Società | Fall Lintner?

Wen wundert es?

Der Eingriff des Vatikans in Südtirol zerstörte das Idyll von Kirche, das in Südtirol zu bestehen schien.
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Die römisch-katholische Kirche versteht sich als grundsätzlich hierarchisch organisiert. Die Kommunikation läuft von oben nach unten. Deren Rücklauf ist weder auf Augenhöhe, noch hat man die Garantie, überhaupt gehört zu werden.

In der Frage des Nihil obstat für Professor Lintner hat sich der Vatikan selbst als autoritäres, linienhierarchisch von oben organisiertes, undemokratisches Machtsystem entlarvt. Dass die Südtiroler das bislang nicht gemerkt haben, liegt daran, dass sie in einer römisch-katholischen Monokultur kaum Vergleichs­möglichkeiten zu anderen Kirchen haben. Andererseits haben sie eine kluge Leitung der Ortskirche, die die Wahnehmung dieser Struktur mit sehr viel Pragmatismus verschleiert und so manche Schärfe vermeidet.

Nun sind der gewählte Dekan und der Bischof von Bozen-Brixen als bloße abhängige Befehlsempfänger des Vatikans in Erscheinung getreten und düpiert worden.

Dass in der Theologie als Wissenschaft widerstreitende Meinungen bestehen, ist klar und notwendig, damit sie sich fortentwickelt. Widerstreitende Meinungen und Auffassungen gehören zur Klärung in den Bereich offener akademischer Diskussion. Der Eingriff einer Zentralbehörde in diese inhaltliche Klärung ist eine Disziplinierungs­maß­nahme, die gegen die Freiheit der Wissenschaften gerichtet ist. Die römisch-katholische Theologie wird dadurch von der Wissenschaft zur Ideologie verunstaltet. Sie ist somit ihrer Freiheit beraubt und kann somit in einem säkularen Staat auch nicht mehr dessen Gesprächspartner sein. Ein demokratischer Staat darf sich nicht in seinen Entscheidungen über ethische Fragen einer Institution ausliefern, die prinzipiell un-, wenn nicht sogar antidemokratisch ist.

Dass Prof. Lintner nun den Ball flach halten will, zeugt nur von einer realistischen Kenntnis seiner hierarchisch organisierten Kirche. Man kann nicht erwarten, dass "die da oben" durch Argumente oder Unmuts- und Willensäußerungen der Kirchenbasis überzeugt werden. Das Schicksal anderer qualifizierter Theologen, die zensiert wurden, wie Hans Küng, Uta Ranke-Heinemann, Eugen Drewermann, Teilhard de Chardin und vieler anderer, zeigt, dass gerade die, die für die Menschen in der Welt heute Brücken bauen wollen, bis zur Exkommunikation hin sanktioniert werden. Prof. Martin Lintner befindet sich somit in allerbester Gesellschaft.

Deutsche Theologieprofessor*innen können dabei ruhig bleiben. Kommt es zum Entzug der Lehrerlaubnis, sind sie Beamte ihres Bundeslandes und bekommen einen eigenen persönlichen Lehrstuhl eingerichtet. Ihre Existenz ist daher nicht gefährdet. Ein Lehrstuhlinhaber an einer italienischen kirchlichen Fakultät ist da in einem anderen Abhängigkeitsverhältnis. Würde ihm die Lehrerlaubnis entzogen, müsste er seinen Beruf aufgeben.

Aber so verständlich die Entscheidung von Prof. Lintner sein mag, seine Glaubwürdigkeit als Forscher verliert er, wenn er die Freiheit der Forschung nicht an erste Stelle setzt. Wie will er in Zukunft zu Grundrechtsfragen Stellung nehmen, wenn er die eigenen Grundrechte und die Freiheit der Wissenschaften zur Disposition stehen lässt?

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Peter Gasser Dom, 07/09/2023 - 09:12

Zitat: „Aber so verständlich die Entscheidung von Prof. Lintner sein mag, seine Glaubwürdigkeit als Forscher verliert er, wenn er die Freiheit der Forschung nicht an erste Stelle setzt. Wie will er in Zukunft zu Grundrechtsfragen Stellung nehmen, wenn er die eigenen Grundrechte und die Freiheit der Wissenschaften zur Disposition stehen lässt?“:
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Jetzt wird es schwierig: da das Opfer der Institution Kirche nun nachrangig auch noch zum Täter an seiner eigenen Arbeit gemacht wird.
Zweifach abgesägt, damit es besser hält, kann man da nur sagen.

Dom, 07/09/2023 - 09:12 Collegamento permanente