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Warum Brot teurer wird

Wie wird ein Lananer Bäck von der weltweiten Erdölproduktion beeinflusst? Inflationslehren aus der Perspektive eines traditionellen Südtiroler Handwerksbetriebs.
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Foto: Bäckerei Schmiedl

Die Ukraine-Krise bedroht nicht nur Europas Gasversorgung. Auch die Preise von Brot, Pasta und Backwaren würden drastisch in die Höhe schnellen, wenn es zu Blockaden von Europas wichtigster Kornkammer kommt, warnte erst zu Beginn dieser Woche der nationale Verband Coldiretti.  Unabhängig von solchen Worst-Case-Szenarien hat sich die Preisspirale bereits heute nach oben zu drehen begonnen. Neben den viel diskutierten Energiepreisen ist dies auch bei Grundnahrungsmitteln wie Gemüse oder Brot spürbar. Klar ist: eine steigende Inflationsrate macht nicht nur Konsument*innen, sondern auch Unternehmen zu schaffen. Wie wird dort damit umgegangen und was können Betriebe tun, um in dieser Situation ihr Fortbestehen zu sichern, aber auch den Bedürfnissen ihrer Angestellten und Kund*innen gerecht zu werden? Antworten darauf gibt Johannes Schmidt von der Lananer Dorfbäckerei Schmiedl. Ein traditioneller Handwerksbetrieb mit Wurzeln bis ins Jahr 1890, rund 50 Angestellten und 6 Filialen in Lana, Tscherms, Völlan und Sinich. Geführt von drei Geschwistern, die mit innovativen und nachhaltigen Ideen - wie der Umstellung eines Großteils des Sortiments auf Sauerteigbasis - in fünfter Generation das Werk ihres Vaters und Seniorchefs Hans Schmidt fortsetzen. Und derzeit trotz jungunternehmerischem Elan an vielen Fronten zu kämpfen haben.  

salto.bz: Herr Schmidt, die Inflation ist aktuell mit knapp 4% so hoch wie sie seit dem Jahr 2012 nicht mehr war. Dazu tragen auch Alltagsprodukte bei. Kostet das Brot in ihren Bäckereien auch mehr als noch vor einem Jahr?

Johannes Schmidt: Ja, auch wir mussten die Preise anpassen. Wir verzeichnen bei so gut wie allen großen Kostenpunkten Steigerungen, die wir teilweise weitergeben müssen. Besonders eklatant ist bekanntlich die Energie: Wir backen mit Gas, brauchen Strom, und jeder weiß, dass die Energiekosten innerhalb 2021 massiv gestiegen sind. Das schlägt bei den Mengen, die wir verheizen, natürlich gewaltig zu Buche. Dasselbe passiert bei den Rohstoffpreisen, besonders beim Getreide: bei Hartweizen gibt es ein Plus von 100%, bei normalem Weizen ein Plus von 53%, bei Roggen von 28%. Es mag sein, dass Mehl eine günstige Zutat ist, doch wenn ich das alles in Summe ansehe, ist es einfach zu viel. Und sollte die Inflationsrate weiterhin hoch bleiben, werden wir auch die Löhne anpassen müssen.

Wie stark haben Sie die Preise angehoben?

Das ist von Produkt zu Produkt verschieden. Ich würde sagen, bei Frischbrot im Schnitt zwischen 5 und 8 Prozent. Wir haben jedes einzelne Produkt noch einmal durchkalkuliert, also angeschaut, wo sich die Kostensteigerung bei Arbeitsmaterial und Rohstoffen wie stark niedergeschlagen haben. Bei verpackten Broten mussten wir eine höhere Preissteigerung vornehmen, denn das gesamte Packaging hat sich im vergangenen Jahr enorm verteuert. Ob Etiketten, Kartonage oder Folien – alles wurde teurer, auch hier in einem Ausmaß von 50, 60, ja sogar 100%. Zudem wird es immer schwieriger, überhaupt an das Material zu kommen. Ich habe gerade erst mit meinem Vater darüber gesprochen, der seit mehr als 40 Jahren im Geschäft ist. Und auch er sagt: So etwas haben wir noch nie erlebt.

Sind diese Preissteigerungen, also beispielsweise bei Verpackungsmaterial, immer noch den Lieferkettenproblemen infolge der Corona-Krise geschuldet?

Teilweise ja. Verpackungsmaterial wird vielfach aus Derivaten der Erdölproduktion produziert. Und wenn diese aufgrund verschiedener Ursachen nicht mehr in denselben Mengen verfügbar sind, werden die gesamten damit zusammenhängenden Lieferketten langfristig gestört. Nachdem weniger  Verpackungsmaterialien produziert werden, schnellen die Preise entsprechend nach oben. In Italien kommen zusätzlich noch eine hohe Besteuerung von Kunststoffen und der Umweltbeitrag ins Spiel, der für alle Kunststoffderivate an das Konsortium CONAI abgeführt werden muss.

Sprich, auch eine Lananer Dorfbäckerei bleibt von den globalen Erschütterungen infolge der Pandemie nicht verschont?

Nein, leider nicht. Das Schlimmste, das Corona neben den massiven Preissteigerungen mit sich gebracht hat, ist der komplette Wegfall der Planungssicherheit. Es fehlt an allen Ecken und Enden und dennoch sollen wir alle weitermachen wie bisher. Vergangene Woche ist mir beispielsweise ein Kühlelement einer Kühlzelle kaputt gegangen. Mein Lieferant meldete mir 48 Wochen Lieferzeit! Das ist doch verrückt, wir sprechen hier fast von einem Jahr! Oder: Infolge von Corona haben wir uns vergangenen Sommer dazu entschlossen gehabt, einen eigenen Waschbereich zu errichten, damit wir das Leergut täglich reinigen können. Und was stellte sich im Zuge der Umbauarbeiten heraus? Auf das in diesem Raum vorgesehene Fenster müssen wir ein knappes dreiviertel Jahr warten! Und das bei den vielen Fensterproduzenten, die wir in Südtirol haben. Doch einer bekommt den Rahmen nicht, der andere das Stück Glas nicht, und der nächste hat die halben Leute in Lohnausgleichkasse. Und so mussten wir ein offenes Loch in der Mauer voerst mit Holztafeln schließen! Das sind jetzt nur zwei Beispiele von vielen, die ich geben könnte. Bei jedem Schritt, den man machen will, droht eine Tretmine, weil aktuell einfach alles eine einzige Kettenreaktionen ist.

Ich habe gerade erst mit meinem Vater darüber gesprochen, der seit mehr als 40 Jahren im Geschäft ist. Und auch er sagt: So etwas haben wir noch nie erlebt.

Die Regierung in Rom hat zuletzt die Mehrwertsteuer auf Gaspreise gesenkt, um den hohe Steigerungen entgegenzuwirken. Fühlen sich bei all den aktuellen Problemen von der Politik und von der öffentlichen Hand generell eher unterstützt oder zusätzlich belastet?

Was die Mehrwertsteuerreduzierung betrifft: die kommt ausschließlich privaten Haushalten, und nicht dem produzierende Gewerbe zugute, das bringt uns also nichts. Die größte Belastung bleibt für mich, wie viel die öffentliche Hand vom Lohn unserer Mitarbeiter abzwackt. Wenn ich mir anschaue, wie viel wir als Betrieb brutto bezahlen und wie viel netto ankommt, könnte man verzweifeln. Und ja, die Bürokratie belastet klarerweise auch. Erst recht, weil sich die Bearbeitungszeiten meiner Erfahrung nach ziemlich verlängert haben. Das ist sicher eine Folge von Covid und der Umstellung aufs Home Office. Ich höre immer wieder: „Die Unterlagen habe ich leider nicht bei mir“, oder“ die Kollegin ist erst in zwei Tagen erreichbar“…

Das heißt, im öffentlichen Dienst wird schlechter gearbeitet?

Nein, das will ich nicht sagen. Dort gibt es viele Menschen, die ihr Bestes geben. Doch ich habe den Eindruck, dass der Druck im privaten Sektor schon ein Stück höher ist. Bei uns gilt das Motto: Entweder du lieferst oder der Kunde ist morgen weg. Vor zwei Wochen war bei uns ein Fünftel der Belegschaft in der Backstube Covid-positiv. Doch die Brötchen müssen am nächsten Tag trotzdem alle rechtzeitig ankommen, und das verlangt vielen von uns einen enormen Einsatz ab.

Und Ihr Team funktioniert trotz dieser Dauerbelastung immer noch gut?

Ich muss sagen, wir sind stolz darauf, wie wir es bis dato geschafft haben, die Krise zu bewältigen. Mit Sicherheit fordert die Dauerbelastung von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das eine oder andere Opfer, um den regulären Arbeitsalltag abzuwickeln. Und wenn ein Urlaub ein zweites oder drittes Mal verschoben werden muss, versteht es sich von selbst, dass damit keine Freudensprünge ausgelöst werden. Doch ohne den Einsatz und die Kooperation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wären die Anforderungen der vergangenen beiden Jahr nie machbar gewesen.

Aus vielen Betrieben hörte man, dass das Betriebsklima von den unterschiedlichen Einstellungen der Beschäftigten zur Corona-Impfung ziemlich belastet wurde. Kennen Sie dieses Problem nicht?

Natürlich gibt es auch solche Diskussionen. Doch wir haben es gut hinbekommen, auch mit viel feinfühliger Gesprächsarbeit. Ich bin der Überzeugung: Wenn man sich in so extremen Situationen nicht die Zeit nimmt, sich die Probleme der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuhören und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, könnte es das Team wirklich sprengen. Ich bin teilweise im Ultralockdown 6 Stunden am Tag nur mit Mitarbeiter*innen am Telefon gewesen. Aber dafür bekommen wir auch viel Einsatz zurück.

Und wie lang hält der Chef vor diesem Hintergrund noch durch?

Noch lange, mir gefällt was ich mache! Ich motiviere mich stets selbst, indem ich mir sage: ein guter Unternehmer ist einfallsreich, der andere regt sich auf. Deshalb versuche ich, jeden Tag und jede Situation so anzunehmen, wie sie ist, und dann das Beste daraus zu machen. Man kann heute weniger weit planen? Also planen wir eben weniger weit. Wichtig ist, eine rege Kommunikation innerhalb der Teams und viel positive Energie – dann packen wir es alle zusammen schon.