Sind neue Zölle nur Augenwischerei?
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Die Kommission der Europäischen Union (EU) will Zölle für Pakete von Onlinehändlern einführen. Denn alleine im vergangenen Jahr wurden rund 4,6 Milliarden Pakete mit einem Warenwert unter 22 Euro in die EU importiert, rund 90 Prozent aus China – das sei mehr als doppelt so viel wie noch im Jahr 2023.
Ein weiterer Grund für die Bemühungen in Brüssel ist die Sorge um die Produktqualität: Die Billigware erfüllt häufig nicht die europäischen Sicherheitsvorgaben, auch gefälschte Markenware ist dabei. Kontrolliert werden die Pakete nur stichprobenartig, da der Warenwert meist unter der Zollfreigrenze von 150 Euro liegt und der Aufwand somit unvergütet bleibt. Die EU-Kommission hat deshalb ein Reformpaket ausgearbeitet, über das bereits mehrere Medien berichtet haben und das die Aufhebung der Zollfreigrenze vorsieht.
„Einerseits erwarten sie von der EU mehr Engagement bei Transparenz und Nachhaltigkeit, andererseits kaufen sie dann trotzdem billigere Ware aus Drittstaaten.“
In Südtirol wird das Vorhaben der EU begrüßt: Der Präsident des Handels- und Dienstleistungsverbands (HDS), Philipp Moser, plädiert im Rai-Morgengespräch zu mehr europäischen Zusammenhalt gegen unlautere Konkurrenz, etwa von den chinesischen Onlinehändlern Temu und Shein. Der Hotelier- und Gastwirteverband (HGV) teilt in einer Presseaussendung mit, dass der Onlinehandel den lokalen Einzelhandel bedroht und das Verkehrsproblem in Ortschaften verschärft.
Wie EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann (SVP) mitteilt, handle es sich bei der Zollerhöhung um ein Vorhaben, „welches das EU-Parlament schon lange gefordert hat“. Es brauche klare Regeln für einen fairen Wettbewerb, um europäische Produkte und Händler nicht zu benachteiligen. Professor für Industriedesign an der Freien Universität Bozen, Aart van Bezooijen, sieht das ähnlich, allerdings bleibe das Problem auch bei einer Zollerhöhung bestehen: „Die finanziellen Mittel werden nie ausreichen, um jede Ware auf ihre Produktqualität zu überprüfen.“ Er spricht sich dafür aus, dass jene Unternehmen gefördert werden, die bei ihrer Produktion bereits soziale und ökologische Kriterien einhalten, zum Beispiel mit einer EU-weiten Zertifizierung.
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Aart van Bezooijen: „Die finanziellen Mittel werden nie ausreichen, um jede Ware auf ihre Produktqualität zu überprüfen.“ Foto: Julia Knop
EU-Parlamentarier Dorfmann sieht hier einen Doppelstandard vonseiten der Bevölkerung: „Einerseits erwarten sie von der EU mehr Engagement bei Transparenz und Nachhaltigkeit, andererseits kaufen sie dann trotzdem billigere Ware aus Drittstaaten.“ Industriedesigner van Bezooijen fügt hinzu: „Wenn ein Produkt sehr billig ist, dann ist es naiv zu denken, dass auf die Wahl der Rohstoffe und auf Arbeitsbedingungen geachtet wird.“
Stefan Zanotti von Novo kennt die Situation von der Unternehmerseite. Im Jahr 2017 gründete er gemeinsam mit seiner Partnerin Maria Lobis den ersten Unverpackt-Supermarkt in Bozen, letztes Jahr kam ein zweiter in Brixen hinzu. Sich Lieferketten und Produktqualität genau anzusehen, sind Teil seines Tagesgeschäfts. „Die Pläne der EU zielen auf die Wirtschaftlichkeit unserer Unternehmen ab. Europäische Konzerne importieren im Gegensatz zu Einzelpersonen riesige Mengen aus China, sie bezahlen zwar den Zoll, weil ihre Mengen die Zollfreigrenze von 150 Euro natürlich überschreiten, das hat aber nichts mit Nachhaltigkeit zu tun“, erklärt Zanotti.
Es sei schwer abschätzbar, wie Verbraucherinnen und Verbraucher auf die geplante Zolleinführung unter 150 Euro reagieren – die eine Verteuerung der Ware aus dem Onlinehandel zur Folge haben wird. „Ich sehe es im Lebensmittelbereich: 90 Prozent der Bevölkerung sind nicht bereit, für biologische Lebensmittel mehr zu bezahlen, obwohl sie gesünder sind, der Boden und die Bauern nicht ausgebeutet werden“, so Zanotti.
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