Politica | Gemeindewahlen

Die Sehnsuchtsträger

Zehn Gemeinden mehr bei den Kandidaturen, eine neue Zeitung, viel Nachwuchs bei der Jugend. Die Südtiroler Freiheit ist im Aufwind. Warum eigentlich?

Für den Politologen Günter Pallaver liegt der Erfolgsfaktor in der Sehnsucht, die sie vermittelt. Für Sven Knoll ist es die Begeisterung und Leidenschaft innerhalb der eigenen Bewegung, die ansteckt. Myriam Atz Tammerle sieht eine kritischere Bevölkerung, aber auch deren Wunsch nach einer klaren Identität und Werten als guten Boden für die eigene Arbeit. Wie auch immer der Aufwind der Südtiroler Freiheit erklärt werden mag – sicher ist, dass die Bewegung, die sich Südtirols Selbstbestimmung auf ihre Fahnen geschrieben hat, mit auffallend guten Karten zur Gemeinderatswahl antritt. 35 Gemeinderatssitze in 25 Gemeinden konnten 2010 erobert werden. Und es sieht ganz danach aus, dass es im Mai gelingen wird, die eigene Präsenz auszubauen. Während sich die große blaue Konkurrenz im Oppositionslager wegen der Halbierung der Gemeinden mit eigenen Kandidaten die Wunden leckt, widerlegen Sven Knoll und seine Mitstreiter vieles, was über diesen Wahlkampf gesagt wurde. Allgemeine Politikverdrossenheit? „Es kommt auf die Gemeinden an, aber vielfach sind die Leute von selbst zu uns gekommen.“ Schwer zu motivierende Jugend? „Keine Rede davon, wir haben junge KandidatInnen in Hülle und Fülle.“ Und das, obwohl deren Eltern in manchen Gemeinden von SVP-Funktionären bearbeitet wurden, den Nachwuchs mit einer Kandidatur für die Opposition nicht die eigene Zukunft gefährden zu lassen, wie Sven Knoll kritisiert. „Es ist unglaublich, welchen Druck es diesbezüglich von Seiten der Volkspartei gibt.“

Das Ergebnis der Südtiroler Freiheit kann sich dennoch sehen lassen: 140 eigenständige KandidatInnen, drei Bürgermeisterkandidaturen in Meran, Prad und Ahrntal, 25 Gemeinden, in denen die Bewegung allein antritt, sechs gemeinsame Kandidaturen mit anderen Listen – wie zum Beispiel in Gsies, wo die Südtiroler Freiheit eine gemeinsame Liste mit den Freiheitlichen bildet. „Wir treten auch in Gemeinden an, in denen es noch nie eine Opposition gegeben hat, wie in Laurein oder im Schnalstal“, so Knoll.

Tiroler Stimmen

Einen weiteren Beleg dafür, dass der Schwung der Partei auch mit der Verabschiedung von Frontfrau Eva Klotz nicht eingebremst wurde, legten der Landtagsabgeordnete und seine Mitstreiter am Mittwoch vor: die Tiroler Stimmen, ein 12-seitiges Informationsblatt der Landtagsfraktion, das künftig vier Mal im Jahr in einer Auflage von 3000 Stück erscheinen soll und aus Fraktionsgelder finanziert wird. Ein weiteres Sprachrohr für die Selbstbestimmung, das aber auch über andere aktuelle Themen aus dem Landtag informiert und mit QR-Codes zu vertiefenden Dokumenten oder den im Internet abrufbaren Landtagssitzungen führt.

Anlehnung nimmt die Südtiroler Freiheit dabei bei einem gleichnamigen historischen Vorbild: den Neuen Tiroler Stimmen, dem zwischen 1861 und 1919 erscheinendem Sprachrohr der katholisch-konservativen Partei Tirols, das damals ebenfalls für Unabhängigkeit und eine größtmögliche Selbstständigkeit eintrat. „Heute sind wir die Tiroler Stimmen im Südtiroler Landtag“, erklärte Sven Knoll. Und wie die Selbstbestimmungskämpfer anhand von Zitaten alter Ausgaben belegten, gibt es auch thematisch jede Menge Parallelen zwischen damaligen kritischen Betrachtungen zu den Plänen von Ettore Tolomei und heutigen Anfragen zum Gebrauch der Begriffe Sud-Tirolo oder Alto Adige. Alte Zöpfe scheint es bei diesem Thema nicht zu geben – mit oder ohne Symbolträgerin Eva Klotz. Ihr bleibt übrigens im neuen Blatt das letzte Wort – in der Kolumne „Der Zopf“. Der Spruch der ersten Ausgabe: „Die Landesregierung macht sich inzwischen schon mehr Gedanken darüber, wie sie Italien retten kann, als wie sie Südtirol vor Italien retten kann.“