Cultura | Salto Afternoon

Der Widerspruch in sich

Oxymora wie „gemeinsam allein“ oder „stilles Chaos“ stehen im Mittelpunkt der neuen Ausstellung in der Stadtgalerie Bozen. Zu sehen sind gewissenhaft gestaltete Werke.
Ossimori / Oxymora, Stadtgalerie
Foto: Privat
Der Prozess der Annäherung kann beim Arbeiten mit per Definition weit entfernten Polen nicht außer Acht gelassen werden. So finden sich in der dritten „Einzelausstellung“ der Associazione degli Artisti della Provincia Autonoma di Bolzano - Alto Adige in der Stadtgalerie (nach 2020 und 2021) auf einer Ebene die fertigen Werke, während im unteren Stock der Werdegang nachgezeichnet wird. Mit den vier Begriffspaaren „caos calmo“ (stilles Chaos), „soli insieme“ (gemeinsam allein), „copia originale“ (original Kopie) und „adorabile bruttezza“ (liebenswürdige Hässlichkeit) befassen sich die Künstlerinnen Lucia Nardelli, Barbara Natter, Elisabetta Vazzoler und Katherina Zoeggeler, sowie die Künstler Bruno Flaim und Silvano Tacus.
Als erstes haben die Aquarelle Tacus prominente Sichtbarkeit, welche als Pandemie-Sinnbilder gelesen werden können, aber nicht müssen. Figuren im Gegenlicht, in Gesicht und Körperhaltung regungslos, Miniaturen in Schatten und Hintergrund. Zum Teil ist es der Charakter der Werke selbst, der die Personen trennt, wie bei einem auf vier Leinwände aufgeteilten Sujet, zum Teil die scheinbare leere Welt welche sie umgibt. Die „Soziale Distanzierung“ hat mit der Pandemie nur einen schmissigen Anglizismus gefunden, abgespielt hat sie sich bereits zuvor.
 
Ossimori / Oxymora, Stadtgalerie
Ossimori / Oxymora: Tacus Aquarelle sind Fenster in eine Welt der Unschärfe. | Foto: Privat
 
Einen Blick richtet auch Vazzoler auf den unsichtbaren Abstand zwischen den Menschen, in ihren Bildern mehrheitlich Frauen, welche etwa am Smartphone hängen oder sich Lastern hingeben.  Dabei sind ihre Bilder, auch wenn eine Personengruppe „still“ steht, doch von Bewegung erfüllt, die wie die Unschärfe eines Schnappschusses im Vorbeigehen wirkt. Die Szenen erhalten dadurch einen noch stärkeren Alltagscharakter und unterstreichen die Frage, ob in unserem Umgang mit Suchtmitteln und digitalen Medien alles richtig läuft.
Über digitales Arbeiten lässt sich dagegen wunderbar die Dichotomie „Original“ und „Kopie“ bearbeiten. Flaim arbeitete für die Ausstellung sowohl mit Ölfarbe als auch gänzlich digital, die Materialität nimmt in seinen abstrakt, sich immer wieder auch geometrischer Formen bedienenden Ausstellungsstücken eine prominente Rolle ein. Die verschiedenen Qualitäten der Drucke können auch als Abstufungen der Originalität der Werke verstanden werden, bis hinab zur körnigen, wenig schmeichelhaften Laserjet Reproduktion. Das digitale Original oder ein Bildschirm sind in der Galerie abwesend.
 
Ossimori / Oxymora, Stadtgalerie
Ossimori / Oxymora: Links sind Drucke Flaims in verschiedener Qualität zu sehen, rechts zwei der Arbeiten von Vazzoler. | Foto: Privat
 
Anders verhält es sich bei Nardelli, welche sich mit zweierlei Oxymora gleichzeitig befasst hat: „copia originale“, sowie „caos calmo“ und auch sie bedient sich dabei eines Druckverfahrens, allerdings eines händischen. Auf Seidenpapier oder Karton gestaltete sie ornamentale Einzeldrucke, das „Negativ“ ist in Form von Holzschnitten im unteren Stockwerk zu sehen. Bei Nardelli ist es vor allem die Prozesshaftigkeit und Haptik der Werke, welche den Arbeitsauftrag umsetzt.
Ein „stilles Chaos“ hat auch Zoegeller mit ihren drei freischwebend gehängten Skulpturen hinterlassen. Auf den aus Maschendraht geformten „Kokons“ (so auch der Titel der Arbeiten) bringt sie goldfarbene Keramikblätter an, ein Teil ist „abgeblättert“ am Galerieboden ausgelegt. Zwischen goldenem Käfig und Metamorphose begibt sich das Ensemble auf fast linguistische Abwege, die Raupe, die zum Schmetterling wird und sich dazwischen zur Zellsuppe auflöst wird nicht gezeigt, wir sehen Kunst die im Auflösen begriffen ist.
 
Ossimori / Oxymora, Stadtgalerie
Ossimori / Oxymora: Im unteren Stockwerk finden wir Vorstufen der fertigen Arbeiten, Skizzen und für den Druck genutzte Holzschnitte. Einige der Vorarbeiten auf Papier sind mit der erhöhten Luftfeuchtigkeit nicht ganz einverstanden. | Foto: Privat
 
Dem letzten der vier Begriffspaare hat sich an einer Wand (und der Säule in der Mitte des Raumes) Natter angenähert. Sie stellt zur „adorabile bruttezza“ eine Reihe von Winterrosen aus, welche an der Grenze zur Abstraktion für Endlichkeit und Wiedergeburt gleichermaßen stehen sollen. Die Wahl der Farben fällt dabei sehr kräftig aus: Dürre Blätter werden vom letzten Aufbäumen der Farbe an den Rand der Darstellung verbannt.