Kampf um die Medienfreiheit
![Herbert Kickl](/sites/default/files/styles/ar/public/2024-09/herbert_kickl.jpeg?h=c5bf3643&itok=eG2tftoK)
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Die Zukunft des ORF entwickelt sich zu einem politischen Machtspiel, wo nicht nur die Frage der Finanzierung geklärt werden muss, sondern auch die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Verhandlungsobjekt wird. Deswegen unterzeichneten zahlreiche ehemalige Journalist:innen des ORF einen Appell an die Unabhängigkeit des ORF. Während die FPÖ nämlich offen massive Eingriffe in die Struktur und Unabhängigkeit des ORF plant, wächst die Sorge vor einem Rückschritt der Medienfreiheit. Eine mögliche „Kickl-Reform“ könnte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schwächen und private Medien sowie Parteimedien bevorzugen, so die Kritiker.
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Der ORF
Der Beginn des österreichischen Rundfunks kann auf das Jahr 1924 datiert werden, bestehend aus einem täglichen mehrstündigen Musik- und Vortragsprogramm der Radiostation RAVAG-Wien (Radio-Verkehrs-Aktiengesellschaft). Erst 1957 entwickelten sich TV-Versuche zu einem regelmäßigen Fernsehbetrieb an sechs Tagen der Woche. Durch das Rundfunkvolksbegehrens 1964 wurde der ORF zu einem unabhängigen Medium, abseits parteipolitischer Verhältnisse.
Um seine Aufgabe als öffentlich-rechtliche Institution zu erfüllen, besteht der ORF aus zwei Kontrollgremien und dem Generaldirektor. Der Stiftungsrat bildet dabei das wichtigste Kontrollgremium, bestehend aus 35 Mitgliedern, welche unter anderem von der Politik nominiert werden und die strategische Ausrichtung des ORF bestimmen. Die Zusammensetzung des Stiftungsrats wird immer wieder kritisiert, da viele Mitglieder auch einer Partei angehören. Der Publikumsrat soll die Interessen der Zuschauer vertreten und die Medienangebote des ORF auf Qualität überprüft. Er soll zur Wahrung der Unabhängigkeit und Neutralität des ORF beitragen. Der Generaldirektor leitet den ORF operativ und ist für die Umsetzung der strategischen Entscheidungen des Stiftungsrats verantwortlich. Diese Struktur soll gewährleisten, dass der ORF seine Aufgabe als vielseitiger und unabhängiger Medienanbieter erfüllen kann.
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Verfassungsgerichtshof: fordert in einem Urteil bis März 2025 umfassende Reformen des ORF, um politische Einflussnahme stärker zu begrenzen und die redaktionelle Unabhängigkeit zu garantieren. Foto: VfgH.at
Durch die Koalitionsverhandlungen und notwendige Reformen steht die Organisation des ORF nun aber zur Debatte. Der Verfassungsgerichtshof forderte in einem Urteil 2023 eine Reform der Kontrollgremien, um die politische Unabhängigkeit des ORF weiterhin zu sichern und die Einflussnahme politischer Akteure zu begrenzen. Laut Verfassungsgerichtshof sei die staatliche Dominanz in den Gremien unverhältnismäßig hoch, weshalb es bis März 2025 eine politische Entscheidung geben soll. Die derzeitige Regierung scheint die Reform auf die nächste Legislaturperiode zu schieben, was den ORF nun unter dem Regierungsauftrag der FPÖ (Freiheitlichen Partei Österreichs) zu einem zentralen Verhandlungsobjekt in den Koalitionsgesprächen macht.
Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird der ORF von allen Haushalten in Österreich über den ORF-Beitrag finanziert, der seit Jänner 2024 15,30 Euro pro Monat beträgt. Zusätzlich wird der ORF von Werbeeinnahmen, Lizenzen sowie ergänzend mit staatlichen Förderungen finanziert. Dieses System könnte durch eine mögliche FPÖ-Regierung gefährdet werden. Die finanzielle Lage des ORF ist bereits angespannt, etwa durch Konkurrenz internationaler Streaming-Plattformen wie Netflix und Amazon Prime oder zunehmend sinkenden Werbeeinnahmen. Eine mögliche Aushungerung des ORF, von der des Öfteren gesprochen wird, durch die neue Regierung könnte verehrende Folgen haben.
„Kickl-Reform“FPÖ-Chef Herbert Kickl hat mehrfach betont, dass er den ORF in seiner derzeitigen Form ablehnen würde. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei staatlich überfrachtet und gehöre zugunsten privater Medien geschrumpft. Seine Pläne könnten auf eine massive Schwächung des ORF und eine stärkere politische Kontrolle über die Medien hinauslaufen. Die FPÖ setzt auf eigene Partei- und Propagandamedien, eine Methode, um mediale Inhalte und Informationen selbst lenken zu können.
Somit könnte nun ein umfassender Umbau des österreichischen Mediensystems erfolgen. Geplant seien personelle Änderungen, Streichung von Programmen sowie eine stärkere Kontrolle über Inhalte. Die FPÖ soll staatliche Förderungen für „freie Medien“, die ihr nahestehen, etwa den rechtsextremen Kanal Auf1, durchsetzen wollen und eigene Parteimedien stärker nutzen. Die Gefahr der Verbreitung von Desinformation anstelle von seriöser unabhängiger Berichterstattung könnte steigen.
Zudem gibt es bereits erste Anzeichen für eine selektive Kommunikationsstrategie der FPÖ, wo kritischere Medien, wie etwas das Magazin „profil“, bereits von Pressekonferenzen ausgeschlossen wurden. Eine FPÖ geführte Regierung könnte somit nicht nur den ORF schwächen, sondern auch die Medienfreiheit in Österreich nachhaltig gefährden.
Vielfalt im ORFDer ORF verfügt über neun Landesstudios, die auf regionale Berichterstattung spezialisiert sind. Diese Studios sind eng mit den jeweiligen Regionen verbunden und bieten lokale Nachrichten und Programme an. Diese Dezentralisierung stärkt die Vielfalt sowie die demokratische Struktur des ORF. Der zur Medienlandschaft Südtirols gehörende Sender „Südtirol heute“ hängt redaktionell vom ORF Tirol ab, wird aber finanziell vom Land Südtirol und der Provinz Trentino gefördert.
Die Veränderungen, die der ORF durch die finanzielle Krise und die politischen Herausforderungen erleben könnte, könnten auch Auswirkungen auf die Landesstudios haben. Wenn der ORF weiterhin unter finanziellen Druck gerät, könnte dies zu einer Verringerung der regionalen Produktion führen oder zu einer stärkeren Ausrichtung auf kommerziell rentable Inhalte.
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