Economia | Maskenskandal

Giù il Cappello!

Die Spitze des Sanitätsbetriebes ist außer sich, weil der Leiter der Rechtsabteilung Marco Cappello sein Amt ernst nimmt und dem Betrieb und nicht der Führung dient.
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Foto: Street View
Keinem der Anwesenden ist an diesem letzten Freitag im Jänner der Missmut entgangen, mit dem ein Mann bedacht wurde.
An diesem Tag, dem 27. Jänner 2023, geht im kleinen Verhandlungssaal des Bozner Landesgerichts eine wichtige Verhandlung zum Strafverfahren 1854/2020 über die Bühne. Es ist das Verfahren zum sogenannten Südtiroler Maskenskandal. Nachdem die Ermittler der Carabinierisondereinheit NAS vor Weihnachten den ermittelnden Staatsanwälten und den Verteidigern den über 2.000 Seiten langen Abschlussbericht übergeben haben, soll an diesem Tag vor Vorermittlungsrichter Emilio Schönsberg eine wichtige Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens gefällt werden.
Auf Antrag des stellvertretenden Staatsanwaltes Igor Secco kommen die Anwälte der verschiedenen Verfahrensparteien zusammen, um zu entscheiden, welche Abhörungen in ein mögliches Hauptverfahren einfließen sollen. Auch in diesem Fall wurden - ähnlich wie bei den Ermittlungen zum SAD-Skandal - monatelang Dutzende Telefonanschlüsse abgehört. In dieser Zwischenverhandlung soll entschieden werden, was von diesen Abhörungen erhalten werden soll und was vernichtet werden muss.
 
 
 
Da es sich um einen wahren Berg von Daten handelt, kommt man an diesem Tag überein, die entscheidende Verhandlung erst einmal zu verschieben. Am 17. Februar wird die Entscheidung fallen. Wobei man davon ausgeht, dass der Richter den Verteidigern einige Wochen oder Monate zugestehen wird, um die Abhörungen anzuhören und mögliches Entlastungsmaterial für ihre Mandanten zu finden.
An diesem Januartag erscheinen am Bozner Landesgericht über ein Dutzend Anwälte. Darunter auch ein Mann, den anscheinend kaum jemand erwartet hatte: Marco Cappello, Leiter der Abteilung Recht und Allgemeine Angelegenheiten im Südtiroler Sanitätsbetrieb. 
Der 61-jährige Bozner Jurist kann auf eine lange Karriere in der öffentlichen Verwaltung zurückblicken. Cappello arbeitet von 1988 bis 2010 für die Stadtgemeinde Bozen, wo er im Laufe der Zeit mehrere Führungsaufträge innehat. Vor allem aber leitet der Anwalt jahrelang das Rechtsamt der Stadt Bozen. 2010 wechselt Cappello dann als Verwaltungsdirektor in den Südtiroler Sanitätsbetrieb. Sieben Jahre lang blieb er als Verwaltungsdirektor im Amt. 2016 übernimmt er dann die Leitung der Abteilung, der auch das Rechtsamt untersteht. Seitdem ist der Bozner Anwalt eine Art Chefjurist des Südtiroler Sanitätsbetriebes.
 
 
 
In dieser Funktion erscheint Marco Cappello zusammen mit einen Anwalt aus Bologna denn auch am Bozner Landesgericht. Obwohl sich die Ermittlungen derzeit noch in der Abschlussphase befinden, ist der Sanitätsbetrieb als Nebenkläger und potenzieller Geschädigter offiziell geladen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlicherweise die Pflicht des Chefjuristen, die Interessen seines Arbeitgebers - also des Sanitätsbetriebes - wahrzunehmen.
Dass Cappello genau das tut und diese Einladung auch wahrnimmt, kommentieren einige Verteidiger der unter Ermittlung stehenden Personen nicht nur mit sichtlichem Unmut, sondern auch mit einigen sarkastischen Kommentaren.
Nach Informationen von Salto.bz sind es vor allem Generaldirektor Florian Zerzer und Verwaltungsdirektor Enrico Wegher, die Cappellos Auftritt alles andere als goutieren. Gegen beide wird in diesem Strafverfahren ermittelt und sie gelten neben Christoph Engl, Heiner Oberrauch und Patrick Franzoni als Hauptfiguren in einem möglichen Prozess.
Das Verhältnis zwischen Florian Zerzer und Marco Cappello ist seit langen nicht das Beste. So etwa hat sich der Leiter der Abteilung Recht zu den millionenschweren Bestellungen von Schutzausrüstung beim Unternehmen OberAlp AG, um die seit zwei Jahren ermittelt wird, von Anfang durchaus kritisch gezeigt. 
 
 
 
Als die Sanitätsspitze vor eineinhalb Jahren zur Lösung der bisher nicht bezahlten zweiten, 25 Millionen schweren OberAlp-Lieferung eine Art Schiedsgericht eingesetzt hat, riet Jurist Cappello energisch von diesem Schritt in einem laufenden Ermittlungsverfahren ab. Spätestens damit wurde der Leiter der Rechtsabteilung von Zerzer & Co kaltgestellt.
Generaldirektor Florian Zerzer und Verwaltungsdirektor Enrico Wegher wollen jetzt  rein zufällig eine Umstrukturierung des Rechtsamtes und der von Cappello geleiteten Abteilung in Angriff nehmen.
Cappellos Auftritt vor Gericht Ende Jänner scheint für die Führungsspitze des Sanitätsbetrieb völlig überraschend gekommen zu sein und wird offemsichtlich als Affront empfunden. Generaldirektor Florian Zerzer will deshalb durchgreifen. Cappellos Beauftragung läuft noch drei Jahre. Doch jetzt wollen Zerzer und Verwaltungsdirektor Enrico Wegher eine Umstrukturierung des Rechtsamtes und der von Cappello geleiteten Abteilung in Angriff nehmen. Dass beide damit in einem gravierenden persönlichen Interessenkonflikt stehen, scheint niemand zu stören.
Der erwünschte Nebeneffekt dieser Verwaltungsreform: Marco Cappello soll nicht mehr in der Lage sein, als Vertreter einer möglichen Prozesspartei am Verfahren teilzunehmen.