Società | Vortrag

Achtsamkeit am Berg

Aus Wachstumsgier Heimat und Landschaft auszubeuten war verwerflich. Heutzutage ist es unverzeihbar. Achtsamkeit ist notwendig, wie Ex-SVP-Bürgermeister Renzler vorträgt.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
RAika Rasen
Foto: OR

Mein Onkel Konrad Renzler bekennt sich schuldig. Das ist einleitend wichtig festzuhalten. Rückblickend hat er vor einem halben Jahrhundert vieles falsch gemacht, als Ex-SVP-Bürgermeister und nimmersatter Wirtschaftstreibender im Antholzer Tal.

Konrad ist heute 84 Jahre alt. Besser spät als nie, werden Kritiker und Neider sagen.  Sollen sie. "Als selbst Mitschuldiger und Zeitgenosse der explosionsartigen Entwicklung" (KR) in Südtirol hat er für die Umweltgruppe Olang einen auf Youtube gestreamten Vortrag (von Minute 11.00 bis 1.22.00) über "Achtsamkeit am Berg" gehalten.  Konrads  kritische Liebeserklärung an Südtirol und seine Berge ist alleine schon wegen der herausragend schönen Bilder, besonders auf großem Bildschirm, sehenswert. Sein Blick ist ein Spagat zwischen dem historischen Bewundern der Berge und dem neuzeitlichem Nutzen des Reliefs dieser Berge. Die pure Schönheit und die Majestät unserer wuchtigen Wände und bizarren Gipfel, unserer grünen Täler und geschaffenen Landschaften treten in den Hintergrund, wenn mit Pistenskifahren, Sportklettern, E-Biken, Downhillen, Paragleiten, Basejumpen, Liften, Straßen, Stau und Motorradlärm, Monokulturen, Spritzorgien, Turbokühen und Verbauungswahn nur noch der Nutzen des Reliefs zählt: wo sind die Abfahrten länger, steiler, geiler; wo die Obstanlagen rentabler, die Kühe fetter, die Straßen kurviger, das Badewasser wärmer, das Hotel ausgefallener. Der geplante Glastempel bei der Kölner Hütte unter dem Rosengarten spricht Bände.

Oder eben auch das derzeit laufende Bauprojekt vor Konrads Türe in Niederrasen. Dort und jetzt beweist die Raiffeisenbank, dass ihr einheimische Interessen egal sind.  Gerade weil Genossenschaftsbank müsste das Gemeinwohl im Vordergrund stehen. Aber der Abriss ihres lediglich 40 Jahre alten Gebäudes wird klar, wenn man den künftigen, einmaligen Nutzen erkennt: hier werden im absoluten Ortszentrum von Niederrasen acht (8) nicht konventionierte Wohnungen errichtet. Der Geldsäckel der Genossenschaft ist schon weit offen, denn kaufen werden die Wohnungen wohl Ortsfremde mit viel Geld. Früher wurde dies als "Ausverkauf der Heimat" verteufelt und mit der Piefkesage pointiert. Und heute? Und gerade durch eine Genossenschaft?

Ja, Konrad muss sich schuldig fühlen, für eine Weile der blinden Wachstumsgier vor einem halben Jahrhundert verfallen zu sein. Aber gerade wer dieser Gier heute noch frönt, sollte seinem Vortrag "Achtsamkeit am Berg" höchste Aufmerksamkeit schenken.

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Sebastian Felderer Ven, 07/09/2021 - 07:53

Ich sehe das ganz anders. Habe die Ehre gehabt, Konrad vor einem Jahr kennen zu lernen. Seine Liebe zum Berg, seine immense Erfahrung, seine Leidenschaft zur Fotographie. Aber nicht nur. Seine Einstellung als Mensch, als Freund, weltoffen, mit Logik, mit Herz und Verstand. Ich kenne seine "Sünden" als Bürgermeister nicht, mag es auch nicht wissen. Ich sage nur: Wer ohne Sünde, werfe den ersten Stein. Es war früher so, es ist heute noch viel schlimmer. Ein Bürgermeister ist eingeklemmt zwischen Entwicklung der Gemeinde und Bewahrung der Schöpfung und der kulturellen Werte. Viele Kräfte wirken auf ihn ein. Wer Rückgrat beweist, begeht nur lässliche Sünden. Heute erlebe ich viele Bürgermeister, die Todsünden begehen, weil sie schon mit dem Hang zur Sünde ihren Sessel erobern. Wenn ein Mensch mit 84 Jahren Ansichten äußert, wie ich sie von Konrad vernommen habe, dann ist er auch mit seiner Vergangenheit im Reinen. Und schließlich ist er für sein Handeln nur vor Gott und vor sich selbst verantwortlich.

Ven, 07/09/2021 - 07:53 Collegamento permanente
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Peter Gasser Ven, 07/09/2021 - 08:43

In risposta a di Sebastian Felderer

es steht: “Und schließlich ist er für sein Handeln nur vor Gott und vor sich selbst verantwortlich”.
Ein Bürgermeister ist für sein (institutionelles) Handeln zuerst und vor allem seinen Bürgern verantwortlich - mit Gott hat das in einer sekularen Gesellschaft eher nichts zu tun, möchte ich meinen.
Für sein Leben und für sich als Mensch ist er - das ist richtig - “nur vor sich selbst” und vor seinem Gott verantwortlich.

Ven, 07/09/2021 - 08:43 Collegamento permanente
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Sebastian Felderer Ven, 07/09/2021 - 10:04

In risposta a di Peter Gasser

Ausnahmsweise antworte ich: Das Handeln eines Bürgermeisters und die Verantwortlichkeit den Bürgern gegenüber ist genau vom "Leben und vom Menschen" der institutionellen Amtsperson bestimmt. Und weil es nur "einen Gott" gibt, eben auch vor diesem zu verantworten. Wie kann man Mensch und Amt trennen, Herr Gasser? Habe mal einen Spruch gekannt: "Das Leben ist ein Überholvorgang. Für Menschlichkeit ist Platz am Sonntag." Ihre Auffassung klingt so ähnlich.

Ven, 07/09/2021 - 10:04 Collegamento permanente