Economia | Nahverkehr

Punker auf Sylt

Deutschland hat mit 1. Juni das 9-Euro Ticket eingeführt. Es ist ein umwerfender Erfolg. Wäre ein solches Pauschalticket auch ein Modell für den Südtiroler Nahverkehr?
Trasporto pubblico, TPL
Foto: ASP/Ivo Corrà
Deutschland macht es vor: In den Monaten Juni, Juli, und August kann man sämtliche Transportmittel des öffentlichen Regional- und Nahverkehres, für den Pauschalpreis von neun Euro pro Monat nutzen. Die Initiative geht von der deutschen Bundesregierung aus und ist Teil des Energie- Entlastungspakets, um die gestiegen Energie- und Spritpreise zu kompensieren. 
Das 9-Euro Ticket ist in Zügen, Straßenbahnen, Bussen, U-Bahnen und sogar auf einigen Fähren gültig. Das Ticket entpuppte sich am Pfingstwochenende nicht nur als finanzielle Entlastung für Pendler (ÖPNV Abonnenten erhalten das vergünstigte Ticket automatisch), sondern auch als nettes Gadget, um am Wochenende Kurzurlaub im eigenen Land zu machen, wie eine große Gruppe von Punks auf der Nordsee Insel Sylt bestätigt. Fraglich bleibt, ob es sich beim 9-Euro Projekt tatsächlich um eine Simulation der Mobilität der Zukunft handelt.
Die Frage dabei: Kann man dieses Modell auch im Südtiroler Nahverkehr umsetzen?
Daniel Alfreider ist sichtlich begeistert vom 9-Euro-Ticket. „Südtirol ist ein Autoland. Wir haben die höchste Quote an Zweit- und Drittautos im Alpenraum. Von dem möchten wir abkommen“, sagt der Landesrat für Mobilität. In dieser Transformation kommt der integrierten Mobilität eine zentrale Bedeutung zu.
 
 
Für Südtirol Pass Abonnenten ist dieser Ansatz nichts Neues: Sie können Busse, Regionalzüge und einige Seilbahnen uneingeschränkt nutzen. „Die Menschen wollen wissen, wie komme ich so schnell wie möglich von A nach B und am besten mit einem System, das es erlaubt mit einem einzigen Abo oder einer Karte alle Verkehrsmittel zu nutzen“, beschreibt Alfreider die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer.
Einen kompletten Umstieg auf Pauschaltarife, aka mit neun Euro um die Welt, schließt Landesrat Daniel Alfreider jedoch aus. Viel eher bleibt es bei einer Mischung zwischen Pauschal- und Konsumlösungen, wie es auch schon heute der Fall ist, zumal der Kilometertarif ein faires Preismodell ist. Man zahlt, was man fährt, je mehr, desto günstiger.
Auch Joachim Dejaco, Generaldirektor der Südtiroler Transportstrukturen AG STA, sieht die Notwendigkeit, die Menschen aus den Autos auf die Fahrräder und in die öffentlichen Verkehrsmittel zu holen.  Eine langfristige Lösung sieht er im 9-Euro Ticket Modell jedoch nicht. Er erklärt: „Nur weil ich einfach ein Gratis-Ticket einführe - 9 Euro ist ein symbolischer Preis - heißt das nicht unbedingt, dass von heute auf morgen alle das Auto stehen lassen und mit Zug und Bus fahren. Es wäre schön, wenn es so wäre, aber so ist es nicht“, meint Dejaco.
 
 
 
Für den STA-Direktor ist der Preis aber nicht das richtige Instrument, um die Menschen in die öffentlichen Verkehrsmittel zu holen. „Was nichts kostet, ist nichts wert“, ist Dejaco überzeugt.  Er beobachtet, überall dort, wo der Nahverkehr kostenlos ist, weniger eine Verschiebung vom Auto hin zu den öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern eine Zunahme der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel durch reduziertes Zufußgehen und Radfahren. „Das ist nicht das Ziel“, stellt er klar.
Die Lösung sieht Dejaco im noch attraktiverem Gestalten der öffentlichen Verkehrsmittel, sprich einfacher Zugang, Barrierefreiheit, häufige Fahrten, Pünktlichkeit, bequeme Verkehrsmittel und einfache Preismodelle.
In Deutschland kam es am Pfingstwochenende trotz zusätzlichen 50 Zügen, 700 Service- und Sicherheitskräften und 250 Fahrten, die während der drei Monate aufgeboten werden, zu überfüllten Zügen und Bahnsteigen und vereinzelten Räumungen, vor allem auf den Strecken zu beliebten Touristenzielen. Die Kapazität der Deutschen Bahn und des Bahnhofspersonals wurde auf eine harte Probe gestellt.
 
 
 
Daniel Alfreider schließt aus, dass Südtirols Kapazitäten einem radikalen Umstieg vom Auto auf den Zug standhalten würden. Gleichzeitig weist er aber auf die kontinuierliche Verbesserung und Erweiterung der Bahn Kapazitäten hin, etwa den Ausbau der Vinschgerbahn. Auch der Bau des Brennerbasistunnels zielt auf eine Erweiterung der Kapazitäten des Personenverkehres hin, indem man den Frachtverkehr auf alternativen Schienen abwickelt. Investitionen in Millionenhöhe, für die man am Anfang auch Spott und Widerstand kassiert hat, die aber für Alfreider essenziell für eine nachhaltige Zukunft sind. Die Begründung: „Vor 150 Jahren haben wir Züge gebraucht, weil es keine Autos gab, heute brauchen wir Züge, weil es zu viele Autos gibt.
Ob das 9-Euro Ticket am Ende ein gefeierter Schritt Richtung nachhaltiger Mobilität oder ein Desaster wird, lässt sich erst mit der Zeit sagen. Beobachten lohnt sich auf jeden Fall. Nicht nur, um zu sehen, ob und wie der Mobilitätssektor dieses Mammutprojekt bewältigt, sondern auch um sich am recht ungewöhnlichen Bild der Punker auf Sylt, normalerweise die Insel der deutschen Prominenz, zu ergötzen. Ein bisschen revolutionär ist beides.
Bild
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Josef Fulterer Ven, 06/10/2022 - 06:31

Die verbilligten Tickets / Südtirol-Pass sollten für alle Seilaufstiegsanlagen gelten, die öffentliche Beiträge angenommen haben oder sie zahlen die Beiträge passend verzinst zurück, statt ständig auf der Suche nach Abschreibmöglichkeiten, zur Steuervermeidung allerhand Schabernack mit dem weiteren Abgreifen von öffentlichen Beiträgen anzustellen. (Beispiel: Kronplatz usw.)

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