Politica | Energie

Fragwürdiges Aufgebot

Können illegal erworbene Konzessionen durch eine Holding saniert werden? Nein, sagen die Grünen in Sachen Fusion Etschwerke und SEL. Doch die Alternative ist happig.

Die Zeit drängt. „Der Stromstreit muss ein Ende haben, ich erwarte mir von den Gemeinden Bozen und Meran noch in diesem Herbst eine gemeinsame Lösung“, lautet die Vorhabe von Energielandesrat Richard Theiner. Immerhin steht am 17. Dezember im Rom ein Termin beim Obersten Wassermagistrat in Rom an, bei dem es nicht zuletzt um die Klage der Etschwerke wegen der Manipulationen bei den 2009 vergebenen Konzessionen geht. Angesichts einer saftigen Schadenersatzforderung von 807 Millionen Euro – also rund zwei Drittel der jährlichen Gesundheitsausgaben Südtirols – brennt der Hut tatsächlich. Vor allem weil seit der ersten Verurteilung von Maximilian Rainer und Michl Laimer im Februar 2013 rechtskräftig festgestellt ist, dass die SEL bei der Bewerbung um elf Ex-Enel Konzessionen und der ehemaligen Edison-Konzession Laas-Martell illegal vorging – indem ihre Ansuchen auf Betreiben der beiden Verurteilten nach Einsicht in die Unterlagen der Konkurrenz nachträglich korrigiert und ausgetauscht wurden.

Ein wahrer Pasticcio, der dazu führte, dass ein gutes Drittel der heimischen Wasserkraftproduktion auf rechtlich unsicherem Terrain steht. Nach der Einigung mit Brixen und den Vinschgern soll die weitere Aufräumarbeit nun über eine Fusion beschleunigt werden. Dabei schwebt der Landespolitik eine gemeinsame Holding vor, die 100-prozentige Eigentümerin am Landesbetrieb SEL und dem Gemeindebetrieb Etschwerke werden soll. Eventuelle weitere Player als Töchter sind nicht ausgeschlossen, zentral ist nun aber einmal, die beiden bisherigen Antagonisten am heimischen Strommarkt unter ein gemeinsames Dach zu bringen. Die Etschwerke ziehen ihre Klage zurück, das Damoklesschwert Schadenersatz ist vom Tisch – und das allseits geforderte neue Kapitel in Südtirols Energiepolitik kann endlich aufgeschlagen werden, lautet der Gedanke. Der rechtliche Rahmen dafür soll bereits diese Woche im Landtag gesteckt werden – mit Artikel 6 bis des Omnibusgesetzes, mit dem eine die Gründung einer Holding und die Abtretung von Gesellschaftskapital möglich gemacht wird.  

Grüner Einspruch

Einspruch gegen diese Vernunftehe gibt es nicht nur von kritischen Geistern in beiden Betrieben oder in den beiden Eigentümergemeinden Bozen und Meran. Auch die Grünen, die bei der Aufdeckung der SEL-Skandals an vorderster Front mit dabei waren, wollen der Rettungsaktion nicht tatenlos zuschauen. Ihr konkreter Input? Ein Abänderungsantrag, laut dem der Artikel im Omnibus-Gesetz um zwei Bedingungen ergänzt werden soll: die Gründung einer Holding darf erst erfolgen, nachdem die Legalität der Ex-Enel-Konzessionen wieder hergestellt ist – und zwar über eine neuerliche Überprüfung der Ende 2005 eingereichten Projekte und die Zuweisung an die damals tatsächlich Bestbietenden. Und: Das Land soll in der Holding weder eine Mehrheit noch eine Kontrollfunktion haben, um endlich mit dem Interessenskonflikt aufzuräumen, gleichzeitig Schiedsrichter und Spieler zu sein.

Ohne diesen Zusatz würde der Artikel laut Abgeordnetem Riccardo dello Sbarba nur den Weg freimachen, den alten Stil in der heimischen Energiepolitik 1:1 fortzuschreiben. Das zeigt sich schon bei der Berechnung der Anteile, der Land und Gemeinden an der neuen Holding halten sollen. „Wie soll man berechnen, wie viel dem Land zusteht, wenn nicht klar ist, welche Konzessionen der SEL tatsächlich gehören“, fragt der Grüne Landtagsabgeordnete. Besonders komplizierter wird die Sache bei einzelnen Kraftwerken wie St. Anton oder Töll. Das Werk bei Meran wanderte bei der Konzessionsvergabe offiziell von den Etschwerken zur SEL – faktisch wird es aber im Gentlemen-Agreement weiterhin von den Etschwerken geführt. Eine Bombe auch St. Anton, das von der SEL geführt wird, obwohl Hellmuth Frasnellis Eisackwerk GmbH alle Karten dafür in der Hand hat  - und diese mit allseits bescheinigten hohen Chancen ebenfalls gerichtlich einklagt.

„Wie soll man berechnen, wie viel Prozent der Holding dem Land zusteht, wenn nicht klar ist, welche Konzessionen der SEL tatsächlich gehören?“

Soll sich eine solide Gesellschaft mit 100-jähriger Tradition auf solche Unsicherheiten einlassen, fragt Riccardo dello Sbarba. Vor allem angesichts der Aussicht, dass Bozen und Meran laut Indiskretionen in der neuen Holding Anteile von jeweils 17 bis 18 Prozent halten dürften – und somit wesentlich an Entscheidungsgewalt über die Etschwerke verlieren würden. Nicht zu vergessen ist auch, dass in der politisch gewollten Ehe noch zwei Nebenbuhler mitzureden haben: Enel und Edison, die über die SEL-Gesellschaften Hydros und SE Hydropower ebenfalls in dem neuen Konstrukt  vorkommen würden. Und nebenbei die vertragliche Zusicherung haben, bei den nächsten anstehenden Ausschreibungen von Edison-Konzessionen gemeinsam mit der SEL anzutreten.

Wo sind die Originale?

Es sind solche Einwände, die vor allem bei den technischen Führungskräften der  Etschwerke für erhebliche Widerstände gegen einen Zusammenschluss mit der SEL sorgen. Klar ist aber auch, dass der politische Druck in die Richtung angesichts der Alternative extrem groß ist. Denn die heißt vorerst tatsächlich Neuvergabe der Konzessionen. Und zwar nicht über eine europaweite Ausschreibung, wie immer als drohendes Szenario behauptet wird, sagt Riccardo dello Sbarba. „Der Weg dafür wurde damals mit dem Caia-Gutachten vorgeben, das mit einem nie zurückgezogenen Beschluss der Landesregierung umgesetzt werden soll.“ Die rechtlich sicherste Lösung, die der von außen berufene Experte Caia vorschlug: Alle Ansuchen der damaligen Ausschreibung, inklusive der Original-Anträge der SEL, seien noch einmal zu überprüfen, um die Konzessionen dann an die tatsächlich Bestbietenden zu vergeben. Das Problem an dieser Lösung? Zulässige Originaldokumente der SEL konnten bislang weder vom Gericht noch vom Land ausgemacht werden. Entsprechenden Aussagen von Energielandesrat Richard Theiner wurden erst kürzlich von der Eisackwerk GmbH widersprochen. Doch ohne Originaldokumente dürfte die Landesgesellschaft SEL nicht einmal bei der Neubewertung berücksichtigt werden – und würde damit viele ihrer größten Kraftwerke verlieren.

Eine Option, die bei allen Wünschen nach einer „sauberen Energiepolitik“ auch für die neue Landesregierung unvorstellbar sein dürfte. Deshalb die Flucht nach vorne – in eine Ehe mit dem bisherigen SEL-Gegenspieler Etschwerke. Ob diese überhaupt bei den Eigentümergemeinden Bozen und Meran durchgesetzt werden kann, ist allerdings noch offen. Vorerst geht es im Landtag erst einmal um das Aufgebot.