Liliana Segre
Foto: quirinale.it
Società | Rassismus in Italien

Polizeischutz für eine 90-Jährige

Die Auschwitz-Überlebende Liliana Segre erhält täglich über 200 Hassbotschaften und Drohungen. Jetzt steht sie unter Polizeischutz.
Es ist eine schockierende und durchaus besorgniserregende Nachricht: Die fast 90-jährige Senatorin auf Lebenszeit Liliana Segre steht ab sofort unter Polizeischutz. Die Auschwitz-Überlebende bereist seit Jahren die Schulen der Halbinsel – als Mahnerin vor Faschismus, Rassismus und Judenhass.
 
Segre wurde als achtjährige Schülerin Opfer der von den Faschisten erlassenen Rassengesetze und musste im September 1938 die Schule verlassen. Der Versuch, mit ihren Eltern in die nahe Schweiz zu flüchten, misslang. Schon tags darauf wurde die Familie bei Varese verhaftet und in das Mailänder Gefängnis eingeliefert. Im Jänner 1944 wurde sie in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Ihr Vater und ihre Grosseltern wurden dort hingerichtet. Sie selbst musste Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik leisten, die dem Siemens-Konzern gehörte. In der Folge wurde sie ins KZ Ravensbrück gebracht, wo sie bei Kriegsende von der russischen Armee befreit wurde. Sie gehört zu den nur 25 Überlebenden der 776 internierten italienischen Kinder unter 14. Segre heiratete später den Katholiken Alfredo Bello Pace, der ebenfalls ins KZ deportiert worden war, weil er den Eid auf die faschistische Repubblica di Salò verweigert hatte. 
 
Über Jahre wollte sie nie über ihre Erfahrungen sprechen: "Era molto difficile per i miei parenti convivere con un animale ferito come ero io: una ragazzina reduce dall'inferno, dalla quale si pretendeva docilità e rassegnazione. Imparai ben presto a tenere per me i miei ricordi tragici e la mia profonda tristezza. Nessuno mi capiva, ero io che dovevo adeguarmi ad un mondo che voleva dimenticare gli eventi dolorosi appena passati, che voleva ricominciare, avidi di divertimento e spensieratezza."
 
 

Segres Schicksal ist in zahlreichen Filmen und Büchern dokumentiert. Im vorigen Jahr wurde sie von Staatspräsident Mattarella zur Senatorin auf Lebenszeit ernannt. Vor wenigen Tagen genehmigte der Senat ihren Antrag auf Einsetzung einer Commissione straordinaria per il contrasto ai fenomeni dell'intolleranza, del razzismo, dell'antisemitismo e dell'istigazione all'odio e alla violenza. Ein Grossteil der Senats begrüsste den Antrag der Erstunterzeichnerin Liliana Segre mit standing ovations.

Die Senatoren des Rechtsbündnisses, die teilweise durch Stimmenthaltung geglänzt hatten, blieben demonstrativ sitzen. 98 Gegenstimmen wurden verzeichnet. Berlusconi verwies auf die "ausgezeichneten Beziehungen" seiner Partei zu Israel, Salvini erklärte, auch er erhalte ständig Drohungen. Erst vor wenigen Tagen hat die Polizei in Mailand in der Nähe eines Theaters, in dem Segre sprechen sollte, ein antisemitisches Transparent der faschistischen Organisation Forza Nuova beschlagnahmt.