Cronaca | Gerhard Mumelter aus Rom

Fahrrad gegen Ferrari

Der neue Bürgermeister von Messina ist ein untypischer Vertreter seiner Kaste: Mit Fahrrad, T-Shirt, Rucksack und Jeans hat der 59-jährige Turnlehrer das Rathaus gestürmt. Er verzichtet auf Privilegien und will die Stadt von unten reformieren.
Foto: Stefano Orsini

Er ist der untypischste Kandidat, der je in Italien zum Bürgermeister einer Großstadt gewählt wurde. Zum Amtsantritt erschien Renato Accorinti mit Fahrrad, T-Shirt, Rucksack und Jeans. Der 59-Jährige ist einer der wenigen Italiener, die kein Handy besitzen. Auf Gehalt und Polizeischutz hat der überzeugte Pazifist bereits verzichtet. Obwohl ihm Beppe Grillos Fünfsterne-Bewegung die erbetene Unterstützung verweigerte, besiegte Accorinti in der Stichwahl sensationell den hohen Favoriten Felice Calabró, dem im ersten Durchgang nur 59 Stimmen zum Erfolg gefehlt hatten. "Wir haben vorgeführt, wie ein Fahrrad einen Ferrari besiegen kann", freut sich Accorinti, der die grün-weiß-rote Schleife über seinem T-Shirt mit der Aufschrift "No ponte" trägt. Der Antimafia-Aktivist und Vorkämpfer für Bürgerrechte ist einer der Gründer der Bürgerinitiative gegen die Brücke von Messina. 2002 kletterte er auf den Mast von Torre Faro, um in 220 Metern Höhe Transparente anzubringen. "40 Jahre lang habe ich in meinem Kampf für die Rechte der Schwachen Fußtritte abbekommen."

"Unser Sieg ist nun eine Wiedergutmachung", lächelt der Vegetarier und Buddhist, der sich zweimal mit dem Dalai Lama getroffen hat. Als erste Amtshandlung ließ Accorinti die Glaswand entfernen, die den Bürgern den Zugang zu den Gemeindeämtern der 250.000 Einwohner-Stadt verwehrte. Sein Sieg über Calabró, der vom mächtigen PD-Senator Francantonio Genovese unterstützt wurde, gibt Accorinti besonderen Auftrieb: "Wir haben mit nackten Händen einen Flugzeugträger gestoppt." Accorinti sitzt barfuß auf dem Ledersofa in seinem Büro. Das Handy, mit dem er telefoniert, hat ihm ein Mitarbeiter geliehen: "Ich werde mich jetzt anpassen müssen", gesteht er mit einem gewissen Bedauern. Seine acht Stadträte hatte Accorinti bereits vor der Stichwahl ernannt. Nun droht er, jedem "die Freundschaft zu kündigen, der mich Bürgermeister nennt." Wie Accorinti in der mafiverseuchten Stadt seine zahlreichen Vorhaben realisieren will, bleibt vorerst unklar: seine Bürgerliste Cambiamo Messina dal basso verfügt im Gemeinderat nur über vier von 40 Sitzen.