Società | Geschlossener Hof

Ums Erbe betrogen

Ein konkreter Fall, der deutlich macht, wie das Instrument des geschlossenen Hofes missbraucht wird und wie ungerecht die Regelung für die weichenden Erben ist.
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Foto: Suedtirolfoto.com/Helmuth Rier
Ich bin die Tochter eines Bauern und soll in ganz besonders drastischer Weise enterbt werden“, sagt die Frau mit ruhiger Stimme.
Maria* stammt aus einer Gemeinde im Burggrafenamt. Die Akademikerin will ihre Geschichte jetzt öffentlich machen. „Es geht hier nicht nur um meinen Fall“, sagt sie, „sondern es geht darum, wie man in diesem Land die Erbregelung um den geschlossen Hof missbrauchen kann.
Es ist nicht eine Privatangelegenheit. Denn allzu klar ist, dass Höfekommissionen, Gemeinden und auch die Bauernorganisationen mitspielen. Allein dadurch, dass sie diese Machenschaften dulden. Auch die Politik hat bisher kaum etwas getan. „Ich bin immer auf taube Ohren gestoßen“, sagt Maria.
 

Marmor aus Carrara

 
Marias Geschichte in ihren eigenen Worten:
 
Mein Vater ist jetzt 87 Jahre alt und war früher Obstbauer mit rund 5 bis 6 Hektar Apfelwiesen und einem Bauernhaus sowie noch einem zusätzlichen neuen Haus. Ich habe noch einen jüngeren Bruder, der jetzt 51 Jahr alt ist. Bis zum Jahr 2003 war der Hof nicht geschlossen und meine Eltern haben immer gesagt, dass mein Bruder den Hof samt dem älteren Gebäude und ich das neue Haus erben soll.
Im Jahr 2003 hat aber mein Vater ohne mein Wissen mittels Schenkungsvertrag mehrere Grundstücke meinem Bruder geschenkt. Der Bruder hat noch kleinere Grundstücke dazugekauft und einen geschlossenen Hof gegründet. Weil dort kein Bauernhaus integriert war, hat er sich über die Neuerschließung einer Hofstelle eine schöne Villa mitten im Grünen gebaut. Er hat sogar teuren Marmor aus Carrara anbringen lassen.
 
Mein Vater hat in der Zwischenzeit auch seine Grundstücke mit dem älteren Bauernhaus als geschlossenen Hof eintragen lassen, das neue Haus war davon nicht betroffen. Im Jahr 2015 ist meine Mutter schwer erkrankt, und 2 Monate später hat mein Vater mittels eines weiteren Schenkungsvertrags auch den zweiten geschlossenen Hof meinem Bruder geschenkt. Vorher wurde das neue Haus in den geschlossenen Hof integriert. Von all dem habe ich erst nach dem Tod meiner Mutter erfahren. Ich war dann plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass ich mein ganzes Erbe verloren habe.
Im Jahr 2016 hat mein Bruder noch eine Apfelwiese für 800.000 Euro gekauft. Im Jahr 2017 hat er gemeinsam mit einem anderen Mann eine landwirtschaftliche Gesellschaft (azienda agricola) gegründet, mit dem Ziel in der Gegend von Bologna Grundstücke zu kaufen.  Zu diesem Zweck hat er von der Raiffeisenkasse einen Kredit von 3.600.000 Euro bekommen. Den geschlossenen Hof hat er dafür als Sicherheit eingesetzt. Offenkundig muss er über die Grundstücke hinaus noch über ein großes finanzielles Vermögen verfügen, ansonsten würde doch nicht die Bank einen dermaßen hohen Kredit gewähren, und zudem muss mein Bruder über zusätzliche enorme liquide Mittel verfügen, ansonsten könnte er nicht Grundstücke in Bologna aufkaufen.
 
 
Mein Vater hat also rund 5 Hektar Grund und zwei Wohngebäude meinem Bruder geschenkt. Wenn mein Vater stirbt, habe ich laut Höfe-Erbrecht Anspruch auf einen Auszahlungsbetrag, der nach einem allgemeinen Ertragswert des Bauernbundes berechnet wird.
Mein Vater hat also rund 5 Hektar Grund und zwei Wohngebäude meinem Bruder geschenkt. Wenn mein Vater stirbt, habe ich laut Höfe-Erbrecht Anspruch auf einen Auszahlungsbetrag, der nach einem allgemeinen Ertragswert des Bauernbundes berechnet wird. Ich habe gehört, dass diese Summe sehr klein sein wird und nicht einmal einen geringen Prozentsatz von dem ausmacht, was mein Bruder alles bekommen hat.
 

Missbrauch eines Instruments

 
Maria steht mit ihrer Kritik nicht alleine da. Es gibt Dutzende ähnliche Fälle in Südtirol, wo weichende Erben durch die Finger schauen. Weil der Ertragswert der Höfe im Verhältnis zum Realwert lächerlich ist, werden diese Erben mit einem Trinkgeld abgespeist.
Maria weiter:
 
„Ich finde es äußerst ungerecht, dass in diesem Fall die Regelungen des geschlossenen Hofs zum Tragen kommen. Es handelt sich ja nicht um ein ärmliches Vermögen, wo die Existenz des Hofübernehmers in Gefahr ist. Und so ähnlich wird es mehreren weichenden Erben von Obstbauern ergehen. Gesagt wird immer, dass der geschlossene Hof den Zweck haben soll, die bäuerliche Existenz zu sichern. Hier zeigt sich aber, dass der geschlossene Hof dazu dient, enorme Vermögen aufzubauen und andere Kinder zu enterben. Ich finde, dass ich in diesem Fall eklatant benachteiligt und um mein Erbe betrogen werde.
 
Gesagt wird immer, dass der geschlossene Hof den Zweck haben soll, die bäuerliche Existenz zu sichern. Hier zeigt sich aber, dass der geschlossene Hof dazu dient, enorme Vermögen aufzubauen und andere Kinder zu enterben.
Die Regelung zum geschlossenen Hof ist in dieser Form sicher kein Institut mehr zur Förderung der landwirtschaftlichen, kleinbäuerlichen Tätigkeit in Südtirol, wenn ein Hof geschlossen und in Pfand gegeben wird, um damit riesige Ländereien in Italien aufzukaufen.“
 
Die Burggräfler Akademikerin will ihre Geschichte jetzt öffentlich machen, damit sich endlich etwas ändert. So hat sie einen Brief an das Frauenbüro geschickt, in dem sie ihre Situation schildert.
Dass diese Regelung des geschlossenen Hofs auch auf die weichenden Erben der Obstbauern angewandt wird“, sagt sie überzeugt, „ist eine große Ungerechtigkeit, die endlich beseitigt werden müsste,“
Maria dürfte dabei genau den richtigen Zeitpunkt getroffen haben. Der Landtag wird sich demnächst mit der Änderung des Südtiroler Höfegesetzes befassen. Der von Landesrat Arnold Schuler vorgelegte und von der Landesregierung verabschiedete Gesetzesentwurf enthält einige Einschränkungen, die für Obstbauern weit strengere Regelungen bei der Schließung von Höfen vorsehen.
Doch innerhalb des Bauernbundes brandet dagegen bereits Widerstand auf.
 
* Marias Name ist der Redaktion bekannt. Zudem hat sie Salto.bz auch alle in ihrer Schilderung angesprochenen Dokumente, Verträge und Unterlagen zur Einsicht vorgelegt.