Film | Kino Medizin

„Sich Medizin auf andere Art zu nähern“

Die neue Filmreihe „Cinema Hospitale“ soll Medizin auf andere Weise näher bringen, auch im Dialog mit Mediziner:innen. Wir haben Co-Kuratorin Stefania Borin gesprochen.
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Foto: Mairania 857
  • Mairania 857: Stefania Borin (rechts im Bild) mit Arbeitskollegen. Foto: Mairania 857

    SALTO: Frau Borin, eine aktuelle Frage zu Beginn: Was waren die Gründe für die Wahl des ersten Films, MASH?

     

    Stefania Borin: Ende letzten Jahres haben wir eine Filmreihe zum Thema Tod präsentiert, die von dem Psychiater Giorgio Vallazza angeregt worden war. Am Ende dieses Zyklus kam er auf mich zu und sagte: „Es wäre doch sehr interessant, eine Filmreihe über das Krankenhaus, die Medizin, eine kleine Reflexion über dieses Thema zu machen“. Ich nahm seine Herausforderung an. Also haben mein Kollege Roberto Bomassarra und ich sofort versucht, eine Liste von Filmen zusammenzustellen, die von Medizin handeln, in allen möglichen Nuancen.

  • Wir beginnen mit der Chirurgie, weil wir eine Reihe von Spezialisierungen anbieten wollten, zu denen wir dann Spezialisten auf diesem Gebiet hinzuziehen. Wir wollten mit MASH beginnen, weil dieser Film für uns definitiv ein Eckpfeiler dieser Art von Filmschaffen war. Von dort aus haben wir dann den Chirurgen Romano Polato kontaktiert, der sich sofort bereit erklärt hat, mitunter da dieser Film für ihn sicherlich ein Schlüsselfilm in seiner Ausbildung zum Chirurgen war und auch weil er seinen Militärdienst als Arzt geleistet hat. Und das ist der Grund, sagen wir mal. 

     

    Aber MASH ist auch der Film, der unter Altmans Filmen der wohl diskutierteste Titel ist. Auch aus dem Grund, dass die Hauptfiguren keine sehr netten Menschen sind und nicht dem Bild von Chirurgen entsprechen, das wir haben wollen.

     

    Natürlich, aber wir müssen auch bedenken, dass dies auch eine Art ist, über Krieg und Frieden zu sprechen. Es ist also eine sehr respektlose Art und Weise, wenn Sie so wollen, mit dem Beruf des Chirurgen in einer Extremsituation, wie dem Krieg, umzugehen. Sicher ist es so, dass, wenn nicht ein gewisser Zynismus entwickelt wird - was nicht heißen soll, dass es nicht auch um Professionalität geht - sondern um eine gewisse Distanz zum Schmerz. Das ist in gewisser Weise auch so, weil die Arbeit sonst die Gesundheit derjenigen beeinträchtigen könnte, die diesen Beruf ausüben. 

  • Qualcuno volò sul nido del cuculo: Wie die Anstalt im Filmklassiker mit Jack Nicolson wollen wir uns die Unterbringung (psychiatrischer) von Patient:innen lieber nicht vorstellen. Foto: Mairania 857

    Welcher soll der nächste Film nach MASH sein? 

     

    Es wird „Qualcuno volò sul nido del cuculo“ sein und vom Psychiater Giorgio Vallazza kommentiert werden. Wir haben immer versucht, unterstützt von Giorgio Vallazza selbst, nach Kollegen von ihm zu suchen, die auf eine gewisse Art einen eigenen Lektüreschlüssel zu diesen Filmen geben konnten. Beim zweiten Film ist es entweder Vallazza oder seine Primarin, Verena Perwanger, die Leiterin des psychiatrischen Dienstes in Meran. Es ist ein sehr wichtiger Film, auch weil er, wenn man so will, Grausamkeit beschreibt, aber auch Härte und eine bestimmte Art der Psychiatrie, wie sie, wenn man so will, bis in die 1980er Jahre fortgeführt wurde. Es ist ein Film, der nicht so alt ist, weil er '75 gedreht wurde, aber sagen wir, dass die Psychiatrie, wie wir sie jetzt erleben, nach der Basaglia-Reform relativ neu ist.

  • Wer sind die Spezialisten die Sie für die Treffen nach den Filmen gewinnen konnten?

     

    Dr. Paolo Bellingeri, Palliativmediziner, wird einen Film mit dem Titel „The Power of the Mind“ kommentieren, in dem Emma Thompson in der Hauptrolle eine onkologische Patientin spielt, die Schwierigkeiten hat, mit der medizinischen Seite zu kommunizieren, welche den Patienten nicht berücksichtigt, sondern ihn als ein Element, als etwas Unbelebtes ansieht. Sie weist auf diese große Unzulänglichkeit des Systems und einen Mangel an Empathie hin. Dr. Bellingeri hingegen ist ein Mensch mit großem Einfühlungsvermögen, der im Meraner Krankenhaus die Palliativstation leitet und für diesen Kontakt mit dem Patienten sehr geschätzt wird.

  • Cinema Hospitale: Die Filmreihe hat auch ein eigenes Poster, das von Hand gestaltet wurde. Foto: Silke De Vivo

    Dann besucht uns noch Dr. Donatella Arcangeli, die Leiterin der Kinderneuropsychiatrie, die zum Film „Stars on Earth“ sprechen wird, einen Bollywood-Film über Legasthenie, eine Art Musical. Es gibt nur wenige Filme, die über dieses Thema sprechen, und da war die Idee, dass es sich um ein Problem handelt, das die ganze Welt betrifft und sehr transversal ist, weil es auch Menschen betrifft, die andere Sprachen sprechen. Sie beschlossen, eine leichtere Geschichte zu drehen, eine wahre Geschichte, eine Geschichte, die diesem Kind wirklich passiert ist, und wir dachten, das könnte ein gutes Zeugnis sein.

  • Dann wird es einen Film geben, in dem es um Selbstmord in jungen Jahren geht, er heißt „5 giorni fuori“, es ist ein nicht sehr bekannter Film und es wird ein Psychiater dabei sein, wahrscheinlich Dr. Vallazza. Es folgt eine weitere Runde, ein Film von Danese, in dem es um Sucht und Alkoholismus geht und es wird, bis vor kurzem noch unklar, aber es wird eine Person sein, die im Dienste der Sucht arbeitet. Zum Abschluss sehen wir den preisgekrönten Film "The Father" mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle, in dem es um Demenz geht, ein sehr aktuelles Thema, da die Bevölkerung immer älter wird und wir oft mit Eltern konfrontiert werden, die ein Demenz- oder Alzheimerproblem haben. Hier wird eine Geriaterin, Dr. Breoni, anwesend sein, die dazu ihr Zeugnis ablegen wird.


    Gibt es einen Film in der Reihe, der in besonderer Weise dafür steht, wie Medizin allgemein sein sollte?

     

    Man darf nicht auf „Patch Adams“ vergessen, einen biografischen Film. Er bietet eine Gelegenheit, sich der Medizin auf eine andere Weise zu nähern, als über das Klischee. Es geht darum, dass dort, wo der Arzt war und wo der Patient war, getrennt wurde, dass sich diese zwei Welten nicht überschneiden, außer wenn es ein Patientengespräch oder die Heilung des Patienten gab. Alles, was den Patienten und sein Unbehagen betrifft, wurde ausgeschlossen. Sagen wir, dass „Patch Adams" wirklich eine Schule in diesem Sinne geschaffen hat, die dazu eine Alternative bietet.

  • Patch Adams: In die Hauptrolle des gleichnamigen Arztes schlüpft niemand geringeres als Robin Williams. Foto: Mairania 857
  • Termin

    Der erste Film der Reihe wird heute Abend im Kulturzentrum Meran vorgeführt. MASH wird ab 20.30 Uhr gezeigt und mit der Expertise des Chirurgen Romano Polato besprochen.