Wie du säest, so wirst du ernten
Es war der 28. Juli, als Gesundheitslandesrätin Martha Stocker die ersten Zwischenergebnisse zum Landeszusatzvertrag präsentierte. Nach monatelangen Verhandlungen konnten „wichtige Etappensiege verzeichnet werden“, wie es Stockers Ressortleiter Michael Mayr formulierte. Auch Martha Stocker selbst zeigte sich erleichtert über den errungenen Zwischensieg. Mayr legte sogar noch eins drauf und verkündete mehr euphorisch als metaphorisch, dass das Heu ins Trockene gebracht wurde, sie das Gras nun wachsen lassen würden, um dann das Heu weiter ernten zu können. Doch einigen stößt diese Einigung sauer auf.
Dies bestätigte auch der Amtsarzt der Gemeinde Deutschnofen, Dr. med. Reinhard Zingerle. Und der 64-Jährige weiß wovon er spricht. Seit über 35 Jahren übt er schon sein Handwerk aus. „Der Frust sitzt tief bei den Hausärzten, so tief wie selten zuvor“, berichtet Zingerle. Er führt weiter an, dass es sehr vielen Hausärzten an Wertschätzung seitens der öffentlichen Hand mangelt. Auch die Förderung der Jungärzte wird bemängelt. Für Zingerle ist es verständlich, wenn die Peripherie zu wenig attraktiv für den Nachwuchs ist. „Dieses Problem würde sich mit dem derzeitigen Stand der Dinge nur noch mehr verschlimmern“, ist sich auch ein Kollege sicher.
Größter Streitpunkt bleibt aber nach wie vor die Patientenhöchstgrenze. Erlaubt sind nur noch maximal 1575 Patienten pro Arzt. Für die „überschüssigen“ Patienten bekämen die Hausärzte eine Art Pro-Kopf-Quote bezahlt. Wenn aber in einem Einzugsgebiet alle Stellen besetzt sind, ist diese Pro-Kopf-Quote hinfällig. So ist dies auch beim Amtsarzt der Gemeinde Deutschnofen der Fall. Momentan behandelt er über ein Viertel seiner Patienten umsonst. Der Abbau ist schwierig und für viele Ärzte fast schon unmenschlich. „Ich kann und werde auch nicht einfach so meine Patienten wegschicken, sie sollten ihren Arzt frei wählen können“, gibt sich Zingerle kämpferisch. Sein Kollege findet ebenfalls, dass der Patientenabbau eine Herkulesaufgabe und ohnehin extrem ins Stocken geraten sei.
Auch bei den Verhandlungen verlaufe oft nicht alles glatt, berichten die beiden Hausärzte. So sei man sich oft uneinig, besonders die Gewerkschaften kämen untereinander selten auf einen gemeinsamen Nenner. Manchmal hätte man sogar das Gefühl, als ob ein Dialog bewusst vermieden werden würde.
Auch bei der Streichung des Notdienstes stößt man auf Kopfschütteln. Vor der Streichung existierte ein Abkommen auf freiwilliger Basis mit dem Notrufdienst, welches besagte, dass im Falle eines Notrufes in bestimmten Fällen der örtliche Hausarzt entsandt wurde, um die Situation zu evaluieren und gegebenenfalls die verletzte Person selbst zu versorgen. Somit wurde in vielen Fällen z.B. überflüssige Hubschrauberstarts vermieden. „Wenn in der Notrufzentrale früher ein Notruf einging, wo ein Unfallopfer starke Blutungen am Kopf erlitten hatte, wurde ich zur Erstversorgung hingeschickt. Da es sich in mehreren Fällen „nur“ um eine Platzwunde handelte, musste kein Rettungshubschrauber starten und ich konnte den Verletzten selbst versorgen“, erzählt Amtsarzt Zingerle. Die Ärzte im Einsatz wurden für diese Arbeit entlohnt. Doch diesen Lohn wollte man sich durch die Streichung dieses Dienstes sparen. „Somit würde in einem Worst-Case-Szenario in Zukunft, übertrieben ausgedrückt, bei jedem Notruf der Hubschrauber starten.“, schmunzelt einer der Ärzte, „bei welcher Methode mehr gespart wird, liegt ja wohl auf der Hand.“
Summa summarum sind die Wogen noch nicht geglättet, die Südtiroler Hausärzte enttäuscht, das Heu noch nicht ins Trockene gebracht, die Ernte noch lange nicht eingefahren.