Società | Klimawandel

Kollektivschuld?

Der Klimawandel - niemand ist daran Schuld
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Kollektivschuld?

Als im vorigen Jahrhundert der Nationalsozialismus an Boden gewann, schauten manche gleichgültig zu, viele ungläubig, viele andere waren aktiv am Aufbau beteiligt. Und als sich das "Tausendjährige Reich" als die schrecklichste humanitäre Katastrophe der Neuzeit entpuppte, stellte sich heraus, dass fast niemand daran Schuld war. Die meisten hatten "nichts gewusst", andere hatten nur "auf Befehl" gehandelt, und viele hatten einfach aus dem Herdentrieb (oder aus Solidarität?) heraus mitgemacht. In der Zeit nach dem Krieg wurde die Frage nach der sog. "Kollektivschuld" heftig debattiert. "Kollektivschuld bedeutet, dass die Schuld für eine Tat nicht dem einzelnen Täter angelastet wird, sondern einem Kollektiv, allen Angehörigen einer Gruppe, z. B. seiner Familie, seines Volkes oder seiner Organisation. Das beinhaltet folglich auch Menschen, die selbst nicht an der Tat beteiligt waren." (Internet) Heute wissen wir, dass zwischen führenden Tätern, mitwissenden Anhängern, gutgläubigen Mitläufern und mutigen Widerstandskämpfern sehr wohl zu unterscheiden ist.
Wie schaut es aus, wenn wir diese Kategorien unseres Verhaltens auf Umweltzerstörung und Klimaerwärmung, also die angehenden Katastrophen unseres und der folgenden Jahrhunderte, anwenden? Es zeigen sich reichlich Parallelen: Niemand fühlt sich persönlich schuldig an den Ursachen und somit auch nicht an den Auswirkungen. Aber vorgetäuschtes Nichtwissen, Ahnungslosigkeits und Verdrängen gelten heute nicht mehr!
Und wir kennen die Täter: Energieerzeuger, Verkehr, Tourismus und Landwirtschaft mit ihren vielfältigen Tätigkeitsbereichen und deren Auswirkungen, und wir kennen die verantwortlichen Politiker mit ihrer verlogenen Rhetorik ("Propaganda hat man dazu einst gesagt): Am Vormittag beschwören sie Nachhaltigkeit und Bettenstopp, am Nachmittag weihen sie die neue Straße auf die Alm ein und das teuerste Hotel im Grünen.
Und wir Mitläufer schweigen dazu. Wir ändern trotz besserem Wissen unser Verhalten sehr zögerlich oder gar nicht. Deutschland mag im Schlamm und Griechenland in den Flammen versinken, solange nur der Sturm nicht unser Dach und unser Auto mitreißt. Und die Mitläufer machen leider die große Masse aus.
Schließlich kommen wir zu den "Widerstandskämpfern". Diese werden heute zwar nicht mehr verfolgt und ins KZ geliefert, aber sie werden politisch als Außenseiter, als grüne Spinner belächelt oder bemitleidet, auch wenn Wissenschaftler seit Jahren unwiderlegbare Daten und Fakten auf den Tisch legen. Trotz Aufklärung und Wissenschaft glauben viele Zeitgenossen lieber an ihre eigene Verschwörungstheorie oder an gottgewollte Naturereignisse und handeln entsprechend danach.
Es bleibt jetzt noch die Gruppe, die in Zukunft die größte sein wird, die der Opfer. Die heranrückende Katastrophe wird vorerst die Kluft zwischen Reich und Arm noch enorm vergrößern, denn die Reichen halten sich immer länger über Wasser als die Armen. Dann werden uns jedoch gewaltige Ströme von Klimaflüchtlingen überrollen. Diese sind die ersten Opfer und werden uns alle zu Opfern machen.
Ein wesentlicher Unterschied zum Nationalsozialismus wird sein: Damals gab es viele Nazis, die nach dem Krieg ungestraft und bruchlos als "geachtete" Persönlichkeiten in Wirtschaft und Politik Karriere machen konnten oder sich gar gerne selber als "Opfer" ausgaben. Aber am Ende dieser neuen Katastrophe, deren Symptome und Auswirkungen uns täglich vor Augen geführt werden, wird es keine schlauen "Kriegsgewinnler" mehr geben, sondern nur noch Opfer.
Kollektivschuld? Die wird es im Sinne der oben zitierten Definition nicht geben, allerdings wird das Desaster erst durch das kollektive verantwortungslose Verhalten der wissenden Menschen in den reichen Ländern möglich werden.
Im Übrigen: Macht euch keine Sorgen um die Natur, denn die braucht uns nicht. Wohl aber brauchen wir zum Überleben die Natur!

Erich Daniel