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Zum Lehrer berufen

Stephan war sechs Monate in Sambia, wo er an einer Schule tätig war. Was er von den Kindern damals für heute gelernt hat.
Stephan Pircher
Foto: Anna Mayr

Stephan Pircher ist 1986 in Meran geboren, dort aufgewachsen und arbeitet heute dort als Lehrer. Als ein Freund nach mehreren Monaten aus einem Projekt in Brasilien zurückkam, wuchs in ihm der Wunsch, selbst ein Auslandspraktikum zu machen. Am 18. Jänner 2008 flog er nach Malawi und kam auf dem Landweg ins sambische Chipata, wo er sechs Monate in einer Schule die Nachmittagsgestaltung übernahm.

 

Stephan, was hat dich motiviert, ins Ausland zu gehen?

Stephan Pircher: Ich war fasziniert von den Erzählungen meines Freundes, der aus Brasilien zurückkam, wollte mich weiterentwickeln und etwas von der Welt sehen. Ich entschied mich dann für das Projekt in Chipata im südostafrikanischen Sambia.
 
Wie kann man sich die Stadt Chipata vorstellen?

Die Stadt hat ein eher kleines Zentrum mit Geschäften und Dienstleistern. Es ist umgeben von einigen wohlhabenden und vielen weniger wohlhabenden Vierteln. Eine Besonderheit ist der Golfplatz, der sich mitten in der Stadt befindet – ein Relikt aus der Kolonialzeit.
 
Wie sah deine Arbeit im Projekt aus?

Meine Aufgabe bestand darin, die Freizeitgestaltung an den Nachmittagen für die Schüler*innen vorzubereiten und durchzuführen. Täglich kamen zwischen zehn und 20 Jugendliche. Wir konnten etwas Englisch und so sind wir relativ gut zurechtgekommen. Und ich habe versucht, Cinyanja zu lernen, so gut ich konnte.
 
Warum sind so viele Kinder Waisen?

Viele Menschen sind von HIV und Aids betroffen, aber auch andere Krankheiten kommen häufig vor. Ein großer Teil der Generation der 20- bis 40-Jährigen, zu der auch die Eltern unserer Schüler*innen gehören, fehlt. 
 
Was hat dich gefreut?

Vor Schulbeginn haben die Schüler*innen jeden Tag eine Viertelstunde miteinander gesungen. Das mitzuerleben hat mir immer große Freude gemacht. Insgesamt hat es mich einfach gefreut, in der Schule zu arbeiten und diese mitzugestalten.

 

Wie groß ist das Schulprojekt in Sambia heute?

Begonnen hat alles vor 16 Jahren mit einem Wohnhaus mit vier Schlafzimmern, die in Klassenzimmer umfunktioniert wurden. Inzwischen hat sich das Projekt vergrößert. Die Lehrpersonen werden mittlerweile vom Staat bezahlt. Die OEW in Brixen und eine Organisation aus Deutschland garantieren die fehlenden finanziellen Mittel.
 
Ist dir die Rückkehr nach Südtirol leicht gefallen?

Da ich im Laufe der Monate erkannt habe, dass ich nach dieser Erfahrung gerne weiterhin in Schulen arbeiten möchte, hatte ich schon einen Plan für die Zukunft. Ich habe eine Supplenzstelle als Lehrer erhalten und anschließend ein Lehramtsstudium gemacht.
 
Was hast du im Projekt gelernt?

Ich habe versucht, viel über den Alltag der Kinder und Jugendlichen zu erfahren. Das ist oft in unscheinbaren Situationen passiert, zum Beispiel durch die Selbstverständlichkeit, mit der die Schüler*innen Verantwortung in der Familie übernehmen mussten. Immer wieder habe ich meine eigenen Bilder zu den Lebensbedingungen der Schüler*innen hinterfragt und reflektiert. Dieser Ansatz ist mir heute bei meiner Arbeit als Lehrer immer noch hilfreich.
 
Wie hast du dich in Südtirol für das Projekt in Sambia eingesetzt?

Luzi Lintner, die zuvor die finanziellen Mittel für Sambia mit der OEW gesichert hatte, ist gestorben, als ich im Projekt war. So haben wir ehemalige Freiwilligen uns zu einer Projektgruppe zusammengetan. Ich war in den ersten Jahren an vielen Aktionen beteiligt, bei denen wir Geld für das Projekt gesammelt haben und habe neue Freiwillige bei der Vorbereitung begleitet. Heute arbeite ich nicht mehr in der Kerngruppe mit, beteilige mich aber noch manchmal an Aktionen.

 


Projekt & Projektort

Seite an Seite

In Magazine Compound, einem Randbezirk von Chipata, wurde 2005 eine Grundschule eröffnet. Gründer*innen waren Madame Jere, eine Lehrerin aus Chipata und Marco Sardella, ein Laienmissionar aus Mailand, außerdem Michael Chisanga. 320 Schüler*innen – Halb- oder Vollwaisen oder Kinder aus benachteiligten Familien – besuchen die Schule. Nachmittags gibt es zusätzliche Angebote: Sport, Basteln, Handarbeiten, andere Workshops, Hausaufgabenhilfe. Die Schule legt großen Wert auf die Zusammenarbeit mit den Familien. Nach Abschluss der Grundschule haben die Schüler*innen die Möglichkeit, eine weiterführende Schule zu besuchen oder ein Handwerk zu lernen.

Chipata/Sambia

Die Stadt Chipata liegt an der Grenze zu Malawi und hat etwa 100.000 Bewohner*innen. Zwischen 1890 und 1964 befand sich Sambia unter britischer Kolonialherrschaft. Die hohe HIV-Infektionsrate und die Kosten für die schulische Ausbildung bringen große Herausforderungen mit sich. Viele Erwachsene finden nur als Tagelöhner*innen Arbeit, die ihnen – vor allem im Lockdown 2020 – keine finanzielle Sicherheit bietet. Daher schaffen es viele Familien nicht, Schulgebühren und Materialien für ihre Kinder oder die Kinder ihrer verstorbenen Geschwister zu bezahlen.