Società | Wir im Jetzt

Zocken mit Corona

Verspielen wir das letzte Hemd? Es scheint, als ob wir nicht vorbereitet wären auf das, was wir gefordert hatten.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
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Foto: KMR

Verspielen wir das letzte Hemd?

Wir sind „stuff“ ... wir wollen raus! Wir wollen unser Leben zurück, wir wollen unsere Freiheit auskosten, unsere Freizeit genießen und unseren Job als Lebensgrundlage ausüben. Alles äußerst berechtigte Gründe für den ersten Schritt in die Post-Corona-Ära. 
Aber dieses Nach-Corona hat eben erst angefangen. Der Weg ist noch lang, womöglich sogar hart, oder sogar härter als der Lock-Down. Und die Hürden sind höher als wir uns das derzeit vorstellen. 
Das Volk hat aufbegehrt, die Politik hat nachgegeben. Aber das ist so wie beim Kind welches so lange schreit bis der Papi nachgibt oder die Mami eine Ablenkung sucht. Die Politik hat nachgegeben, die Ablenkung hat nicht mehr funktioniert. Die Stimmung ist einfach gekippt.

Also noch ein letztes Mal an den Roulette-Tisch? Alles auf die 36 oder doch nur auf Rot?

Und dabei hat die eine wie die andere Seite keine datenbasierten Grundlagen für ihre Entscheidungen. Zumindest noch nicht. Wenn wir ganz ehrlich sind, kennen wir selbst nach bald fünf Monaten Corona die wichtigen Details und Daten definitiv nicht. 
Es ist logisch, nachvollziehbar, richtig, wichtig, notwendig, alternativlos ... oder welche Begriffe auch immer für die Phase 2 herangezogen werden. 

Aber was haben wir vergessen, außer Acht gelassen, versäumt, nicht bedacht, totgeschwiegen... ?  Es ist jener Fehler den wir schon am Anfang der Pandemie gemacht haben. Wir waren auf den rasanten Ausbruch genauso wenig vorbereitet wie wir es für einen rasanten „Abbruch“ sind ... wobei dieser sich noch lange hinziehen dürfte. Auch das wissen wir nicht.

Der Kredit ist genehmigt ... und während sich die Corona-Kugel noch dreht, zocken wir einfach weiter.

Fakt ist, dass es jetzt wieder losgehen soll. Es ist schon wieder mehr ein „Ausbruch“ als Aufbruch. Alle Verbände, inklusive der Bevölkerung haben danach geschrien. Aber niemand, absolut niemand, ist richtig vorbereitet. Niemand weiß wie die Bestimmungen einzuhalten sind und die wenigsten (vor allem jene die es sich nicht leisten können) nehmen die Vorschriften - also die Voraussetzungen für die Öffnung - ernst genug. Mittlerweile wissen wir ja gar nicht mehr was wir dürfen, was verboten, was geboten ist. 
Wenn wir uns heute bewegen, sehen wir tagtäglich und überall, dass es hinten und vorne ordentlich happert. Auflagen können in vielen Bereichen schlicht und einfach nicht eingehalten oder umgesetzt werden. 

Wäre es besser gewesen noch eine Nacht darüber zu schlafen und dann zu entscheiden ob wir schon wieder ins Kasino gehen?

Wir hätten noch mehr Zeit in die Hand nehmen sollen. Zeit um uns besser vorzubereiten. Um Geschäfte, Betriebe oder Öffentliche Einrichtungen an die Bedingungen anzupassen und um wirtschaftliche Abläufe durch zu spielen. Es fehlen (oder sind nicht lieferbar und total überteuert) technische Überwachungssysteme wie Zugangskontrollen, Leitsysteme, Körpertemperatur-Scanner oder diese äußerst fragwürdige APP. Es fehlen Testkapazitäten, Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel, diverses Zubehör und speziell die entsprechende Ausbildung des Personals. Ebenso ist die zusätzliche Sensibilisierung der Bevölkerung  - also die Bedingung für die Rückkehr – nur teilweise angekommen oder wird ignoriert. Ein einziger Blick auf unsere Straßen und Gassen sagt alles. 
Und natürlich hätten wir gleichzeitig diese 14 Tage nutzen sollen um zu verstehen wie sich die Öffnung auf das Virusgeschehen auswirkt. 
Wir wissen es nicht und zocken trotzdem wie im Spielkasino. Wir riskieren einen monatlicher „Lock-Down“ alle paar Monate. Welcher Gast kommt, wenn wir nicht halbwegs Virus-frei sind oder wenn ein deutsches Medium von einem neuen Hotspot in irgendeinem Dorf in Südtirol berichtet. Was passiert wenn ein Industriebetrieb schließen muss und damit schon wieder Lieferketten unterbricht. Was passiert wirtschaftlich und gesellschaftlich? ... Vom Problem in den Krankenhäusern reden wir besser gar nicht. 

Hoffentlich landet die Kugel zumindest auf Rot ... die 36 müsste es gar nicht sein.

Mit Zeilen wie diesen fühle ich mich an Tagen wie diesen ziemlich alleine. Macht aber nichts, denn ich habe keine Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft zu tragen. Ich bin nicht relevant. Zum Glück. 
P.s.; ich ertappe mich schon jetzt mindestens stündlich beim Nichtbeachten von irgendwelchen "Bedingungen laut Landesgesetz"