Società | Hausärzte

Chi me lo fa fare

Stichtag für Südtirols Hausärzte. Ohne Erfolge bei der heutigen Verhandlung drohen nicht nur Patienten, sondern auch Arztangestellten Folgen.

Es ist ein Stichtag für Südtirols Hausärzte, meint SNAMI-Gewerkschafterin Susanna Hoffmann. Am Donnerstag Nachmittag, zwischen 15 und 19 Uhr, geht es beim nächsten Treffen des Landesbeirats für kollektivvertragliche Verhandlungen ums Eingemachte. Denn die zähen Verhandlungen zwischen Provinz, Sanitätsbetrieb und den Vertretern der vier Fachgewerkschaften SNAMI, FIMMG, Cisl Medici und SMI um den neuen Zusatzvertrag haben mit den letzten Honorarzahlungen von Südtirols Hausärzten einen gewaltigen Turbo bekommen. Rund 10 bis 25 % Gehaltseinbußen müssen die Basisärzte in Folge des neuen Integrationsvertrages derzeit hinnehmen. Und das, obwohl der mit 1. August in Kraft getretene Übergangsvertrag mit dem Ziel durchgepeitscht wurde, Gehaltseinbußen zu vermeiden. Ein Unfall, den weder das Land noch die Gewerkschaften vorhergesehen hatten, räumt Susanna Hoffmann ein. „Es war extrem schwierig einen für uns angepassten staatlichen Vertrag in so kurzer Zeit zu übernehmen“ sagt sie. „Doch das wird sich sicher glätten.“

Ohne ein solches Glätten droht die Causa Hausärzte tatsächlich zu eskalieren. Bereits heute unmittelbar nach der Sitzung des Landesbeirats will die SNAMI in einer Vorstandssitzung entscheiden, ob sie ihre angedrohten Protestaktionen umsetzt. Wie groß der Frust unter den Allgemeinmedizinern ist, konnte Gesundheitslandesrätin Martha Stocker in den vergangenen Wochen aber aus einer Flut von Briefen herauslesen, in denen Hausärzte im ganzen Land ihre persönliche Situation schildern. „Jeder, der Angestellte hat, macht sich zur Zeit Gedanken darüber, ob er sie kündigen muss oder zumindest ihre Stunden kürzt“, sagt der Hausarzt Eugen Sleiter aus Dorf Tirol. „Wenn die Patienten dann zehn Stunden auf ein Rezept warten müssen, wird sich zeigen, ob das wirklich der gewünschte Weg ist.“

10 Jahre ohne Honoranpassung, 20 Jahre dieselben Tarife

Es ist nicht die erste Drohung, die in diesem Jahr von einer bislang eher zahmen Kategorie kommt. Statt der Aufwertung der Basismedizin, von denen in den Reformplänen der Gesundheitslandesrätin die Rede ist, folgt seit Monaten eine Negativschlagzeile auf die nächste. Auslöser war die vom Kassationsgericht erzwungene Anwendung des staatlichen Kollektivertrags nach der erfolgreichen Anfechtung des 2007 abgeschlossenen Landesvertrags. Mit einem eilig geschlossenen Übergangsvertrag sollten finanzielle Einbußen für die Hausärzte verhindert werden, bevor die Verhandlungen für den definitiven Zusatzvertrag starteten. Doch bereits im vergangenen Mai gingen die Allgemeinmediziner auf die Barrikaden, nachdem bekannt wurde, dass dies unter anderem auch zu einer Senkung der Patientenzahl führen würde. Gleichzeitig brachten die Verhandlungen aber auch den Frust über eine Menge anderer offener Probleme ans Licht – der das Fass nun mit den Honorareinbußen von durchschnittlich 20 Prozent vollends zum Überlaufen bringen.

„Wenn wir den Übergangsvertrag nicht gemacht hätten, würden die Einbußen nun überhaupt bei 30% liegen“, räumt Eugen Sleiter ein. Nachdem die Honorare der Hausärzte aber schon davor seit zehn Jahren nicht einmal an die Inflation angepasst worden seien und die Tarife für Extraleistungen seit 20 Jahren gleich geblieben seinen, ist dies in der aktuellen Situation ein schwacher Trost, meint der Hausarzt von Dorf Tirol.  Acht Jahre hat er im Krankenhaus gearbeitet, seit acht Jahren ist er nun als Allgemeinmediziner tätig. „Und zumindest aus finanzieller Sicht habe ich die falsche Wahl getroffen“, erklärt er. Denn das Image des gut verdienenden Hausarztes entspreche trotz eines durchschnittlichen Bruttogehalts von 7000 Euro in vielen Fällen nicht mehr der Realität, warnt Sleiter.

Knausern beim Pflaster

Denn neben Steuern müssten vom Bruttogehalt  sämtliche Kosten abgezogen werden, die Hausärzte zu tragen haben: Von Miete, Strom, Telefon und den Gehältern für Sprechstundenhilfen bis hin zum einfachen Pflaster. „Meine Sekretärin erhält 14 Gehälter im Jahr, meine Pro- Kopf-Pauschale von 74 Euro wird dagegen auf 12 Monate gerechnet", sagt Sleiter. Dazu kommen allein für  Angestellte noch Kosten für das Lohnbüro und die Wertschöpfungssteuer Irap - „von denen beispielsweise die Kollegen im Trentino befreit sind“, erinnert der Hausarzt. Er kommt nach eigenen Angaben auf monatliche Fixspesen von fast 4000 Euro. Angesichts solcher Summen rechnet er in seinem  Arbeitsalltag mittlerweile penibel mit. „Als ich vom Spital kam, bin ich noch äußerst großzügig mit Material umgegangen“, sagt Sleiter, „heute dagegen überlege ich mir bei jedem Pflaster, ob es wirklich notwendig ist.“ 10 Euro brutto kann er für einen Verbandswechsel verrechnen – „doch allein ein Pflaster kostet mich einen Euro“, sagt Sleuter. Für die erste Wundversorgung sind es immerhin stolze 45 Euro – „doch nur der Faden kostet 13,50 Euro, ein paar sterile Handschuhe 3,60 Euro“, rechnet der Hausarzt penibel vor. Er ist schon zufrieden, wenn er bei Zusatzleistungen die Materialkosten deckt – „unsere Arbeitszeit und unser ärztliches Wissen werden uns ohnehin nicht entlohnt.“ Dasselbe gelte für Wochenenddienste, die mit 17,20 brutto die Stunde entlohnt würden. „Natürlich kommt man dafür in 48 Stunden auch auf eine Summe“, sagt der Hausarzt von Dorf Tirol. „Doch wenn ich mitrechne, dass ich dafür mit meinem Auto bis Hafling, Rabland oder Marling  fahre, bekomme ich weniger als meine Putzfrau.“

All das sind jedoch Probleme, die bereits vor Bekanntwerden der unbeabsichtigten Honorarkürzung bestanden. Die Lehre daraus ist laut Sleiter ganz einfach: Wer auf sein eigenes Geldbörsel schauen will, darf keine Zusatzleistungen anbieten – und  sollte sich Bereitschafts- und Wochenenddienste überlegen. Doch genau damit werden nicht nur junge und engagierte Hausärzte ausgebremst, sondern auch die Pläne der Sanitätsreform durchkreuzt. Dass dies auch der Gesundheitslandesrätin bewusst ist, signalisierte Martha Stocker bereits zu Wochenbeginn in einer eigenen Aussendung „Gerade in einer Zeit des Umbruchs und der Neudefinition der Rollen im Gesundheitsbereich nimmt der Landesbeirat  eine wichtige Funktion wahr", unterstrich sie darin. „Im sozialpartnerschaftlichen Rahmen verhandeln im Landesbeirat Mitarbeiter der Landesverwaltung und des Sanitätsbetriebs und die Vertreter der Gewerkschaften der Ärzte für Allgemeinmedizin die Inhalte des neuen Landeszusatzvertrages, unter anderem auch die unlängst aufgeworfenen Kernpunkte der verschiedenen Leistungen durch die Hausärzte sowie der entsprechenden Vergütungen", so Stocker. Chi me lo fa fare, fragen immer mehr Hausärzte im ganzen Land. Der heutige Nachmittag wird zeigen, ob ihnen die Sozialpartner darauf zumindest eine Antwort in Aussicht stellen können.