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Hausverstand in Gesetzesform

Mit der gestern genehmigten Durchführungsverordnung zum Weideschutz kommt die Landesregierung einer Forderung nach, welche die Bauern bereits seit Langem erheben.
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Foto: LPA/Fabio Brucculeri
Seit Jahren haben die Bergbauernvertreter darauf hingewiesen, dass Herdenschutzmaßnahmen bei einem Großteil der knapp 1.500 bestoßenen Almen in Südtirol nicht möglich sind. Dennoch beharrte Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler bis vor Kurzem darauf, dass die Almbesitzer es zumindest versuchen müssten. Argumente, dass es eine Verschwendung von Steuergeldern sei, der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen stehe oder gar ein „Wettrüsten im Zäune errichten“ in Gang gesetzt wird, welches nichts als Streit und Unfrieden bringt, blieben lange Zeit ungehört. Gefordert wurde auch eine Erhebung jener Gebiete, in denen Herdenschutzmaßnahmen umgesetzt werden könnten und wo dies aus topografischen oder anderen Gründen nicht möglich ist. Gestern (8. August) hat die Landesregierung nun dieses „Hausverstandswissen“ in eine Durchführungsverordnung gegossen, die als Dekret des Landeshauptmanns erlassen wird und mit Veröffentlichung im Amtsblatt der Region in Kraft tritt. Damit und mit dem Landesgesetz zu Weideschutzgebieten und Maßnahmen zur Entnahme von Wölfen, das seit 15. Juni 2023 in Kraft ist und von Rom nicht angefochten wurde, sind nun die wichtigsten juridischen Voraussetzungen geschaffen, um Wölfe entnehmen zu können. Wie Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler im Anschluss an die Sitzung der Landesregierung erklärte, wird im Landesgesetz festgelegt, dass Weideschutzgebiete ausgewiesen werden müssen, um die Entnahme von Wölfen zu ermöglichen. Die Durchführungsverordnung beinhaltet die vom Direktor der Abteilung Forstwirtschaft festgelegten Kriterien für die Ausweisung von Weideschutzgebieten, die Modalitäten der Meldung der Vergrämung und Entnahme von Wölfen und die Modalitäten des Wolfsmonitorings. 
 
 
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Nachweise zu Wolfsspuren 2023: Im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist ein Anstieg der Nachweise wie auch Risse, die sich in den östlichen Landesteil verlagert haben, zu verzeichnen. (Foto: Autonome Provinz Bozen)
 
 
Almen werden als Weideschutzgebiete ausgewiesen, wenn eine großräumige Einzäunung, eine dauernde Behirtung mit oder ohne Hunde oder der Einsatz von Herdenschutzhunden aus objektiven Gründen, zu denen die Geländebeschaffenheit zählen wie auch die technische bzw.
wirtschaftliche Zumutbarkeit und ökologische Argumente, nicht möglich ist. Als Beispiele nannte Landesrat Schuler Weiden, durch welche Straßen, Wanderwege oder Bachläufe führen; wenn ein Zaun errichtet werden muss, der länger als fünf Kilometer lang ist, oder mehr als 15 Prozent des Geländes, auf dem der Zaun errichtet werden soll, eine Hangneigung von 40 Prozent aufweist. Ebenfalls nicht finanziell zumutbar sind Weideschutzmaßnahmen, wenn die Herde weniger als 500 Schafe oder Ziegen zählt oder wenn es sich um eine Rinderherde handelt. 
 
 
Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, wird die Alm als Weideschutzgebiet eingestuft.
 
 
Ein weiteres Kriterium betrifft die ständige Behirtung durch Hirten und die Hirtenhunde. So wird eine Alm zum Weideschutzgebiet erklärt, wenn nicht zumindest die Aufsicht von zwei Hirten gewährleistet werden kann und für sie eine geeignete Unterkunft bereitsteht. Auch für die Hirtenhunde ist eine geschützter Platz vorgeschrieben. „Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, wird die Alm als Weideschutzgebiet eingestuft“, so Schuler. Damit ist klar, dass der Großteil der Südtirol Almen in die Kategorie Weideschutzgebiete fallen wird.  

 

 

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G. P. Mer, 08/09/2023 - 11:27

Aha, ein so komplexes Regelwerk nennt man Hausverstand? Für mich ist Hausverstand etwas anderes.
Bis der erste Wolf effektiv (legal) geschossen wird, wird's noch dauern. Ich tippe darauf, dass es kurz vor den Landtagswahlen soweit sein wird. Und es wird lange bei einem bleiben ... und somit wird auch das Problem bleiben.

Mer, 08/09/2023 - 11:27 Collegamento permanente
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Manfred Klotz Mer, 08/09/2023 - 13:18

Selten so eine Ansammlung an populistischem Schwachsinn in einem Gesetzestext gelesen. Da macht es sich die Landesregierung etwas zu leicht, das taugt selbst als Wahlkampfgeschenk nichts.
Das Gesetz hat die Regierung zwar nicht angefochten, aber diese Durchführungsverordnung werden eine kurze Halbwertzeit haben. Sie führen das Gesetz - und logischerweise auch die EU-Verordnung - nämlich ad aburdum.

Mer, 08/09/2023 - 13:18 Collegamento permanente