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„Manchmal ist es schon schlimm“

Die Autorin Reinhilde Feichter hat die Erfahrungen und Gedanken von 50 Menschen zwischen 17 und 89 Jahren zum Lockdown aufgezeichnet. Stimmen aus dem Lockdown. Teil 4
Lockdown
Foto: upi

Greti, 61   

 
Ich mache ganz banale Dinge wie viele andere auch, onlinekarten und englisch lernen. Ich hab noch nicht angefangen ein Instrument zu lernen, aber Schlutza und Erdäpfelblattlan machen habe ich probiert. Ich suche auch nach netten neuen Masken, finde sie aber nicht immer. Ach ja, und ich gehe jeden Tag am Vormittag eine Runde, je nach Lust und Wetter lang oder kurz. Und ich hab mir die Tageszeitung online bestellt, als Lektüre.
 

Ringo, 67  

    
Solange das Wetter so schön ist, fahre ich mit dem Rad, das ist mein Hobby. Meine Frau arbeitet noch und deshalb koche ich. Das mache ich gerne. Ich habe jetzt auch angefangen, Brot zu backen, so viel, dass ich keines mehr kaufen brauche, mit Dinkel Mehl. Ich gebe auch Sonnenblumenkerne oder Oliven dazu. Für etwas ist der Lockdown also doch gut! 
Auch das Einkaufen besorge ich, dabei bin ich Experte für Angebote geworden und weiß inzwischen genau wo was am günstigsten ist.
Ich finde den Lockdown wichtig und auch den Massentest.
 

Agata, 84

 
Ich mache die Hausarbeiten, ich räume viel auf. Ich hab alle Kästen aufgeräumt und alte Kleider in Caritas-Säcke gegeben. Manchmal ist es schon schlimm. Ich brauche die sozialen Kontakte, weil ich allein wohne. Deshalb gehe ich zweimal am Tag einkaufen. Ich kaufe jedes Mal nur wenig, weil ich einen weiten Weg zum Geschäft habe und nicht schwer tragen kann.
Auch wenn ich die Menschen unter den Masken nicht immer erkenne und nicht mit ihnen rede, aber ich sehe gerne Menschen. Ich mache beim Einkaufen alles sehr langsam und sehe mich satt an den Lebensmitteln und an Menschen. Es ist ein schönes Gefühl, einkaufen zu gehen. Das ist gut für meine Seele. Das war schon immer so, nicht nur jetzt. Ich habe kein Handy, nur Haustelefon.
 
 
Ich mache beim Einkaufen alles sehr langsam und sehe mich satt an den Lebensmitteln und an Menschen.
 

Evelyn,18

 
Um ehrlich zu sein, genieße ich die Zeit im Lockdown! Ich erledige gewissenhaft meine schulischen Pflichten, aber ganz ohne Stress. Während ich sonst immer von Schule zu Musikschule und wieder nach Hause gehuscht bin, kann ich alles von zu Hause machen und mir bleibt endlich wieder mehr Zeit für mich selbst. Das äußert sich in zahlreichen Joggingrunden und Yogastunden für die ich endlich (seit dem 1. Lockdown) wieder Zeit gefunden habe. Auch sonst wachsen mir immer wieder Flausen im Kopf, und ich habe, ganz großmütterlich, angefangen zu häkeln. Glaubt mir, es gibt nichts Entspannenderes neben einer mitreißenden Fernsehserie oder einem interessanten Hörbuch!
Ich kann mich glücklich schätzen, eine solch aktive Freundesgruppe zu haben, die immer da ist, wenn die Laune in den Keller rutscht. Wir haben schon öfter einen virtuellen Brettspielabend veranstaltet und es ist überaus unterhaltsam! Doch leider reicht das dem Original nicht ganz die Hand und die gemütlichen Treffen mit Freunden, aber auch die Pausen in der Schule und die geheimen Zettel dem Banknachbar zuschieben und das über die Lehrer Stänkern vermisse ich doch ganz schön. Doch ich weiß, dass das nicht für immer anhält und freue mich schon wieder auf die besseren Zeiten, wo wir dann zurückblicken und sehen, dass es uns nicht ganz so schlecht gegangen ist.
 

Franz, 66:

 
Ich mache viel Bewegung in freier Natur. Für Körper, Seele und Geist telefoniere und diskutiere ich, hole mir Infos über Medien und PC ein. Als Hilfen und Geräte habe ich Medien, Handy, TV und Zeitungen zur Verfügung. Meine Freundschaften pflege ich live, über Handy und PC. Was ich sonst noch mache ist neue Kochrezepte testen und erfinden. Was ich empfehlen kann: Bergsteigen mit gutem Speck und Wein im Rucksack.
 
Was ich empfehlen kann: Bergsteigen mit gutem Speck und Wein im Rucksack.
 

Marianna, 74

 
Am Anfang des Lockdowns ist mir abends vorgekommen, wieder ein verlorener Tag! Und dass ich nichts gemacht habe. Da hab ich das Handy genommen, auf dem kenne ich mich sehr gut aus, weil mir mein Enkel alles erklärt hat. Und hab mit dem Handy dann alles fotografiert, von früh bis abends, alles was ich gearbeitet habe, Betten machen, staubsaugen, wischen, Geschirr abspülen, Stiege kehren, Fenster putzen, Gemüse aufschneiden, kochen, aufräumen, Teppich ausschütteln, einfach alles hab ich fotografiert. Da hab ich abends gemerkt, wieviel ich geleistet habe!
 
 
Am nächsten Tag ist mir eingefallen, Marianna, fotografier doch einmal alles, was schön ist! Ich hab meine Orchideen fotografiert  und als ich aus dem Fenster geschaut habe, hab ich ein paar nette Leute fotografiert, die unten vorbei gegangen sind. Mein sauber geputztes Wohnzimmer, den Lampenschirm, die selbstgenähten Kissen auf dem Sofa hab ich auch fotografiert und beim Spazierengehen Steine, Bäume, Landschaft. Es war viel Schönes dabei. Ich halte das Schöne jetzt fest während Corona. Zum Glück hab ich ein Handy und kenn mich gut aus und kann vieles auf dem Handy. So ist die Zeit sinnvoll genutzt. Mein Handy soll hochleben! 
 

Sabine, 60            

    
Ich brauche frische Luft und gehe bei jedem Wetter eine Runde, wenigstens zum Einkaufen. Am Morgen mache ich Turnübungen, die mich fit halten. Ich koche mit Leidenschaft, notiere mir Rezepte von Jamie Oliver die er im Fernsehen vorführt und koche sie dann nach. Ich winde mit viel Kreativität Türkränze. Ich mache bei der Strickaktion mit, wo man für Obdachlose Handschuhe, Socken, Kappen stricken kann. Die Wolle spinne ich selbst!  Zurzeit spinne ich viel. Am PC hab ich begonnen, Englisch zu lernen mit dem Programm Duolingo. Angenehm ist der Lockdown wirklich nicht, aber der im März war für mich schlimmer, wo ich gerne in die aufwachende Natur gegangen wäre. Jetzt ist die Zeit wo man sich eher zurückzieht. Da müssen wir durch. Ich hab schon etwas Schlimmeres erlebt. Inzwischen habe ich den Test gemacht und bin negativ. Ich freue mich darüber, doch werde ich mich weiterhin schützen. Für mich gilt: Das schaffen wir!
 
 

Katarina, 80

 
Für Alleinstehende ist der Lockdown eine schwere Zeit. Ich bin alleinstehend. Ich pflege keine Kontakte, weil ich keine Freunde habe. Die sind gestorben. Aber ich grüße die Nachbarn, wenn ich einmal einen sehe und frage wie´s geht. Sie fragen auch wie´s geht und ich sage gut, weil ich gesund bin. Marianna hat mich auf dem Haustelefon ein paarmal angerufen und sie hat mir eine Telefonnummer gegeben von einem psychischen Dienst wo ich anrufen kann, wenn es mir einmal ganz schlecht geht. Bis noch habe ich nicht angerufen. Aber wer weiß, vielleicht irgendwann doch, wer weiß.
Für Alleinstehende ist der Lockdown eine schwere Zeit.

Vinzenz, 48

 
Bitte keinen Namen! Will nicht von Wölfen zerrissen werden. Ich bin Unternehmer und man erwartet von mir, dass ich gegen die Schließung aller Betriebe inklusive Hotels Sturm laufe. Uns Wirtschaftstreibenden ist die Anteilnahme der Bevölkerung gewiss, denn niemand ahnt, dass auch wir für Krisenzeiten etwas auf der hohen Kante haben. Ich gehe nicht ins Detail, doch 3 Monate Lockdown kann ich und andere meiner Branche verkraften. Es darf nicht um Privatinteressen gehen. Anderseits besteht die Notwendigkeit, sich über Angestellte, Bedienstete, Mindestverdiener Gedanken zu machen.
Bitte keinen Namen! Will nicht von Wölfen zerrissen werden.
Deshalb bin ich Befürworter eines Grundeinkommens, wenigstens vorübergehend. Damit könnte jeder über die Runden kommen, ob Kellner, Putzfrau, Sternekoch, Schilehrer, Restaurantsbesitzer. Stattdessen keine Beiträge mehr!
An erster Stelle steht der Schutz der Gesundheit!
Im Kontext gesehen, ist ein Lockdown ein geringeres Übel als Auswirkungen des Klimawandels, die uns noch blühen werden. Den Kampf um Wasser sehe ich als fundamentalste Katastrophe, die auf uns zukommen könnte. 
 

Silvia, 62     

        
Ja, und wie verbringe ich die Lockdown-Zeit? Mit mehr telefonieren und über WhatsApp schreiben, aufräumen im Haus und letztlich viel im Garten, das tu ich als Steinbock sooo gerne! Einmal am Tag eine Runde gehen. Abends mit meinem Freund S. telefonieren und über sooooo vieles reden: über das Leben, Erlebnisse in Kindheit, Jugend, Ehe, Familie, Freunde, Kultur, Politik, Kirche, Liebe…. und lachen, so fühlt man sich überhaupt nicht allein…
Ich habe mich auch mit verrücktem Spielernamen ins online Watten gewagt und auch das macht mir Spaß. Aber um auch etwas fürs „intellektuelle“ zu tun, habe ich mir 3 tolle Bücher gekauft … und werde sie natürlich auch lesen.
Ich stehe morgens gerne auf, weil ich mich so aufs Frühstück freue…es gibt nichts Besonderes, aber ich genieße es. Dann löse ich meistens ein Sudoku, das ist Ritual.