Cultura | Salto Afternoon
Zwischen Bars und Lines

Foto: Privat
Plastikstühle vor der Bühne und zwei voll besetzte Bars am Samstagabend boten dem Projekt zahlreiche Augen und Ohren. Literatur und Musik zusammenzubringen ist fast immer ein Balance-Akt. Sind die Auftrags-Texte (Roberta Dapunt, Maddalena Fingerle, Sepp Mall, Josef Oberhollenzer und Jörg Zemmler) vor der Musik (Chris Costa, Marion Feichter, Mariá Portugal, Kärt Sepp und Yasmo) da, so heißt das oft, dass sich die Musik an sie anpassen muss. Man kann über die hauptsächlich vokalen Vorträge vieles sagen, aber dass sie angepasst wären, nicht. Costa am Keyboard und Drumpad, Portugal an den Drums, mit Schlagwerk schufen den Rahmen und Feichter, Sepp und Yasmo sprengten ihn: Unter der Leitung von Michael Fischer, der als Dirigent bei den live improvisierten Stücken das Wort erteilte, griffen die Sängerinnen in den umfangreichen, in einem hübsch designten Booklet mitgelieferten Textfundus aus Auftragswerken und bedienten sich liberal, wenngleich nicht deckend. Was viel wichtiger war als eine programmatische Abarbeitung eines Librettos, ließ nicht lange auf sich warten und stand den Musiker:innen nach sehr kurzer Anfangs-Spannung ins Gesicht geschrieben: Spielfreude.
Zum Teil arrangierten sie um, nahmen Versatzstücke oder stellten auf den Kopf. Der Monolog des Orpheus hätte aus Sicht der Sängerinnen auch keinen Sinn gemacht, so spricht Eurydike und überhaupt ist Empowerment immer wieder Thema: Man ermächtigt sich der fremden Texte, macht sie sich zu eigen, leistet kreative Mehrarbeit. Jasmos Lieblingstext des Abends, „Tyrannosaurus“, wird zum Backing in welchem Sie mit alltäglichen Befehlen - zur Passworteingabe, gesünderen Leben oder auch einfach von Seiten eines Navis - einen Flow generiert, ohne dass es wirklich um die Botschaft des Textes ginge, nur um den Punkt gegen Ende der Vorstellung aufzugreifen.
Das Resultat ein unglaublich dichtes Set von einer knappen Stunde Dauer, das, ganz zeitgenössischer Jazz, den Texten verschiedene Vortragsformen zuwies, als Nebeneinander, das schon mal wie ein Streitgespräch wirkt, für sich, als Tonspur, den Drums und Backing-Vocals tragen. Gerade der Streit zwischen dramatischem, Contemporary Jazz Vortrag (Sepp) in Ladinischer Sprache auf der einen Seite und deutschsprachigem Rapp (Jasmo freestylte auch über die Textvorgaben hinaus) ein Spannungshighlight, ebenso wie Portugals Drumming-Solo, für welches die Texte Pause machten. In jedem Fall rhythmisch mitreißend und textlich vielfältig, wenn auch die italienischsprachigen Texte im Büchlein den Weg auf die Bühne nicht fanden.
Was blieb, waren mit verschiedenen durch die Musik mit Deutungen geladene Worte, die einen zentral und im Vordergrund, die anderen etwas peripherer, überladener und zum Rhythmus-Element umgemodelt. Eine weitere vorprogrammierte Spannungsebene war der durch und durch internationale Vortrag und die Texte, mit teilweise unumgänglichen Lokalkolorit, wie der ironisch bösen Tirade „Wir sind die besten“, in der sich Südtirol zum Spitzenreiter in allen nur denkbaren Kategorien erklärt und auch einige Figuren des öffentlichen Lebens etwas Fett weg bekamen.
Vielleicht - und wir sprechen hier von einem Pilotprojekt, das bereits fliegen konnte - war die Waagschale der Musik etwas reichhaltiger gefüllt als die der Texte, aber da geht es um Erfahrungswerte. Das von Lene Morgenstern und Miriam Unterthiner erdachte, durch die SAAV und WAAG umgesetzte Projekt ist jedenfalls wiederholenswert, vor allem weil sich ein Abend wie dieser nicht wiederholen lässt und mit einem gänzlich anderen Endprodukt zu rechnen wäre.
Acconsenti per leggere i commenti o per commentare tu stesso. Puoi revocare il tuo consenso in qualsiasi momento.