Steueroasen austrocknen
Wenn man über die Besteuerung in Italien und den Kampf gegen die Steuerhinterziehung diskutieren will, ist es irreführend die Webtax ins Spiel zu bringen. Natürlich ist die Webtax ein wichtiges Anliegen, sie kann aber nicht als Alibi für die fehlende Sanierung des Staatshaushalts oder für die Nichtbezahlung der geschuldeten Steuer herhalten, wie letzthin in einigen politischen Kreisen immer wieder durchgeklungen ist. Sicherlich haben wir es bei der Besteuerung globaler Unternehmen mit einer Ungleichbehandlung zu tun und es handelt sich dabei um ein Problem, das länderübergreifend gelöst werden muss. Dabei handelt es sich selten um illegale Praktiken, sondern um eine clevere Interpretation der unterschiedlichen Besteuerungsmöglichkeiten in den verschiedenen Ländern. Steuerhinterziehung ist hingegen eine illegale Aktion und auch eine Ungerechtigkeit, denn ehrliche Steuerzahler müssen für jene mitbezahlen, die skrupellos die Steuern hinterziehen.
In Südtirol hat der Präsident des Handels- und Dienstleistungssektor Philipp Moser zu Recht auf die Probleme hingewiesen, die dem Handel auch auf lokaler Ebene durch die Konkurrenz seitens der großen Internetunternehmen wie Amazon und c/o entstehen. Durch ihr Verhandlungspotential den Lieferanten gegenüber, können diese Handelsriesen konkurrenzlose Preise bieten. Dazu gesellt sich das Ausschöpfen aller rechtlichen Möglichkeiten, die sich durch die international unterschiedlichen Besteuerungsformen ergeben. Hier kann man natürlich von einer Marktverzerrung sprechen.Der Kampf gegen die so genannten Steueroasen ist ein immer wiederkehrendes Zugpferd westlicher Regierungen. Leider wurden dabei trotz regelmässiger Skandale in den letzten zwanzig Jahren keine wesentlichen Fortschritte erzielt. Die Situation hat sich in vielerlei Hinsicht sogar verschlechtert. Einige Staaten haben bereits in der Vergangenheit versucht, Alleingänge zu starten, allerdings mit geringem Erfolg.
Nun hat die OECD, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, einen Vorschlag ausgearbeitet, um multinationale Unternehmen, insbesondere solche auf Plattformen, zu besteuern. Dies auch, weil die Steueroasen nicht nur in exotischen Inseln oder in Panama angesiedelt sind. Zwei der größten Steueroasen der Welt befinden sich in den Vereinigten Staaten (Delaware) und in verschiedenen, von Großbritannien verwalteten Gebieten. Aber auch einige Länder der Europäischen Union, von Luxemburg über die Niederlande bis nach Irland sind nicht gerade positive Vorbilder im Kampf gegen die Steuerflucht. Tatsache ist, dass dahinter riesige Interessen stecken und viele Regierungen, auch reicher Länder, erzielen dadurch Vorteile. Die Ähnlichkeiten mit dem angeblichen Kampf gegen Ungleichheiten ist frappierend, denn auch die Schere zwischen Arm und Reich ist trotz vollmundiger Ankündigungen weltweit gewachsen, nicht zuletzt aufgrund politischer Entscheidungen. Man kann eine Verschiebung des Reichtums von den Armen zu den Reichen beobachten. Trotzdem gibt es politische Widerstände endlich zu handeln und die Steuerflucht ist sicher einer der Gründe für diese Verschiebung.
Es ist hinreichend bekannt, dass ein erheblicher Teil des Geldes das in den Steueroasen landet, von großen multinationalen Unternehmen stammt, und besonders von denen die im Bereich der digitalen Technologien tätig sind. Um die Besteuerung ihrer Einnahmen zu vermeiden, schleusen sie diese durch jene Länder mit der günstigsten Voraussetzungen. Der Internationale Währungsfonds hat den Verlust von Steuereinnahmen der Staaten durch die Praktiken dieser Unternehmen auf über 500 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt. Eine erste Definition von Steueroasen hat die OECD 1998 ausgearbeitet. Seit mehreren Jahren wird nun über eine neue Besteuerung internationaler Unternehmen diskutiert. Daher hat man 2012 die OECD aufgefordert, bei der Reform des Steuersystems für multinationale Unternehmen behilflich zu sein. Im Oktober 2019 legte das genannte Gremium nun einen Vorschlag vor. Dieser sieht eine Aufteilung der globalen Gewinne multinationaler Unternehmen und der daraus resultierenden Steuerschuld auf die verschiedenen Länder vor. Allerdings gibt es bei diesem Vorschlag auch große Mängel. So richtet sich das Projekt nicht an alle multinationalen Unternehmen, sondern nur an jene, die in neuen Technologien tätig sind. Im Wesentlichen gilt die Maßnahme für alle multinationalen Unternehmen, die auf dem Endverbrauchermarkt operieren und deren Jahresumsatz 750 Millionen Euro übersteigt.
Der Vorschlag würde somit viele Industrieunternehmen, wie jene die Komponenten und Bestandteile für andere Unternehmen produzieren, ausschließen. Auch Betriebe, die Rohstoffe abbauen, sind kaum betroffen. Die Gewinne sollten auf die verschiedenen Länder nach dem alleinigen Kriterium des jeweiligen Umsatzes verteilt werden. Dies wurde somit die Konzentration der Gewinne und die mögliche Besteuerung derselben in den entwickelten Ländern begünstigen, während für die Schwellenländer nur die Krümel übrigbleiben. Der OECD-Vorschlag muss noch von der Politik abgesegnet werden. Der Tag der Anwendung ist also noch weit entfernt und auf jeden Fall dürfte dieser Vorschlag noch Gegenstand einer weiteren Verwässerung durch die verschiedenen Lobbys werden.