Ambiente | Straßenbau

Transit-Achse Pustertal

Fridays For Future und die Plattform Pro Pustertal warnen vor dem Ausbau der Pustertaler Staatsstraße: "Barrierefreiheit für den Lkw-Transit."
Studie Pustertal
Foto: Ing. Büro Archi Noah

Am morgigen Freitag wird auf den Talferwiesen gestreikt. Für den Klimaschutz. Für die Umwelt. Und - speziell - für die Überarbeitung des neuen Südtiroler Klimaplans. Unter dem Deckmantel “Climate Action Südtirol” rufen rund 24 Südtiroler Umwelt- und Heimatpflegeorganisationen zum Streik auf. Eine davon ist die Plattform Pro Pustertal (PPP), die sich seit 2004 für ein lebenswertes Pustertal einsetzt und sich nun vehement gegen den Ausbau der Pustertaler Staatsstraße stemmt: “Durch den Ausbau der Staatsstraße riskieren wir, im Verkehr unterzugehen und vor allem den Lkw-Transitverkehr weiter zu fördern”, so die Sprecherin der Plattform Pro Pustertal, Christine Baumgartner.

 

Ost-West-Achse Pustertal

 

Angestoßen wurde der Widerstand gegen den Ausbau der Pustertaler Staatsstraße durch die Fridays for Future Bewegung in Osttirol. Hier wehrt man sich bereits seit Jahren gegen den fortschreitenden Ausbau der Verkehrsachse zwischen Kärnten, Ost- und Südtirol und die dadurch entstehende Belastung für Bevölkerung und Umwelt. Wie Baumgartner zu bedenken gibt, steht ein entsprechendes Bewusstsein in vielen Südtiroler Köpfen noch aus.

Dabei geht es nicht um kleinere Eingriffe entlang verschiedener Straßenabschnitte, sondern darum, die Aufmerksamkeit auf das Gesamtbild zu lenken: Wie eine eigens in Auftrag gegebene Umweltverträglichkeitsstudie zeigt, führen die in den letzten Jahren durchgeführten und geplanten Eingriffe dazu, dass die Attraktivität der Ost-Westachse zwischen dem Brenner und der Tauernautobahn - und somit der Abschnitt der Pustertaler Staatsstraße zwischen Spital und Franzensfeste - für den Transitverkehr um ein Vielfaches steigt.

 

Die aktuelle Lage

 

Wie aus der Studie entnommen werden kann, weist die Pustertaler Staatsstraße sowohl im österreichischen (B100) als auch im italienischen Teil (SS49) eine Reihe sogenannter Flaschenhälse - also enge Kurvenradien, schmale Fahrstreifen oder Ortsdurchfahrten - auf, die den Verkehr bremsen. Viele dieser Flaschenhälse wurden seit den 90er-Jahren durch bauliche Eingriffe entfernt. So wurden bei Mittewald und Abfaltersbach in Osttirol Ortsumfahrungen geschaffen und der Straßenabschnitt zwischen Sillian und der italienischen Staatsgrenze ausgebaut. In Südtirol wurden indes bei Niederdorf, Welsberg, Bruneck, St. Lorenzen, Vintl und Mühlbach Ortsumfahrungen mit Tunnelstrecken gebaut. Im selben Zeitraum stieg der Verkehr auf der Pustertaler Straße - allen voran der Lkw-Verkehr - beträchtlich.

 

Zwischen Bauplänen und Olympia

 

Stand Mai 2021 sind vor allem für den Südtiroler Teil der Strecke weitere Ausbauarbeiten geplant, die nicht zuletzt auch die Infrastrukturmaßnahmen rund um Olympia 2026 vorangetrieben werden: In Innichen ist eine Unterführung geplant, bei Olang sollen zwei Kreisverkehre in den Kreuzungsbereichen mit Landstraßen entstehen. Für Percha und Kiens sind Ortsumfahrungen vorgesehen und zwischen Kiens und St. Georgen soll die Straße verbreitert werden. Zudem ist eine zusätzliche Anbindung der SS49 an die Brennerautobahn bei Vahrn vorgesehen und ein weiterer Kreisverkehr in Toblach steht im Gespräch. Auch in Kärnten und Osttirol sind weitere Bauarbeiten entlang der Straße geplant.

In der folgenden Abbildung sind der gegenwärtige Ausbauzustand sowie die für die nächsten Jahre geplanten Ausbaumaßnahmen dargestellt:

 

Eine weitere Grafik zeigt die durch geplante Ausbaumaßnahmen für den Transitverkehr zunehmend attraktiver werdende Korridore:

 

Ein Stück hier, eines da

 

Die Studie stellt also einerseits fest, dass die Pustertaler Straße grundsätzlich als Alternative für den straßengebundenen Fernverkehr geeignet ist. Dies gilt vor allem für den Lkw-Verkehr, der auf diese Weise Mautstrecken vermeidet und aufgrund der festgelegten Höchstgeschwindigkeit für Lkws auch kaum Geschwindigkeitsnachteile verbuchen muss. Andererseits wird erklärt, dass die für die nächsten Jahren geplanten baulichen Eingriffe diesen Transitverkehr weiter begünstigen werden:

Die aktuell bzw. mittelfristig geplanten Projekte, insbesondere in Kärnten und Südtirol, […] beseitigt mit Ausnahme von Lienz praktisch alle noch verbliebenen Flaschenhälse und Langsamfahrstrecken, sodass die „Schleusen“ für den übergeordneten Fernverkehr endgültig geöffnet würden”, so die Studie.

Damit werde die Attraktivität für den überregionalen Durchzugsverkehr schlagartig erhöht und “somit eine sehr attraktive Transitroute geschaffen mit großen Risiken bezüglich einer erheblichen Steigerung insbesondre des Lkw-Verkehrsaufkommens.”

 

Wie Baumgartner erklärt, sei dies vor allem deshalb möglich, weil die einzelnen Eingriffe als unabhängige Bauprojekte angesehen und verstanden würden: “Viele wissen nicht, dass es sich hier um den Ausbau eines Transitkorridors handelt. Ein Stückchen hier, ein Stückchen da, bis das Pustertal letztlich zu einer Ausweichstrecke für den Schwerverkehr wird.” Dabei geht es der Plattform Pro Pustertal nicht darum, von der Bevölkerung gewünschte Ortsumfahrungen zu verhindern. “Wir setzen uns bereits seit Jahren dafür ein, dass in Kiens eine Umfahrungsstraße errichtet wird. Aber viele andere Eingriffe wären nicht nötig. Zudem müssen bei den einzelnen baulichen Eingriffen die weiteren Folgen für Bevölkerung und Umwelt berücksichtigt werden”, so Baumgartner. (Letztere ist eine der 12 Forderungen, die beim Klimastreik am morgigen Freitag auf der Tagesordnung stehen.)

 

Was tun?

 

Baumgartner pocht darauf, vermehrt auf den Ausbau der Schiene zu setzen und den Straßenausbau - “der Staus nicht vermeidet, sondern nur noch mehr Verkehr anzieht” - zu vermeiden. Auch der Güterverkehr könnte laut Baumgartner auf die Schiene verlegt werden: “Der Gütertransport wäre im Pustertal prinzipiell möglich und wurde früher auch praktiziert”, so Baumgartner. “Diese Möglichkeit darf auch heute nicht außer Acht gelassen werden”. Eine weitere Möglichkeit stellt ein Transitverbot für Lkws dar. Etliche Gemeinden in Kärnten und in Osttirol setzen sich bereits bei den jeweiligen Landesregierungen für ein LKW-Transitverbot nach Vorbild des Ennstals ein.

In Südtirol ist man indes bemüht, durch Streiks, Kundgebungen und ähnliches, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und auch die Politik miteinzubeziehen. Dies erweist sich jedoch als schwerer als gedacht: "Im Rahmen des 150. Jubiläums der Pustertaler Bahn haben wir eine Kundgebung organisiert und versucht mit dem zuständigen Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider zu sprechen", erzählt Baumgartner. "Dieser hat uns jedoch kaum Beauchtung geschenkt und uns stattdessen vorgeworfen, die anwesende Musikkapelle zu stören". Dabei habe man noch vor einigen Jahren gute Beziehungen zur Landesregierung - allen voran dem ehemaligen Mobilitätslandesrat Thomas Widmann - gepflegt.

Wie viele andere setzt Baumgartner ihre Hoffnung in die Vernetzung verschiedener lokaler Aktionsgruppen und intergenerationelle Unterstützung. Die Bevölkerung ist dazu aufgerufen lokale Initiativen zu unterstützen und am Landesweiten Klimastreik am Freitag teilzunehmen.