Ambiente | Tierwohl

Was heißt Tierwohl konkret?

Ganzjähriger Auslauf für die Tiere, ein Stall in dem sich die Kühe bewegen können, all das ist wichtig für Bauern, denen das Tierwohl am Herzen liegt.
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Oberniedhof
Foto: Bioland Verband Südtirol

Nutztiere sind Lebewesen mit Instinkten, Empfindungen und Bedürfnissen. Sie verdienen unsere Achtung und dürfen nicht auf ihren alleinigen Nutzen als Nahrungsmittel-Lieferant reduziert werden. „Qualität statt Quantität“ – dieses Motto sollte nicht nur für unseren Lebensmittelkonsum, sondern auch für die Haltung der Tiere gelten. Ausreichender Platz im Stall, gutes Klima und Komfort sowie genügend Auslauf und Weidegang tragen grundlegend zum Wohl der Tiere bei. Aber wie sieht der gute, der ideale Stall für Kühe, Schafe oder Ziegen aus? Nun, meint Christian Kofler, Umstellungsberater für Milch- und Viehwirtschaft bei Bioland Südtirol, es sei gut ein Stallideal anzustreben und dieses dann Schritt für Schritt zu realisieren: „Das wichtigste ist für mich, dass wir uns immer zuerst an einfachen und praktikablen Lösungen orientieren, gerade weil auch auf die Wirtschaftlichkeit zu achten ist.“ In Südtirol gibt es viele klein- und mittelgroße Viehwirtschaftsbetriebe, mit 5 oder 10 Kühen, in diesem Rahmen kann es nicht immer der teure und investitionsverschlingende Neu- oder Umbau eines Stalles sein. Um einen konventionellen Stall auf Bioland-Kriterien umzustellen, gibt es mehrere Möglichkeiten:

  1. Der Anbindestall mit Weidegang über die gesamte Vegetationsperiode und zweimaligem Auslauf im Winter. Ausschlaggebend ist hier, eine möglichst unaufwändige Lösung für das Anbinden und Auslassen der Tiere zu finden. Ob man nun eine halbautomatische oder einfache manuelle Methode wählt steht jedem Bauer frei; denn das regelmäßige Anbinden und Freigeben der Tiere ist ein Mehraufwand im Betrieb und auch im Winter sollen die Tiere raus aus dem Anbindestall ins Freie. Besonders zu achten ist auf die ausreichende Standlänge, wenn diese zu kurz ist, gibt es schnell Schwellungen und offene Stellen an den Hinterläufen und Gelenken, weil die Tiere auf der Kante liegen. Ein elektrischer Kuhtrainer ist nach den Bioland Richtlinien nicht zulässig. Bei Schafen und Ziegen ist die Anbindehaltung nicht erlaubt, ebenso erst bei Kälbern nach dem ersten Lebensjahr.
  2. Der Laufstall ohne Auslauf. Über die Form des Stallsystems kann jeder Bauer hier frei entscheiden, ob ein Boxenlaufstall, ein Tiefstreustall oder ein Kompoststall gebaut werden soll. Wichtig ist, dass die Mindestflächen pro Tier eingehalten werden, das sind bei Milchkühen 6 qm Stallfläche. Es ist stets von Vorteil die Stallflächen etwas großzügiger zu bemessen, schließlich soll es kein Gedränge geben im Kuhstall. Weiters muss für jedes Tier ein Liege- und ein Fressplatz zur Verfügung stehen. Die gesamte Vegetationsperiode hindurch ist außerdem Weidegang für die Tiere vorgesehen.
  3. Ein Laufstall mit Auslauf bietet den Tieren die Möglichkeit, sich dem Wetter wie es ist, auszusetzen, ob Regen, Sonne, Sturm oder Schnee. Ein Teil der Auslauffläche muss daher unüberdacht sein, der Weidegang ist für den Bauern bei diesem Stallsystem in der Vegetationszeit freier einteilbar. Sollte es keine Möglichkeit für einen Weidegang geben, kann mit diesem Stallsystem auch ganz auf die Weide verzichtet werden; es muss jedoch in der Vegetationszeit überwiegend frisches Gras gefüttert werden. Es gibt hier auch  die Variante des offenen Stallsystems mit Boxen, die frei und überdacht sind, mit unüberdachten Bereichen dazwischen. Hier gilt es die kombinierte Mindestfläche von 10,5 qm pro Kuh einzuhalten.

„In der Kommunikation kann mit den Hörnern von hart bis zart alles ausgedrückt werden, ja, oft genügt die leichte Berührung und die Sache ist klar zwischen zwei Tieren,“ weiß Kofler.

Weitere Verbesserungen, wie automatische Viehbürsten im Freien, erweiterter Auslauf und Weidesysteme oder Anpassungen für horntragende Tiere können stets nachgerüstet werden.

„Bei der Stallplanung gilt es zu beachten, dass es immer Ausweichmöglichkeiten für die Tiere gibt,“ erläutert Berater Christian Kofler. So werden die Hierarchien innerhalb der Herde gewahrt und so können rangniedere Tiere bei einer zweiten Tränke oder Futterstelle ihren Bedürfnissen nachgehen. Grundsätzlich sollen auch Sackgassen in den Laufgängen vermieden werden, wo etwa die Leitkuh eine andere Kuh drangsalieren könnte. „Wenn ich diese Unterschiede erkenne und beherzige, erspart sich der Bauer eine Menge Unfrieden im Stall,“ so  Kofler. „Gerade auch bei Ziegen wird sehr auf die Unterschiede zwischen den Tieren geachtet, Ziegen können richtige Rassisten sein!“

Horn oder nicht Horn

Es gibt zwar auch unbehornte Tiere bei Bioland, doch das Ziel ist ganz klar jenes, dass die Kuh oder Ziege ihre Hörner behalten darf. Zu wichtig sind die verschiedenen Aufgaben und Funktionen der Hörner: „In der Kommunikation kann mit den Hörnern von hart bis zart alles ausgedrückt werden, ja, oft genügt die leichte Berührung und die Sache ist klar zwischen zwei Tieren,“ weiß Kofler. Auch haben die Hörner die Aufgabe der Entgiftung „Das Horn ist ein empfindliches Organ, insofern ist eine Enthornung natürlich auch ein traumatischer Eingriff für das Tier.“ Die Verletzungsgefahr bei horntragenden Tieren sei natürlich auch ein wichtiger Aspekt. Allerdings lassen sich mit einer guten Stallplanung und ausreichend Platz im Stall sowie einer guten Handhabung der Tiere viele Verletzungsrisiken vermeiden und erfolgreich mit behornten Herden arbeiten.

Etwa die Hälfte der kleinen und mittleren Viehhaltungsbetriebe im Land haben laut Kofler einen Anbindestall, die zweite Hälfte den Laufstall. Das Weidemanagement sei ausbaufähig. Der Weidegang ist auch in der konventionellen Praxis häufig anzutreffen, vor allem in Form der Herbstweide, darüberhinaus jedoch gibt es in der konventionellen Tierhaltung selten Auslauf. „Es ist sicherlich die größte Herausforderung, die Tiere auf die Weide zu bringen, schon wegen der Erreichbarkeit.“ Oft gehe es über die Straße oder andere Hindernisse und das muss organisiert werden. „Allerdings kann mir die Weide auch viele Vorteile bringen. So kann mit einem guten Weidesystem Kraftfutter eingespart werden und die Fruchtbarkeit der Tiere verbessert werden.“

Der Kniefalltest

Ein Händchen für die Tiere, das gehe „von – bis“ meint Christian Kofler; es gebe viele hingebungsvolle Betriebsleiter die sehr auf das Wohl ihrer Tiere achten aber es gibt auch manche, die aus Gewohnheit und Nachlässigkeit wenig tierfreundlich arbeiten, in denen die Entfremdung Tierhalter und Tiere so weit fortgeschritten ist, dass das Leid der Tiere als normaler Zustand angesehen wird. Sprich, kein Sonnenlicht sehen, ein krankes kurzes Tierleben, nur Beton unter den Hufen spüren. Rinder, Kühe, Kälber brauchen jedoch mehr als Futter und Wasser, es sind soziale Wesen die miteinander und mit ihrer Umwelt interagieren. Tierkomfort spielt eine wichtige Rolle beim Tierwohl. So gebe es einen einfachen Test, um zu prüfen wie geeignet die Liegeflächen im Stall gestaltet sind, den sogenannten Kniefalltest. Dabei lässt man sich in der Liegebox oder am Stand mit vollem Gewicht auf die Knie fallen.  Damit kann man gut nachempfinden ob das Abliegen für die Tiere schmerzfrei ist, auch ob die Liegeflächen ausreichend trocken sind. Nur wenn die Knie beim Test trocken bleiben, haben die Tiere auch einen guten trockenen Liegeplatz.