Sport | Interview

„Zwei Stunden mit meinen Fischen"

Fast 30 Jahre lang hat sich bei Laura Letrari alles ums Schwimmen gedreht. Jetzt hat sie vom Schwimmer- in den Trainerposten gewechselt und arbeitet beim Heer.
Letrari, Laura
Foto: Facebook
Salto.bz: Frau Letrari, wann haben Sie die Entscheidung getroffen, mit dem Schwimmen aufzuhören?
 
Laura Letrari: Na ja, diese Entscheidung habe eigentlich nicht ich persönlich getroffen. Meine Sportgruppe hat mir letztes Jahr gesagt, ich sei zu alt und würde sowieso nichts mehr gewinnen. Ich wurde also zum Heer geschickt, wollte das aber nicht, ich war nämlich noch nicht dazu bereit, mit dem Schwimmen aufzuhören. Nach längerem Überlegen habe ich die Entscheidung getroffen, für ein Jahr unbezahlten Urlaub zu nehmen und meine letzte Schwimmsaison auf eigene Faust durchzuziehen. Es war schön, meine letzte Saison so zu gestalten, wie ich es wollte. Ich konnte mich so von allen verabschieden und meine letzten Trainingslager und Wettkämpfe alleine planen. Und, dass ich im Dezember noch einmal bei den Italienmeisterschaften Gold holen konnte, ist natürlich eine große Genugtuung für mich.
Meine Sportgruppe hat mir letztes Jahr gesagt, ich sei zu alt und würde sowieso nichts mehr gewinnen. Ich wurde also zum Heer geschickt, wollte das aber nicht.
Dieser Wechsel in ein Leben „nach“ der Schwimmkarriere, muss nicht einfach sein...
 
Auf emotionaler Ebene war es sehr schwierig. Das waren 30 Jahre meines Lebens, die ich mit dem Schwimmen verbracht habe. Vor allem war es nicht so einfach, weil es mir wie gesagt ein bisschen aufgezwungen wurde. Gleichzeitig habe ich mich aber auch sehr erfüllt gefühlt, weil ich als Schwimmerin alles erreicht habe, das ich mir als Ziel gesetzt habe. Aber ja, der Tag, an dem ich zum letzten Mal geschwommen bin, war sehr schwierig für mich: viele Tränen, viele Emotionen und auch heute noch bekomme ich dieses Kribbeln im Bauch, wenn ich zum Schwimmbad gehe. Was mir aber super gefällt, ist, dass ich jetzt in diese andere Welt gesprungen bin und alles, was ich gelernt und von meinen letzten dreißig Jahren mitgenommen habe, meinen Schülern und Schülerinnen weitergeben kann. Hätte ich weitergemacht, wäre es vielleicht nicht so schön ausgegangen. So konnte ich von der Schwimm- direkt zur Trainerwelt übergehen und das macht mich überglücklich. In meiner Karriere habe ich geträumt, erlebt und Erfahrungen gesammelt, das kann mir keiner nehmen — und das hätte mir auch sonst keiner irgendwo geben können.
 
 
 
Wann war für Sie klar, dass das Schwimmen mehr ist, als nur ein Hobby?
 
Ich glaube in der ersten Klasse Mittelschule. Dort wurde alles viel ernster, ich musste den Unterricht früher verlassen, weil es in Brixen noch kein Schwimmbad gab und ich deshalb immer nach Sterzing fahren musste. Mein Tag musste richtig geplant werden, damit ich Zeit für Trockentraining und Schwimmtraining hatte. Da wurde mir klar, alles dreht sich jetzt um meinen Sport und wird dadurch auch zu etwas Wichtigerem.
 

Einen Sport auf professioneller Ebene zu machen, bedeutet auch, dass sich das ganze Leben um diesen Sport dreht und sich daran anpasst. Nun ist das anders. Wie ist diese Veränderung für Sie?


Es ist ein riesen Unterschied aber um ehrlich zu sein eigentlich auf positive Art und Weise. Natürlich ist jede Sportart anders, mit dem Schwimmen ist aber tatsächlich so, dass man wenig Zeit für andere Dinge hat: Freundinnen, Wochenenden, Urlaube oder auch nur sich am Abend in einer Bar treffen — all das blieb auf der Strecke. Seitdem ich aufgehört habe zu schwimmen, kann ich viel mehr meine Freundschaften pflegen, ich habe viel mehr Zeit für mein soziales Leben. Das frühe Aufstehen, jedes Wochenende ein Wettkampf, die Saison dauert ein ganzes Jahr, nur zwei Wochen Pause im Jahr: all das macht es schwierig, auch Zeit für sein Privatleben zu finden. Daher empfinde ich diese Veränderung als positi
Mein Ziel ist es nicht, den nächsten Weltmeister oder die nächste Olympiasiegerin zu finden, sondern die Jugendlichen von dem Druck zu befreien, den sie sich selbst auferlegen.
Könnten Sie sich auch vorstellen, sich beruflich auf ganz etwas anderes zu konzentrieren?
 
Ja, besonders in den letzten Monaten ist mir klar geworden, dass ich gerne plane und Events organisiere. Diesbezüglich versuche ich auch mich weiterzubilden, weil mir das einfach super gut gefällt und mir vorstellen kann, das auch beruflich zu machen. Nichtsdestotrotz: mein Herz kommt nicht ganz vom Schwimmen weg, ich muss auch in dieser Schwimmwelt bleiben. Ich will den Jugendlichen etwas weitergeben und auch, wenn es nur zwei Stunden pro Tag sind, die ich mit meinen Fischen im Schwimmbad verbringe — ich brauche das, um glücklich zu sein. Für mich ist das auch keine Arbeit im eigentlichen Sinne. Ich mache das für sie, damit sie sich entwickeln, wachsen, bewusstere Personen werden können. Das ist eine riesen Aufgabe, die man als Trainerfigur hat.
 
 
 
Vorher haben Sie erwähnt, dass Sie sich sehr erfüllt fühlen, in Ihrer Schwimmkarriere und alle Ihre Ziele erreichen konnte. Welche Ziele waren das?
 
Ja, das konnte ich. Als ich noch ein Kind war beispielsweise, war es immer mein größter Traum, einmal bei Olympia mitschwimmen zu können. Als kleines Mädchen wusste ich natürlich nicht einmal, was Olympia eigentlich ist. Mein Opa erklärte mir es, das war im Jahr 1995. Er schenkte mir damals 2000 Lire, damit sollte ich mir ganz viele Badeanzüge kaufen und bei Olympia mitmachen. So habe ich angefangen, mir das als Ziel zu setzen. Ein weiteres meiner Ziele war, mindestens einmal bei allen internationalen Wettkämpfen mitgeschwommen zu sein, also Olympia, Weltmeisterschaft, Europameisterschaft, Giochi del Mediterraneo, Universiadi um ein paar zu nennen. Ich wollte dabei immer auch mein Land vertreten. Das Schwimmen ist ein sehr internationaler Sport und Italien ist eine starke Nation, für mich war das immer ein großer Stolz meine Heimat repräsentieren zu können. Das war mein Traum und diesen konnte ich verwirklichen.
Mein Opa schenkte mir damals 2000 Lire, damit sollte ich mir ganz viele Badeanzüge kaufen.
Welche Ziele haben Sie jetzt, insbesondere als Trainerin, vor Augen?
 
Vor allem eines, den Jugendlichen zu erklären: es gibt immer eine Lösung, die Welt wird nicht untergehen, auch, wenn manchmal etwas nicht klappt. Ich will ihnen Ruhe vermitteln, Liebe und Leidenschaft zum Sport. Mein Ziel ist es nicht, den nächsten Weltmeister oder die nächste Olympiasiegerin zu finden, sondern die Jugendlichen von dem Druck zu befreien, den sie sich selbst auferlegen. Damit ist dann auch der Erfolg verbunden.
 
Und mit Erfolg auch schöne Momente. Was war der schönste Moment in Ihrer Schwimmkarriere?

Der Moment, als ich meine Mama angerufen habe und ihr erzählt habe, dass ich mich für Olympia qualifizieren konnte. Die Freudentränen meiner Eltern, denn in gewisser Weise erleben die Eltern es ja noch intensiver, wenn ihr Kind seine Träume verwirklichen kann. Auch, wenn meine Schwester Arianna ihr Ziel erreichen konnte, war das sehr emotional für mich. Aber ebenso kleinere Momente, wie zum Beispiel als ich im Jahr 2009 mit dem Schwimmen aus gesundheitlichen Gründen kurzzeitig aufgehört habe. In solchen Situationen richtig zu reagieren und ein tolles Comeback zu erleben, war für mich auf emotionaler Ebene das Tollste — es ist nicht immer die Goldmedaille oder das Gewinnen.
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Hartmuth Staffler Lun, 10/10/2022 - 20:52

"... ich musste den Unterricht früher verlassen, weil es in Brixen noch kein Schwimmbad gab". Das wundert mich doch sehr. Ein Schwimmbad gibt es in Brixen seit dem Jahr 1878, und so alt scheint mir die Frau Letrari nicht zu sein.

Lun, 10/10/2022 - 20:52 Collegamento permanente