Ambiente | Interview

„Mit der Landschaft identifizieren“

Das Versuchszentrum Laimburg berät Gemeinden und Interessierte, wie Grünflächen zu Artenvielfalt beitragen können. Was dabei zu beachten ist, erklärt Helga Salchegger.
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Foto: Versuchszentrum Laimburg
salto.bz: Frau Salchegger, um was geht es bei dem ‚Natur im Garten‘-Projekt?
 
Helga Salchegger: ‚Natur im Garten‘ ist eine Bewegung für eine nachhaltigere Gestaltung und Pflege von öffentlichen und privaten Grünflächen. Die Hauptkriterien dafür sind der Verzicht auf Torf, chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralischen Düngern. Wir möchten die Menschen dafür sensibilisieren, im Garten und vor allem mit dem Boden sorgfältig umzugehen.
 
 
Welche Nachteile haben die von Ihnen genannten Gartenhilfsmittel?
 
Jeder Dünger hat Vor- und Nachteile. Der mineralische Dünger wirkt meist sehr schnell, hat aber meist negative Auswirkungen auf das Bodenleben. Der organische Dünger ist hingegen wie Futter für die Bodenlebewesen. Sie bauen den organischen Dünger um und stellen ihn den Pflanzen zur Verfügung, das dauert länger als beim mineralischen Dünger.
Es geht also eher darum aufzuzeigen, welche Alternativen es gibt und wo es Sinn macht, auf heimische Pflanzen umzusteigen.
Im Gartenbau sind nach wie vor der englische Rasen, Lavendel, Rosen und Olivenbäume sehr beliebt. Wie lassen sich diese Vorstellungen mit der heimischen Artenvielfalt vereinen?
 
Das ist ein schwieriges Thema, denn die Erwartungen sind hoch. Vor allem in touristisch geprägten Gemeinden, bei Hotelanlagen oder bei Urlaub auf dem Bauernhof möchte man bestimmte Pflanzen zeigen, die einen Urlaubsflair vermitteln, wie der Olivenbaum, die Palme oder der Lavendel. Das war aber eigentlich immer so. Auch in den traditionellen Bauerngärten findet man immer wieder fremdländische Pflanzen. Ich denke da zum Beispiel an den Flieder, der heute ein typischer Strauch für Bauerngärten ist. Ursprünglich stammt er aber aus Asien und wurde anfangs als fremdländisches Gehölz kritisiert. Heimische Pflanzen sind geeignet, die Vielfalt eines Landes zu zeigen, einen genius loci zu kreieren und gleichzeitig die Biodiversität zu betonen, auch wenn sie meist nicht hochgezüchtete Blüten besitzen und in der Wirkung dezenter sind.  
 
 
Also sind fremdländische Pflanzen beim Konzept des naturnahen Gartens nicht verboten?
 
Nein, sie sind nicht verboten, denn es ist keine radikale Auslegung. Es geht eher darum zu sagen, dass es unglaublich viele heimische Pflanzenarten gibt, die viele Vorteile bringen und die man auch verwenden könnte. Beispielsweise hat jeder eine Forsythie im Garten stehen, die den Bienen nichts bringt, weil sie keine Pollen und keinen Nektar hat. Der Strauch ist auch kein Vogelnährgehölz. Eine heimische Kornelkirsche blüht in der gleichen Farbe und zur gleichen Zeit, sie bildet auch Früchte und hat eine Herbstfärbung. Es geht also eher darum aufzuzeigen, welche Alternativen es gibt und wo es Sinn macht, auf heimische Pflanzen umzusteigen.
Vielerorts sind bei der Pflege von öffentlichen Grünflächen die Ressourcen knapp.
Welche Vorteile bringt die Zertifizierung ‚Natur im Garten‘?
 
Wer die Zertifizierung in Anspruch nimmt, erhält von uns eine kostenlose Beratung für seinen Garten. Diese kann dazu dienen, sich auszutauschen, zu vernetzen und Tipps zur Verbesserung zu erhalten. Wenn man beim Beratungsgespräch genug Punkte erhält, wird man mit der ‚Natur im Garten‘-Plakette zertifiziert. Die Plakette kann auf den Gartenzaun gehängt werden und bringt zum Ausdruck, dass man den eigenen Garten nachhaltig pflegt und Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten anbietet. Sinn und Zweck ist auch, dass das die Nachbarn sehen und die Idee weitergetragen wird.
 
Wen berät die Laimburg?
 
Wir beraten sowohl Privatpersonen als auch Gemeinden. Zurzeit sind wir mit 13 Gemeinden im Gespräch. Bei den Gemeinden ist der Anspruch etwas anders. Vielerorts sind bei der Pflege von öffentlichen Grünflächen die Ressourcen knapp. Die Geldmittel für Personal, Dünger und Pflanzenschutzmittel werden weniger, bei der Bewässerung spielt auch die Wasserknappheit eine Rolle. Deshalb wollen wir den Gemeinden die Pflege erleichtern und gleichzeitig die Biodiversität fördern.
Es ist offensichtlich so, dass sich der Mensch in naturnahen Flächen wohler fühlt und dort gesünder ist.
Können Sie ein Beispiel nennen?
 
Das klassische Beispiel sind Rasenflächen, die man alle 14 Tage mähen, die man bewässern und düngen muss. Diese Grünflächen versuchen wir in Wiesen oder Gehölzflächen umzuwandeln. Wiesen brauchen weniger Pflege und bringen mit der richtigen Auswahl der Pflanzen auch mehr Biodiversität. Dass das dann anders aussieht, wie die immergrüne vier Zentimeter hohe Rasenfläche muss aber auch kommuniziert werden. Der Bevölkerung muss erklärt werden, wieso das je nach Jahreszeit anders aussieht, denn solche Flächen wirken ‚unordentlicher‘. Sie sind aber für den Wasser- und Nährstoffkreislauf, für den Bodenschutz und die heimischen Lebewesen, wie Insekten oder Vögel, vorteilhafter.
 
 
Welche Funktionen erfüllen naturnahe Grünflächen?
 
Naturnahe Flächen haben unseres Erachtens sehr viele Funktionen. Man kann sie grob in ökologische, ästhetische, ökonomische aber auch in soziale Funktionen einteilen. Mir ist immer wichtig, auch über die sozialen Funktionen von Grünflächen zu sprechen. Denn sie sollen ja auch Lebensraum für Menschen sein. Wir brauchen in den Siedlungsräumen vor allem in den Tallagen schattige Flächen, unter Bäumen zum Beispiel, die man auch im Sommer benutzen kann. Gleichzeitig stellt der Baum für Tiere einen Lebensraum dar, er filtert Staub, befeuchtet die Luft und er nimmt Wasser auf. Naturnahe Grünflächen bringen bei Starkregen auch ökonomische Vorteile, da das Regenwasser dann nicht das Kanalsystem überschwemmt, sondern ins Grundwasser sickert. Zudem müssen diese Flächen trotz Klimaerwärmung nicht überpflegt werden.
 
Und die ästhetische Funktion?
 
Untersuchungen belegen, dass sich Menschen wohler fühlen, wenn sich die Grünflächen in ihrem Wohn- und Lebensraum mit den Jahreszeiten verändern. Mit Blüten, Früchten und Herbstfärbung können die Jahreszeiten in der Natur wahrgenommen werden. Wir versuchen auch, auf Flächen essbare Pflanzen zu setzen, um einen Nebennutzen zu schaffen. Laut Studien kann man sogar Immobilien besser verkaufen, wenn rundherum Grün vorhanden ist. Es ist offensichtlich so, dass sich der Mensch in naturnahen Flächen wohler fühlt und dort gesünder ist. Er identifiziert sich dann auch stärker mit der Landschaft, in der er aufwächst. Kinder nehmen unbewusst die Landschaft der Umgebung und das Vorkommen der unterschiedlichen Pflanzen wahr.