strömen sprecht. In Wirklichkeit aber handelt es sich um verschiedene und getrennte Dinge. Eine Sache ist es, auf die Nachfrage nach Arbeitskräften durch italienische Unternehmen zu reagieren, und eine ganz andere, Menschen auf See zu retten und denen Schutz zu gewähren, die vor Kriegen, Diskriminierung oder Hungersnot fliehen. (Beifall).
 
Eine Sache ist es , auf die Nachfrage nach Arbeitskräften durch italienische Unternehmen zu reagieren, und eine ganz andere, Menschen auf See zu retten und denen Schutz zu gewähren, die vor Kriegen, Diskriminierung oder Hungersnot fliehen.
 
Für die beiden letztgenannten Punkte gäbe es eine Lösung: die Wiedereinführung von Mare nostrum und die Aufhebung der Vorschriften gegen die NGOs. (Beifall). Es wäre auch eine Form des Respekts vor dieser Tragödie, denn hinter den Zahlen stehen Geschichten, die immer auch erzählt werden sollen: der kleine syrische Junge, der seinen sechsjährigen Bruder ertrinken sah; die Mutter, die ihren kranken Sohn behandeln lassen wollte; das Mädchen, das zusammen mit ihrem Bruder vor den Taliban geflohen ist; die Leiche eines Kindes, das bis vorgestern nur ein Code war, weil niemand wusste, wie es hieß.
Ein Letztes: Garantieren Sie wenigstens den Überlebenden ein Bett und Toiletten, die diesen Namen verdienen (Beifall), denn was wir heute Morgen in den Zeitungen gelesen haben, ist einfach unwürdig. (Beifall).
 
Nicht erst mit dieser Rede durchbricht Julia Unterberger eine Auffassung der parlamentarische Arbeit, die innerhalb der SVP-Parlamentsfraktion seit einigen Jahren mehrheitlich vertreten wird. Das politische Credo lautet: Wir reden nur wenn es um Themen geht, die Südtirol betreffen.
Dass Politik etwas anderes ist, macht diese Wortmeldung deutlich. Doch davon werden Sie im Tagblatt nichts lesen.
 

 

 

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Giancarlo Riccio Mer, 03/08/2023 - 12:41

Grazie di cuore, da cittadino e da giornalista, alla senatrice e al suo coraggio intellettuale, civile, politico. Palazzo Madama, sede del Senato, è sempre più di rado l'agorà libero dove la democrazia italiana può alimentarsi. Anche in nome della libertà di stampa, non dimentichiamolo.

Mer, 03/08/2023 - 12:41 Collegamento permanente
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Hartmuth Staffler Mer, 03/08/2023 - 13:39

Ich bin zwar in diesem Fall ganz auf der Seite der Senatorin Unterberger, aber der deutsche Text ihrer Rede ist katastrophal. Wenn es ein deutscher Originaltext der Frau Unterberger ist, dann sollte sie sich wirklich um mehr Sprachqualität bemühen, wenn es ein italienischer Originaltext ist, der - von wem auch immer - in die deutsche Sprache übersetzt wurde, dann sollte sich der (oder die) Übersetzer/in schämen.

Mer, 03/08/2023 - 13:39 Collegamento permanente
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Dietmar Nußbaumer Ven, 03/10/2023 - 21:45

Illegale Einwanderung und Flucht sollten nicht verwechselt werden. Zudem muss die EU ihre Hausaufgaben beim Thema Migration mal angehen. V.a. Frauen und Kinder sollten einen besonderen Schutzstatus haben (oder ist das schon der Fall, da kenn ich mich zu wenig aus). Zivilcourage sollte man gerade von demokratisch gewählten Politikerinnen und Politikern erwarten dürfen. Ein Dank an Frau Unterberger für diese Rede: Ein Rest von Menschlichkeit muss bleiben.

Ven, 03/10/2023 - 21:45 Collegamento permanente