Politica | Bär & Wolf

Liebe ISPRA, wie meint Ihr das?

Hätte das Land auch ohne das gestern verabschiedete „Wolfs-Gesetz“ Abschuss-Dekrete erlassen können? Diese Frage stellte sich zumindest im Verlauf der gestrigen Debatte.
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Foto: Seehauserfoto
Mit großer Mehrheit, 25 Abgeordnete stimmten mit Ja, vier mit Nein, zwei enthielten sich der Stimme und drei nahmen nicht daran teil, hat der Landtag gestern das „Wolfs-Gesetz“ verabschiedet. Damit fiel die Meinung, dass in Sachen Wolfsregulierung etwas unternommen und die Nutztiere vor Schäden bewahrt werden müssen, fast noch deutlicher aus als die Bauernbund-Umfrage. Eingebracht wurde das Gesetz von den SVP-Bauernvertretern Sepp Noggler, Arnold Schuler, Franz Locher und Manfred Vallazza; verfasst wurde es in Zusammenarbeit mit dem Bauernbund.
 
 
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Riccardo Dello Sbarba, Landtagsabgeordneter der Grünen: „Warum hatte der Landeshauptmann in diesen beiden Fällen nicht den Mut, ein Abschussdekret auszustellen?“ (Foto: Seehauserfoto)
 
 
Trotz breiter Zustimmung zu den wesentlichen Inhalten, musste sich die Landesregierung aber auch einige Vorwürfe und einiges an Kritik gefallen lassen: Ein Placebo und reine Wahlkampf-Propaganda sei dieses Gesetz, hieß es aus den Reihen der Opposition. In Erklärungsnot geriet Landesrat Arnold Schuler, der bis vor Kurzem immer wieder beteuert hatte, dass das bereits bestehende Gesetz aus dem Jahr 2018 nicht angewandt werden könne, da das Höhere Institut für Umweltschutz und -Forschung ISPRA mangels Nachweise über durchgeführte Herdenschutzmaßnahm – auf gut Deutsch liegt die Schuld bei den Bauern – kein Gutachten ausstellen könne. Dies sei jedoch obligatorisch vorgesehen, auch wenn es sich dabei um ein negatives Gutachten handelt. Im Rahmen der Landtagsdebatte wies Landeshauptmann Arno Kompatscher ebenfalls darauf hin, dass die ISPRA in der Vergangenheit kein Gutachten erteilt hat, weder ein positives noch ein negatives. Für einigen Wirbel und konsternierte Gesichter im Landtagssaal sorgte deshalb das Antwortschreiben auf eine Landtagsanfrage, welche Riccardo Dello Sbarba von den Grünen vor rund einem halben Jahr eingereicht hatte und wonach die Landesregierung sehr wohl Gutachten seitens der ISPRA erhalten hat. Wie es in diesem Schreiben, verfasst von Florian Blaas und unterzeichnet von Landesrat Arnold Schuler, heißt, seien bisher zwei Gesuche zur Entnahme von Wölfen eingereicht worden, und zwar im Falle von Rissen in Villnöss (Kofelalm) und in Prags (Rossalm). „In beiden Fällen hat das ISPRA ein negatives Gutachten erteilt, da die Entnahme unzureichend begründet war“, steht darin zu lesen. „Warum hatte der Landeshauptmann in diesen beiden Fällen nicht den Mut, ein Abschussdekret auszustellen?“, fragte Dello Sbarba zurecht in die Runde und forderte eine Klärung dieses Punktes.
 
 
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Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler: „Ich hätte es in dieser Deutlichkeit nicht sagen bzw. unterschreiben sollen.“ (Foto: Seehauserfoto)
 
 
 
„Ich werde versuchen, den Sachverhalt aufzuklären und nehme es auf meine Kappe, dass ich Landeshauptmann Kompatscher nicht genügend informiert habe“, so Landesrat Schuler. Was die Information des Antwortschreibens auf die Landtagsanfrage betreffe, so sei dieses angebliche Nein seitens der ISPRA nicht korrekt formuliert, was auch intern zu Diskussionen geführt habe. „Ich hätte es in dieser Deutlichkeit nicht sagen bzw. unterschreiben sollen“, betonte Schuler, der erklärte, dass die ISPRA mitgeteilt habe, dass sie sich außerstande sehe, ein positives Gutachten aufgrund mangelnder Information über geleistete Herdenschutzmaßnahmen zu erteilen.
 
 
Wir waren alle der Meinung, dass es keine 24 Stunden vor dem Verwaltungsgericht standhalten würde.
 
 
Intern sei man der Meinung gewesen, dass es sich somit auch um kein negatives Gutachten handle bzw. kein Gutachten wie es im Sinne des Landesgesetzes von 2018 vorgesehen sei. Das Gutachten selbst sei zwar nicht bindend, aber obligatorisch bzw. müsse es entweder in positiver oder negativer Form vorliegen, um ein Abschuss-Dekret unterschreiben zu können, so Schuler, der betonte: „Wir waren alle der Meinung, dass es keine 24 Stunden vor dem Verwaltungsgericht standhalten würde.“
 
 
 
 
 
Damit hat der Landwirtschaftslandesrat vermutlich recht – siehe die Anfechtungen vor dem Verwaltungsgericht in der Nachbar-Provinz Trentino, es stellt sich allerdings auch die Frage, weshalb nicht weitere Gespräche mit der ISPRA gesucht wurden, um die Frage zu klären, wie dieses Antwortschreiben zu interpretieren ist bzw. das Umwelt-Insitut gefragt wurde: Liebe, ISPRA, wie meint Ihr das? Ist das ein Nein oder ein Ja?“ Und wenn wir den Nachweis liefern, dass die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen aus bestimmten Gründen nicht möglich war, bekommen wir dann wenigstens ein Nein? Laut Schreiben seitens des Umweltinstituts hätte die Möglichkeit, Daten und Informationen nachzureichen, nämlich durchaus bestanden.
Spekulationen darüber sind im Nachhinein jedoch müßig bzw. „reitet die Urschl hintnoch“. Nach dem Tod des 26-jährigen Andrea Papi durch eine Bären-Attacke hat sich die Einstellung zum Thema Großraubtierwild in der Bevölkerung grundlegend geändert bzw. hat man anscheinend mittlerweile auch in den Städten erkannt, dass hier nicht nur eine paar Schafe gerissen werden und ein paar Bauern schreien, sondern dass es sich effektiv um Problem handelt, das es zu lösen gilt. Dementsprechend deutlich fiel auch das Abstimmungsergebnis aus, wobei nur die Grünen (Riccardo Dello Sbarba, Hanspeter Staffler und Brigitte Foppa) und Diego Niccolini von der 5-Sterne-Bewegung dagegen stimmten. Die Team K-Abgeordneten Paul Köllensperger, Alex Ploner und Franz Ploner stimmten nicht mit, Maria Elisabeth Rieder, ebenfalls vom Team K, stimmte mit Ja, wie sie selbst sagte aufgrund ihrer bäuerlichen Herkunft und ihres anderen Zugangs zu diesem Thema. Die Abgeordneten der Süd-Tiroler Freiheit, Sven Knoll und Myriam Atz-Tammerle, enthielten sich der Stimme.
Mit dem neuen Gesetz wird der Landeshauptmann ermächtigt, unter bestimmten Voraussetzungen gezielte Maßnahmen zur Entnahme von Problemwölfen zu ergreifen und dies auch im Dringlichkeitswege. Weitere Mittel sehen unter anderem die Vergrämung von Wölfen, ein gezieltes Monitoring wie auch die Erarbeitung eines mit benachbarten Regionen gemeinsamen Wolfsmanagementplans vor. Außerdem können Weideschutzgebiete ausgewiesen werden, vor allem auf jenen Almen, auf denen der Schutz der Herden nicht möglich ist.

 

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G. P. Dom, 06/11/2023 - 17:08

Kennt sich in diesem Wirrwarr überhaupt noch jemand bzw. ein Politiker aus? Jedenfalls gibt es bald mehr Gesetze als Wölfe und Bären ...
Das einzig Sichere ist, dass man in den letzten Jahren effektiv keinen einzigen Schritt weiter gekommen.

Dom, 06/11/2023 - 17:08 Collegamento permanente