Ambiente | start.klar

Vorbereitung auf das Ungewisse

Marc Zebisch und Klaus Unterweger diskutieren am Mittwoch, den 17. Januar im Jugend- und Kulturzentrum UFO zum Thema "Klimawandel und dessen Folgen für Südtirol".
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Marc Zebisch & Klaus Unterweger
Foto: Maja Clara für UFO Bruneck
  • Marc Zebisch und Klaus Unterweger beschäftigen sich fast täglich mit Fragen zur Klimakrise und deren Folgen in Südtirol. Marc Zebisch blickt als Leiter des Zentrums für Klimawandel und Transformation der Eurac aus einer Forschungsperspektive auf die Materie und stellt fest: “Was ehemals nur eine Projektion in die Zukunft war und Forschungsansätze im Stile von „was würde passieren, wenn?“ erfordert hat, ist heute Teil der Gegenwart”. Klaus Unterweger ist als Landesressortdirektor für Bevölkerungsschutz an vorderster Front, wenn es darum geht Entscheidungen zum Schutz der Südtiroler Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels zu treffen. Auch seine Arbeit hat sich in den letzten Jahren maßgeblich verändert: “Die extremen Ereignisse der letzten Jahre und die massiven Schäden, die diese mit sich zogen, führen uns die Verletzlichkeit unserer Siedlungen, Landschaft und Gesellschaft vor Augen und halten den Bevölkerungsschutz beinahe ständig im Krisenmodus”, so Unterweger. Am Mittwoch, den 17. Januar treten Zebisch und Unterweger im Rahmen der start.klar-Reihe zum Thema “Klimawandel und dessen Folgen für Südtirol” miteinander ins Gespräch. Moderiert von Markus Lobis darf man sich im Jugend- und Kulturzentrum UFO in Bruneck also auf einen spannenden, lehrreichen Abend freuen.

    SALTO hat den beiden Experten vorab einige Fragen gestellt:
     

    SALTO: Wo liegen die größten klimatischen Herausforderungen mit Blick auf die nächsten 20 Jahre in Südtirol?

    Klaus Unterweger: Die Folgen von Extremwetter wie Hitzewellen und Trockenheit, Starkregen- und Unwetterereignissen bis hin zu Gletscherstürzen, klimabedingtem Auftreten von Schädlingen und Krankheiten werden das System Bevölkerungsschutz in Südtirol fordern. Es gilt bekannte und neue Naturereignisse besser zu verstehen und ihre eventuellen Kaskadeneffekte abschätzen zu können. Die Folgen des Klimawandels können nur mit einem integralen Risikomanagement vorgebeugt und bewältigt werden, wobei es eine enge Zusammenarbeit verschiedener Bereiche und immer neue Nachbesserungen braucht. Im Bereich der Prävention loten wir zum Beispiel aus, wie - ähnlich dem Schweizer Modell - über einen auf dem Prinzip der Solidarität aufbauenden Versicherungsschutz, Gebäude gegen Schäden durch Naturereignisse wie Hagel, Erdrutsch, Schneedruck, Lawinen oder Überschwemmungen versichert werden könnten. Da Ereignisse auch künftig häufiger und intensiver auftreten werden, wird das auch Auswirkungen auf die Einsatztätigkeit haben. Einsatzkräfte werden öfter und länger im Einsatz stehen und die Rolle der Bürger:innen ist entscheidend. Es wird aber auch notwendig sein, versiegelte Flächen zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass Wasser über private und öffentliche Wasserspeicher so früh wie möglich zurückgehalten wird.

    Marc Zebisch: Südtirol hat sich mit dem Klimaplan 2040 ambitionierte Ziele für den Klimaschutz gesetzt. Diese Ziele sollten konsequent mit entsprechenden Maßnahmen umgesetzt werden. Hier ist die Politik gefragt, aber auch Unternehmen, Verbände und die Bürger, die die entsprechende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Verlagerung des Verkehrs vom Individualverkehr auf den öffentlichen Nahverkehr mittragen und annehmen sollten.
    Bezüglich der Anpassung an die möglichen Folgen des Klimawandels ist Südtirol generell gut aufgestellt, vor allem durch seinen gut aufgestellten Zivilschutz. Die Herausforderungen werden sein, sich auf intensivere Extremereignisse, auch in Intensitäten, wie wir sie bisher noch nicht gesehen haben, vorzubereiten. Neben der Zunahme der Intensität ist dabei die große Unsicherheit eine Herausforderung. Wir können bei der Reduktion von Klimarisiken nicht mehr nur auf die Statistiken von vergangenen Ereignissen bauen.

    Wie haben die klimatischen Veränderungen der letzten Jahre Ihre Arbeit verändert?

    Zebisch: In der Klimafolgenforschung haben wir bisher überwiegend mit Projektionen über den zukünftigen Klimawandel gearbeitet. Jetzt sehen wir vermehrt Extremereignisse wie den Sturm Vaia in 2018, die wir unmittelbar untersuchen können. Was ehemals nur eine Projektion in die Zukunft war und Forschungsansätze im Stile von „was würde passieren, wenn?“ erfordert hat, ist jetzt bereits Teil der Gegenwart. Wir sind mitten im Klimawandel und können die konkreten Folgen untersuchen und viel darüber lernen, wie sich Klimawirkungen aufsummieren und sogenannte „Dominoeffekte“ bilden. Ein Sturm wie Vaia schädigt die Wälder, eine Dürre in 2022 begünstigt den Borkenkäfer, die vom Borkenkäfer geschädigten Wälder schützen weniger gut vor anderen Naturgefahren wie Lawinen oder Steinschlag. Solche komplexen Zusammenhänge zeigen sich erst in der Wirklichkeit, das kann man in der Form kaum für die Zukunft berechnen oder modellieren.

    Unterweger: Zweifelsohne sind in den letzten Jahren Naturereignisse nicht nur häufiger, sondern auch intensiver aufgetreten, was auch auf eine klimatische Veränderung zurückzuführen ist. Die extremen Ereignisse führen uns die Verletzlichkeit unserer Siedlungen, Landschaft und der Gesellschaft vor Augen: Überflutungen, Trockenheit, Fels- und Gletscherstürze, Starkhagel, Muren, Waldbrände und Stürme sind in Südtirol und seinen Nachbarregionen verstärkt aufgetreten und haben massive Schäden mit sich gezogen. Unter anderem hat es in den vergangenen Jahren in Südtirol immer wieder Hochwasserereignisse gegeben, bei denen Überflutungen von größeren Gebieten nur knapp und nur dank des Einsatzes vieler Freiwilliger vermieden werden konnten. Um diese Ereignisse noch früher vorhersehen beziehungsweise deren Auswirkungen noch besser abschätzen zu können, sind die einzelnen Fachbereiche der Agentur für Bevölkerungsschutz im ständigen Austausch mit wissenschaftlichen Einrichtungen, Partnern im In- und Ausland sowie mit den Freiwilligenorganisationen im Zivilschutz, die uns nicht nur im Ereignisfall tatkräftig unterstützen. Immer häufiger kam es die letzten Jahre auch vor, dass der Südtiroler Zivilschutz zur Bewältigung von Ereignissen außerhalb des Landes gerufen wurde. Aber auch andere Herausforderungen wie die Corona-Pandemie, Flüchtlingswellen und Erbeben halten den Bevölkerungsschutz schon fast in einem ständigen Krisenmodus.

    Wie schätzen Sie das Bewusstsein von Bevölkerung und Politik in Bezug auf die konkreten Folgen des Klimawandels in Südtirol ein?

    Zebisch: In den letzten Jahren hat das Bewusstsein stark zugenommen. Die Bevölkerung nimmt die Folgen des Klimawandels wie Hitze, Dürre, Starkregenereignissen oder auch die Borkenkäferproblematik in Südtirols Wäldern wahr. Die Bevölkerung macht sich Sorgen. Aber es ist immer noch schwierig, die Verbindung von einem Bewusstsein zum Handeln herzustellen. Das Problem erscheint zu groß, zu übermächtig, als dass der einzelnen etwas zur Lösung beitragen könnte. Dabei haben wir zahlreiche Möglichkeiten.

     

    Ein Beitrag von Valentina Gianera

     

  • start.klar

    Marc Zebisch hat am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und an der Technischen Universität Berlin promoviert und leitet heute das Zentrum für Klimawandel und Transformation an der EURAC. Mit dem nüchternen Blick eines Wissenschaftlers behält er die Klimafolgen im Auge.
    Klaus Unterweger ist Leiter des Amtes für Zivilschutz und erster Ansprechpartner, wenn es darum geht, Herausforderungen und Bedrohungen im Bereich des Zivilschutzes in Südtirol zu erkennen und deren Folgen einzudämmen.

     

    Der Dialogabend findet am Mittwoch, dem 17. Januar 2024 um 20 Uhr im Jugend- und Kulturzentrum UFO statt und kann zudem via Live-Stream auf SALTO und Facebook www.facebook.com/UFObruneck mitverfolgt werden.

    Info & Links: www.ufobruneck.it