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Der Fall Smith

Der Konflikt zwischen dem HC Bozen und dem ehemaligen Spieler Austin Smith rückt ein gern verschwiegenes Thema in den Mittelpunkt: Gehirnerschütterungen im Spitzensport.
Austin Smith
Foto: Austin Smith (Instagram)

Am 11. September dieses Jahres platzte in der Galvanistraße in Bozen die Bombe. Man kann davon ausgehen, dass Dieter Knoll wohl nicht selbst auf sein Instagramprofil geschaut hat, jedoch wird es wohl nicht lange gedauert haben, bis die Social-Media-Abteilung mit einem Post eines Ehemaligen an ihn herantrat.

Austin Smith, während der Meistersaison eine der Stammspieler der Foxes, teilte sein Karriereende mit. Einhergehend mit einem durchaus nicht unüblichen Vorgehen des Cracks aus den USA, musste der Präsident des HCB im zweiten Abschnitt des Posts schwere Anschuldigungen gegen ihn und den Verein schlucken. „Ich spielte den letzten Abschnitt der Saison und die Playoffs mit einer schweren Gehirnerschütterung“, offenbarte Smith in seinem Beitrag. Des Weiteren hätte man ihn dazu gezwungen, unter der Einnahme von Medikamenten zu spielen und sowohl Knoll als auch die Teamärzte hätten seiner Verletzung nicht genug Beachtung geschenkt.

Schwere Vorwürfe. Das folgende Prozedere war dann übliche Medienarbeit der Foxes: Es wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht, wo der HCB jegliche Schuld von sich wies und mit detaillierten und ausführlichen Erläuterungen die Vorgänge und Umstände zu Beginn des Jahres auflistete. Außerdem wurde angedeutet, dass dies eine Strategie Smiths sei, um bei ausstehenden Bonuszahlungen gut wegzukommen. Wie so oft stand Aussage gegen Aussage. Am Donnerstag hat sich Smith das erste Mal seit dem 11. September wieder auf Instagram geäußert. Gebetsmühlenartig teilte er nach Aufforderung des HCB mit, dass in Sachen Bonuszahlungen alles geregelt sei. „Es stimmt mich jedoch traurig, die Statements des HCB bezüglich meiner Verletzung zu lesen“ , meint der Amerikaner. Auf Anfrage von salto.bz erklärte Smith, "dass er aus rechtlichen Gründen derzeit leider öffentlich nicht Stellung nehmen kann."

 Es stimmt mich jedoch traurig, die Statements des HCB bezüglich meiner Verletzung zu lesen.
Austin Smith

Nun ja, solche Geschichten gibt es im Sport zu Hauf. Ein Athlet verlässt Verein, tritt mit Abstand einiger Monate nach, der Verein verteidigt sich. Sowohl Taktieren von Seiten des Spielers für eine bessere Entlohnung als auch ellenlange Pressemitteilungen von Seiten der Vereine, um sich selbst zu verteidigen, gab es alles schon mal. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Dennoch könnte dieser unnötig in der Öffentlichkeit ausgetragene Streit etwas Gutes mit sich bringen: Aufmerksamkeit für ein schon seit jeher unter dem Radar fliegenden Thema in der Sportwelt: die Gehirnerschütterung.

Ein prominentes Beispiel vergangener Monate war der Fall Loris Karius im diesjährigen Champions-League-Finale zwischen Liverpool und Real Madrid (1:3). Der junge Deutsche soll nach einem Zusammenprall mit Madrids Sergio Ramos eine Gehirnerschütterung erlitten haben und daher zwei Mal statt nach dem Ball in die Luft gegriffen haben. Tatsächlich sind Sehstörungen sowie Probleme mit Gleichgewicht und Koordination unmittelbare Symptome. Was die Öffentlichkeit mit spontaner Erheiterung wahrgenommen hat, kann für den Sportler jedoch schwerwiegende Folgen haben.

Erste Schritte

Zu Beginn der 00er Jahre hat ein nigerianischer Neurowissenschaftler, Bennet Omalu, das erste Mal auf die schwerwiegenden Folgen mehrerer Gehirnerschütterungen bei Menschen aufmerksam gemacht. Nachdem er die Gehirne zweier ehemaliger American-Footballspieler nach deren Selbstmord untersucht hatte, konnte er degenerative Schäden feststellen. Diese waren Folge einer Chronisch-traumatischen Enzephalopathie, eine neurale Dysfunktion, die Persönlichkeitsstörungen hervorrufen und zudem langfristig Alzheimer und Demenz fördern kann. Nachdem die Studien von Omalu anfänglich auf Unverständnis gestoßen waren und er sogar von der NFL (National Football League, Nordamerikanische American Football-Liga, Anm. d. Red.) angefeindet worden war, sind sie nun weitestgehend anerkannt. Ironischerweise hat man in den Staaten bis her darauf nur insofern reagiert, als man jungen Fußballern bis elf Jahren Kopfbälle verboten hat. Im Football und dem Hockey können sich die jungen Athleten noch immer genüsslich verkloppen.

Während man als Fußballer - trotz Kopfbällen - von Kopfverletzungen eigentlich weitestgehend verschont bleibt, gehören sie gerade in Sportarten wie eben Eishockey und American Football zur Tagesordnung. Die zahlreichen, kontinuierlichen, harten Schlageinwirkungen auf den Körper sind Teil dieser Sportarten. Zwischendurch darf es dann auch mal der Kopf sein. Man darf jetzt natürlich nicht davon ausgehen, dass die Vereine in solch einen Fall das Wohlbefinden der Spieler in den Hintergrund stellen. Professionell organisierte Vereine, wozu zweifelsohne auch der HC Bozen gehört, haben spezialisierte Ärzteteams, die sich dieser Vorfälle mit größter Sorgfalt annehmen. Besonders solche Standardverletzungen wie die Gehirnerschütterung im Eishockey und deren Folgen gehören zum Inventar.

Verletzungen oft unter den Teppich

 

Nichtsdestotrotz sind Geschichten wie jene von Austin Smith keine Seltenheit. Dabei sind es nicht einmal immer die Vereine, die die Initiative ergreifen. Auch die Spieler lassen sich oft ob des persönlichen Drucks, den man als Leistungssportler in Form von teilweise übertriebenem Ehrgeiz nun mal in seinem Naturell hat, von sich selbst zu diesen Entscheidungen verleiten. Auch hier kann Karius als Beispiel dienen. Auch Trainer oder, im Fall der Profis, die Geldgeber sind nicht immer dazu bereit, Athleten pausieren zu lassen, wenn der Angestellte  - etwas überspitzt ausgedrückt - nicht gerade mit einer Kufe im Schädel rumrennt. Auch in den folgenden Spielen droht die Ersatzbank – gerade bei jungen Spielern oft ein grandioses Druckmittel. Doch auch bei anderen Verletzungen wird das gerne so gehandhabt. Sind keine offensichtlichen Wunden oder Symptome erkennbar, "wird das schon gehen". 

Gerade im Falle von Gehirnerschütterungen werden die Dinge manchmal etwas lockerer gesehen, als sie sollten. Ob schuldig oder nicht: Auch beim HCB wird man in Zukunft wohl noch genauer hinschauen. 

Austin Smith hat nun seine Karriere beendet. Inwiefern dies mit seiner Gehirnerschütterung und deren lange mitgetragenen Beschwerden zu tun hat, ist nicht klar. Klar ist, dass er dem HCB Südtirol Alperia schwere Vorwürfe gemacht hat und diese bis heute nicht zurückgenommen hat. Klar ist auch, dass der HCB das so nicht auf sich sitzen lässt. Ausgang ungewiss. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade im Falle von Gehirnerschütterungen die Dinge manchmal etwas lockerer gesehen werden, als sie sollten. Und ob schuldig oder nicht: Auch beim HCB wird man in Zukunft wohl noch genauer hinschauen.