Economia | Tapetenwechsel

Neustart mit Bauchkribbeln

Jahrzehntelang war Rudi Dalvai auf Achse. Nun schließt er das Kapitel Fair Trade und eröffnet die Ritterbar in seiner Heimatstadt Bozen wieder.
Rudi Dalvai
Foto: Salto.bz

Ständig auf dem Sprung, ständig mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht, das von einer schwarzen Brille und weißen Haarwelle eingerahmt wird: So kennt man Rudi Dalvai. In den 1980er Jahren ist der gebürtige Bozner federführend bei der Gründung von Ctm-Altromercato. Die Organisation des Fairen Handels ist heute die zweitgrößte der Welt. Ab 2011 steht Dalvai schließlich der World Fair Trade Organization als Präsident vor. Nun wagt sich der 61-Jährige auf völlig neue Pfade.

Es ist der 11. November 2019, 11 Uhr 11. In der Bozner Silbergasse drängt eine Schar von Menschen in das Lokal mit der Hausnummer 12. Weniger der herannahende Regen oder die ungewohnte Kälte ist es, die sie ins Innere ziehen. Vielmehr ist es der neue Gastwirt: Rudi Dalvai. Dort, in der Ritterbar, will er sein neues Glück versuchen. Er hat etwas Bauchkribbeln, gesteht Dalvai. “Aber ich habe den großen Vorteil, dass ich mich wahnsinnig schnell anpasse.”

 

Bis nicht vor allzu langer Zeit war sein Alltag von stetem Reisen geprägt. “Vor allem als WFTO-Präsident war ich viel unterwegs”, nickt Dalvai. Am 19. September endete seine Ära. Nach acht Jahren an der Spitze des globalen Dachverbands des Fairen Handels durfte er nicht für ein weiteres Mandat antreten. Man habe ihn gebeten, in einer anderen Funktion weiter für die WFTO tätig zu bleiben. Doch nach über 30 Jahren im Fairen Handel habe er gespürt, dass seine Zeit “so langsam ausgelaufen” sei. “Ich habe beschlossen, nicht mehr weiterzumachen, weder auf internationaler noch auf nationaler Ebene.” Mit Ctm-Altromercato, seinem ‘Baby’, das er als treibende Kraft und Integrationsfigur großgezogen hat, habe er sich auseinander gelebt – “ja, das ist ein passendes Wort” – und sich deshalb im Frühherbst gesagt: “Es ist der richtige Moment, zu gehen.”

Stillstehen aber kam für den rührigen Bozner nicht in Frage. “Auf meinen vielen Reisen habe ich eine Passion für kleine Speisen entwickelt – Tapas in Spanien, cicchetti in den bàcari von Venedig”, schwärmt Dalvai. “Dazu kommt, dass ich selbst auch gerne Essen zubereite und daheim für Gäste koche.” So kam eines zum anderen und nach einer Weile auf der Suche ist in der Ritterbar gelandet. In Bozen haben viele die Bar mit bzw. wegen ihrer historischen Wirtinnen Anni und Lella ins Herz geschlossen. Nach drei Jahrzehnten Barbetrieb beschlossen die beiden Frauen 2017 in Rente zu gehen. Per Zufall habe er erfahren, dass die Bar wieder verpachtet wird, berichtet Rudi Dalvai – und sofort zugeschlagen.

 

Nachdem der Bürokratieberg abgearbeitet und das Lokal wieder auf Vordermann gebracht war, hat die Ritterbar am Montag wieder aufgesperrt. Im Inneren hat Dalvai kaum etwas verändert, auch der Name wird derselbe bleiben, versichert er. Vorerst wird er mit seinem Neffen Martin die Gäste bewirten – mit einem Special Guest in der Küche. “Lella wird mir aushelfen und die polpette und den fritto misto zubereiten, den es freitags gibt”, verrät Dalvai. Abgesehen davon setzt er auf ein kulinarisches Angebot, das viel Italien nach Bozen bringt: Fleisch- und Wurstwaren aus der Toskana, Käsespezialitäten aus dem Latium werden zu Aufschnittplatten verarbeitet. “Alles gute, qualitativ hochwertige Produkte von Kleinproduzenten, die ich zum Teil selbst besucht habe und keine Industrieware”, betont Dalvai. Auch Tramezzini und Piadine wie man sie aus dem Veneto bzw. der Emilia-Romagna kennt, soll es bei ihm geben. Später auch lokale Produkte aus Südtirol. Die dazu passenden Weine hat sich Dalvai von einem “vorzüglichen Weinkenner”, dessen Namen er nicht verraten will, empfehlen lassen.

Ob er sich mit seinem Abenteuer nicht etwas weit aus dem Fenster lehnt? Immerhin ist die Dichte der Gastronomielokale in der Gegend um die Ritterbar äußerst hoch. Rudi Dalvai selbst hat in seiner Zeit als Schüler und Student in der Gastronomie Erfahrung gesammelt – und gibt sich entschlossen: “Mindestens fünf Jahre will ich sicher bleiben.” Sicherheit für seinen neuen Lebensabschnitt gibt ihm auch das Wissen, dass er, sollten alle Stricke reißen, “auf der ganzen Welt überall offene Türen” findet. Und tatsächlich steht Dalvais Handy an diesem Montag nicht still. Immer wieder trudeln Glückwünsche von Bekannten und Freunden aus aller Welt ein, die er in seiner langen Zeit unterwegs getroffen hat.