Società | kalašnikov&valeriana

Melonenförmiges Damoklesschwert

Werden wir tatsächlich eine „Frau, Mutter und Katholikin“ als Ministerpräsidentin haben und uns dann damit trösten oder gar beglückwünschen, dass es eben eine Frau ist?
Giorgia Meloni in piazza Matteotti a Bolzano
Foto: Salto.bz

In kalašnikov&valeriana ging es schon mal um Frauen in Führungspositionen, und auch sonst höre ich immer wieder Sätze wie „da habt ihr Feministinnen ja endlich eine Frau, welche die Gläserne Decke durchbricht und braucht nicht mehr jammern!“. Gerade in diesen Wochen vor den vorgezogenen Parlamentswahlen, in denen ich persönlich ein melonenförmiges Damoklesschwert über meinem Kopf spüre, möchte ich meine Gedanken dazu ganz klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen:

  • Alle Menschen in Italien (um nicht zu schreiben 99,9999 aller Menschen in der Welt … aber es geht hier ja um den nationalen Fruchtsalat in den kommenden Wochen) – also, alle Menschen in Italien sind in einem patriarchalen Gesellschaftssystem geboren und im Laufe ihres Lebens davon geprägt.
  • Nur wer sich mit der eigenen patriarchalen Prägung auseinandersetzt, patriarchale Strukturen und Machtsysteme hinterfragt und verändert, ist eine Feministin oder gegebenenfalls ein Feminist.
  • Ergo: Alle Menschen könnten Feminist:innen sein.
  • Fazit: Nicht alle sind es.
  • Nein, auch nicht alle Frauen! Manche sogar weniger als einige Männer, weil die Grundregeln des Patriarchats schon sehr gut verinnerlicht sein müssen, um das Machtspiel zu gewinnen.

Ob nun ein Mann oder eine Frau da unten da oben sitzen, ist mir so ziemlich einerlei. Ich hätte in Rom gern eine Feministin (gehe davon aus, dass ein Feminist ihr den Vortritt lassen würde, allein schon aus Gründen der Betroffenheit und ausgleichenden Gerechtigkeit). Und zwar eine Feministin, die nach feministischen Prinzipien ihre Freiheit und Macht nutzt, um auch ihre Mitmenschen in die Freiheit zu begleiten, statt sie zu unterdrücken. Die ihre Privilegien nutzt, um ihren Mitmenschen Rechte zu garantieren, statt deren Rechte zu beschneiden. Die in Netzwerken arbeitet statt in Hierarchien. Die den Dialog sucht, statt paternalistische Bevormundung zu üben. Die Menschen sieht, statt nur Profit. Die Veränderungen sucht, statt an patriarchalen Strukturen festzuhalten. Die horizontal diskutiert, statt vertikal zu entscheiden. Die solidarisch handelt, statt zu diskriminieren und marginalisieren. Die ganzheitlich denkt und wirkt, statt in starren Denkmustern zu verharren. Die körperliche Individualität und Autonomie stärkt, statt diese zu kontrollieren. Die Solidarität übt, statt Wettbewerb.
Das wäre endlich mal was Neues in diesem traurigen Politspektakel! Und nicht nur dort! Ich hätte gern eine Feministin in jeder Führungsposition. Sagen wir mal probeweise für ein Jahr …

Genug geträumt, es wird Zeit, den Wahlschein herauszusuchen. Die Stunde der Wahrheit naht: Werden wir tatsächlich eine Frau als Ministerpräsidentin haben? Eine „Frau, Mutter und Katholikin“ wie sie selbst sagt? Das weibliche Paradebeispiel einer patriarchalen Gesellschaft? Und uns dann damit trösten oder gar beglückwünschen, eine Frau an der Spitze zu haben?