Società | Eiertreter*in

Weidmannsheil, Weidmannsdank

Der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen. - Carl von Clausewitz
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
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Foto: Jay Rembert/Pexels

Wird nicht mehr lange dauern bis er raus kommt. Also der hockt jetzt schon gut fünf Stunden da drinnen - eigentlich seit sie angekommen sind. Schon allein wegen dem „richiamo dalla natura“ wie die Walschen immer ganz prosaisch sagen. So ein Russe wird sicher nicht in eine PET-Flasche prunzen wie wir hier.
Mann, die waren ganz schön nervös, als sie an der Kreuzung Posten bezogen haben. Natürlich keine Rangabzeichen, kein militärischer Gruß. Seit Sir Horatio Nelson, Herzog von Bronte, 1805 im Feld erschossen wurde, weil er an der Uniform und an seinen Orden als kommandierender Admiral erkannt wurde, wird auf Hinweise tunlichst verzichtet. Sind hinterfotzig, jedoch blöd sind sie nicht. Aber: Immer wieder geht einer der Soldaten rein in den Schützenpanzer ... raus aus dem Schützenpanzer ... Befehle werden gebrüllt  … wieder bei der Heckklappe rein … raus und Befehle gebrüllt … Bin hundert pro, dass der da drinnen hockt. Da jetzt seit fünf Stunden nichts passiert ist und augenscheinlich alles ruhig ist, wird er irgendwann raus kommen. Wird zum Soachen rüber zum Baum gehen - und dann ist er fällig: der Herr Offizier.

Kaliber 7,62 × 51 mm NATO

Wir erschießen ausschließlich die oberen Chargen. Der Fips und ich. Also der Fips ist der „Spotter“, hat man uns erklärt. Der Mann mit dem Gugger, würde man bei uns sagen. Der mit dem großräumigen Überblick. Was mich zum „Sniper“, zum Scharfschützen macht. Also mir ist es total wurscht, wie man mich nennt, solange ich hier weiterhin Ivans schießen darf. Auf jeden Fall ist Menschen erschießen weniger anstrengend. Haben Sie eine Ahnung, was das für eine Plackerei mit den Drei-Sch-Wölfen ist? Also hier entfällt zunächst das Sch fürs „Schaufeln“ und beim Sch fürs „Schweigen“ ist es diametral entgegengesetzt. Hier gibt's nämlich Abschussprämien. Für russische Biablen lohnt es sich kaum den Abzug zu drücken, aber vom Unteroffizier aufwärts gibt's ordentlich Dollar. Die Strichliste auf meinem Gewehrkolben kann sich schon sehen lassen. Ist übrigens ein Steyr SSG 69 - Wertarbeit aus dem Hoametl. Geiles Teil. Und eine Durchschlagskraft! Nein, nein, nein. Das ist nicht so wie bei einem Action-Kracher aus Hollywood, wo die Leute dann drei, vier Meter durch die Luft katapultiert werden, wenn ich sie erwische. Die sacken einfach in sich zusammen - fertig. Letzte Woche haben sie mir so ein Kamerateam mitgeschickt - nix CNN, irgendwas ukrainisches. Auf jeden Fall war der Kameramensch ziemlich enttäuscht, dass der Unterleutnant/Hauptmann/Major - was auch immer ich erwischt habe - einfach so umgefallen ist. Wie der ganze Haufen wie aufgeschreckte Hennen daraufhin kopflos durch die Gegend gerannt ist und besinnungslos um sich geschossen hat, war dann schon mehr nach seinem Geschmack. Der Dmitry hätte gerne noch weiter gefilmt, aber Regeln sind Regeln. Die Russen machen nach so einem Totalverlust an Führungskraft ringsum immer alles platt: RPGs, Mörser, Panzer … was sie gerade da haben. Wir sind ja vorsichtig. Ein Schuss. Basta. Wegen dem Mündungsfeuer und der akustischen Lokalisierung, wenn du zweimal schießen würdest.

Wie zu Hause beim Wildern. Da kannst den Jagern und dem Heindl von der Forststation eine lange Nase drehen. Endlich ist meine jahrelange Ausbildung zu was nütze. Und als mir der Fips gezeigt hat, wie man so ein Präzisionsgewehr im Darknet kauft, war ganz klar: Wir fahren da hin und gehen auf die Jagd. Was? Ob ich keine moralische Bedenken habe, wahllos Leute zu erschießen? Na Sie sind gut! Krieg ist die Hölle! - Gepaart mit einem leichten Lied auf den Lippen. Mein Uropa - wie der Sottoscritto Zeit seines Lebens Querulant und Tunichtgut - wurde wegen andauernder Subordinationswidrigkeit von einer Strafkompanie zur anderen versetzt: Galizien, Westfront bei Givenchy. Kurz vor Caporetto wurde er sogar auf den Toblinger Knoten abkommandiert.
Meine Uroma erzählte mir - so wurde es ihr kolportiert - ihr Meinhard hätte immer den Propagandaspruch: „Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein Franzos, jeder Tritt ein Britt, jeder Klapps ein Japs." und „Serbien muss sterbien" gesäuselt, wenn man ihn mit der Trillerpfeife aus dem Schützengraben scheuchte. Wo unsere DNA dann voneinander abweicht ist der Fakt, dass er wohl nie gezielt auf seinen Feind geschossen hat - weil er Krieg für etwas Abgründiges hielt - während ich die erste Zeile der Propaganda wortwörtlich nehme: Jeder Schuss ein Russ. Sie dürfen sich ihr Mitleid mit irgendwelchen russischen Offizieren, die mir vor die Mündung laufen, stecken – oder mit mir. Die und ich wissen genau warum wir hier sind. Ihre Gefahr bin ich und meine Gefahr ist, dass irgendwo da draußen einer ihrer „Edel-Schützen“ liegt – wie die Russen ihre Sniper nennen - und in diesem Moment auf mich zielt. Unterm Strich gilt immer noch Von Clausewitz. Kennen Sie nicht? Preußischer Generalmajor, Militärwissenschaftler und -ethiker, bekannt für sein unvollendetes Hauptwerk Vom Kriege, das sich mit der Theorie des Krieges beschäftigt? Dass Krieg die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln sei und so weiter und so fort, stammt beispielsweise von ihm. Viel wichtiger ist ein anders Zitat: „Krieg kennt keine Sieger, jeder militärische Triumph erweist sich in Wahrheit als Niederlage aller Beteiligten.“ Der Mann hat recht.
Trotzdem liebe ich es ringsum Tabula rasa zu machen und der russischen Soldateska mein Kaliber 7,62 × 51 mm NATO entgegenzusetzen. Weil mir gerade so lyrisch ist, hänge ich gleich noch Martin Luthers berühmteste Worte mit dran, gesprochen 1521 auf dem Reichstag zu Worms: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Amen". Also in meinem Fall wäre das dann Liegen, um präzise zu sein. Präzise wie mein Handwerk.
Apropos Religion. Meine einzige Sorge ist, dass unsere Waffen von einem orthodoxen Pope gesegnet wurden, anstatt von einem ordentlichen katholischen Pfaff. Ist zwar der gleiche Herrgott, aber wer weiß. Wenn ich auf 900 Meter jemanden mit einem sauberen Kopfschuss umniete - kurz, wenn neben dir dein Vorgesetzter umfällt und Hirn und Blut auf deiner Uniformjacke verteilt, bevor du einen Schuss hörst - ist das Millimeterarbeit. Da möchte man nicht, dass da kleinste Abweichungen sind, weil das Weihwasser nicht so potent war.

Kaliber 6,5 × 57 mm

Sie dürfen ihr Moralin woanders versprühen, denn hier in der Ukraine bin ich, wie die Jager bei uns: Kein Mörder, sondern „Heger und Pfleger“. Ich bin das letzte Bollwerk, damit der (Ras)Putin morgen nicht in ihrem Vorgarten steht. So zumindest verkaufe ich das nach außen. Muss ja nicht jedem sagen, dass der Lustgewinn beim Leute-erschießen enorm ist. Wenn wieder einer zusammensackt, stelle ich mir das Drama vor, wenn der Mamutschka die Nachricht überbracht wird, dass ihr Einziger vorzeitig das Zeitliche gezeitigt hat. Da geht ein genüsslicher Schauer über meinen Rücken. Doch, doch.
Sie sind übrigens keinen Deut besser. Moralisch meine ich. Ich bin ihr niederinstinktiges Pedant. Gehen Sie in sich und Sie werden mich sehen. Wie ich Ihnen zuwinke: Der Goggel Totsch, sein Scharfschützengewehr im anderen Arm wiegend. Ehrlich: Wer zieht sich am Sonntag genüsslich einen Tatort rein? Und wer liest sich erregt entsetzt durch den Artikel vom Jagdblatt, wenn der Bodybuilder seine Alten um die Ecke bringt. Vorgestern langsam am Unfallort auf der Gegenspur vorbeigefahren? Mit Schaudern die Nachrichten im TV geschaut? Beim Schützenumzug applaudiert, wenn die Ewiggestrigen mit ihren Stopselgewehren Salut geschossen haben?
Werde jetzt schreiben, was Sie immer nur still und leise gedacht haben: Hätte mir gewünscht, dass der Covid einige von den Schwurblern ummandlt - von meinem Nachbarn, der Abends um elf Uhr immer seinen Plastikmüll verbrennt, ganz zu schweigen. Ich schweife ab.

Ich sage Ihnen was. So ein „bewaffneter Konflikt“ würde uns auch mal wieder gut tun. Wenn plötzlich die juristischen und moralischen Grenzen zwischen einem Mord und einem „Kollateralschaden mit zivilen Opfern“ aufgehoben werden. Da wäre was los im Heiligen Land Tirol, wenn plötzlich die alten Rechnungen mit dem BM beglichen werden könnten. Wenn man beim Dorf-Sheriff mit einer Magnum 45 in der Hand nachfragen könnte, ob das mit dem Knöllchen und den 5 Punkten Abzug für den 100er an der Dorfeinfahrt wirklich so gemeint war. Da wär's aus mit den „Stopp der Gewalt“-Brüdern, dem Du-Philipp, dem LH. Halt! Den, dessen Name ich niemals nenne, treffe ich natürlich als Ersten. Den Kleptokraten von links bis rechts machen wir den Garaus; den Öko-Faschisten; den Süd-Tiroler Freiheit(lichen). Vom Leerdenker und dem Chalet-Bauer (in doppeltem Sinn) will ich gar nicht reden. Dann hätte der Dekan zum letzten mal zart über den Kopf seiner Ministranten gestreichelt; die Ex, die Alimente für die Frotzn in Hudern und Schuhe investiert. Der Mechaniker, der mir 1000 Euro für eine Steuerbox abknöpfen wollte, obwohl das Stottern mit etwas Öl-nachfüllen zu beheben war, wäre auch noch auf der Liste.
Kurz vor der Abreise haben der Fips und ich noch diesen Film gesehen - glaube es war auf Netverflixt. „The Purge - Die Säuberung“ hieß der. Als dystopischer Thriller wird er auf Wikipedia bezeichnet: „Um die Kriminalitätsraten und Arbeitslosenzahlen niedrig zu halten, führt die Regierung - diesbezüglich erfolgreich - eine alljährliche „Purge-Nacht“ durch, in der alle Verbrechen inklusive Mord legal sind. Von 19:00 Uhr abends bis 7:00 Uhr des Folgetages sind die Notrufsysteme von Polizei, Feuerwehr und Krankenhäusern nicht erreichbar.“ Sollte in Betracht gezogen werden. Muss man nicht durch halb Europa kutschieren für etwas Fun. (Sollten Sie sich fragen wie wir hierher gefunden haben, sage ich nur Google Maps und einige Tipps von der Badante meiner Mama. Möchte ich übrigens auf diesem Weg schön grüßen: Bussi Mama!)

Jetzt müssen wir aber los. Man hört schon einen Hubschrauber, weil der Sensenmann einen Sohn der glorreichen, roten Armee mitten im Schiffen zu sich geholt hat. Also, Grüße nach Südtirol und Do pobachennia!