Società | Wohnungsdilemma

Wegen Reichtum geschlossen

Die Caritas stellt die Wohnungsnot in den Mittelpunkt ihrer diesjährigen Kampagne. Aber warum um Himmels Willen tut die Politik im reichen Südtirol nichts dagegen?
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Foto: SALTO/HM
  • Mit 8,7 Milliarden Euro erreicht der Landeshaushalt 2026 ein neues Rekordniveau. Die beeindruckende Zahl ging vergangene Woche durch die Medienlandschaft des scheinheiligen Landes südlich des Brenners. 
     
    Was heute am Vormittag in den Räumlichkeiten der Caritas zu hören war, ist die andere Seite der Medaille. „Es ist noch viel zu tun, vor allem diese Enttabuisierung des Themas Armut“, meinte Caritas-Direktorin Beatrix Mairhofer auf Nachfrage von SALTO, „es muss das Bewusstsein der Gesamtgesellschaft geschaffen werden, damit Umverteilung besser funktioniert.“ In Südtirol finde zwar jeder Arbeit, aber viele Menschen keine geeignete und leistbare Wohnmöglichkeit. Die Gründe sind vielfältig – und so unsozial, dass man sie eigentlich gar nicht auflisten will. Niedrige Löhne und hohe Mieten schaffen mittlerweile ein derartiges Ungleichgewicht, dass die Situation zum Himmel schreit. Leider schaut die Politik zu oder bewegt sich nur sehr träge. Dabei wäre das Geld ja da. Aber wo ist es, wenn es nötig gebraucht wird?
     

    Ein armes Land, trotz seines Reichtums.

  • Antworten auf Armut: Caritas-Direktorin Beatrix Mairhofer bei der heutigen Pressekonferenz. Foto: SALTO/HM
  • „Wohnungsnot betrifft längst nicht mehr nur Menschen, die auf der Straße leben“, betont die Caritas-Direktorin. Auch Alleinerziehende, ältere Alleinlebende, Berufstätige mit geringem Einkommen oder junge Erwachsene ohne familiären Rückhalt finden kaum noch leistbaren Wohnraum oder kämpfen darum, ihre Wohnung zu halten. Die Ursachen seien vielfältig: stark steigende Mieten und Nebenkosten, der Mangel an verfügbarem Wohnraum, touristische Nutzung und bewusster Leerstand ebenso wie fehlende soziale Netzwerke und die Angst vieler Vermieter, an Menschen in prekären Lebenslagen zu vermieten.
     

    Auffällig sei der wachsende Anteil an Frauen, insbesondere Alleinerziehenden, die aufgrund fehlender Kinderbetreuung keine angemessene Arbeit finden und damit keine Wohnung bezahlen können.


    In der Landeshauptstadt Bozen (aber nicht nur) sind die Mietpreise in den letzten Jahren unverschämt und für viele Bewohnerinnen und Bewohner ins beinahe Unermessliche gestiegen. Damit übersteigen die Mietkosten deutlich die empfohlenen Grenzen des Einkommens. Fast jede dritte Person in der Schuldenberatung sucht Hilfe wegen Mietschulden oder unbezahlter Wohnkosten. „Ein Zuhause ist mehr als vier Wände – es bedeutet Würde und Sicherheit“, betonte Danilo Tucconi, Leiter des Bereichs Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Im vergangenen Jahr fanden über 1.000 Menschen in Caritas-Einrichtungen ein Dach über dem Kopf. Auffällig sei der wachsende Anteil an Frauen, insbesondere Alleinerziehenden, die aufgrund fehlender Kinderbetreuung keine angemessene Arbeit finden und damit keine Wohnung bezahlen können.

  • Teilen erwünscht: Pressekonferenz am Tag des Hl. Martin. Brigitte Hofmann, Danilo Tucconi, Beatrix Mairhofer, Petra Piller und Renata Plattner. Foto: SALTO/HM

    Hinter der Wohnungsnot stehen mehrere Entwicklungen: „Der demografische Wandel hat zu einer Zunahme von Einpersonenhaushalten geführt“, erläuterte Mairhofer bei der Pressekonferenz, „die Zahl der Haushalte ist in den letzten 50 Jahren um 113 % gestiegen, die Bevölkerung aber nur um 23 %.“ Zudem werden viele Wohnungen einfach leer gelassen oder touristisch genutzt. Diese Faktoren verschärfen die Lage auf dem Wohnungsmarkt erheblich. Trotz rund 17.000 leerstehender Wohnungen in Südtirol bleibt der Zugang zum Wohnmarkt schwierig. Die Caritas fordert Maßnahmen, um diese Leerstände zu aktivieren und sozial nutzbar zu machen. Wohnen darf kein Luxusgut werden – es ist Voraussetzung für Sicherheit, Würde und soziale Gerechtigkeit. „Das wird ja immer wieder von politischer Seite gesagt: Es fehlt nicht am Geld“, erklärt Mairhofer, „natürlich muss man es in die richtige Ressource stecken, aber dafür braucht es meines Erachtens noch einiges an Arbeit.“ 

    Die Caritas-Vorstellung am religiösen Gedenktag des "Heiligen Martin" hat einmal mehr gezeigt, wie scheinheilig sich Südtirol mit seinem protzigen Landeshaushalt gibt – auch wenn nur ein Bruchteil davon dem Sozialen zugutekommt. 
    Ein armes Land, trotz seines Reichtums.

  • Im Rahmen der Kampagne öffnen am Freitag, den 14. November, die Einrichtungen der Caritas im Bereich Wohnungs- und Obdachlosigkeit ihre Türen. Interessierte Bürgerinnen und Bürger, Schulklassen, Partnerorganisationen und Institutionen sind eingeladen, sich ein Bild von der Arbeit vor Ort zu machen. Mit der der Kampagne „Not ist näher, als du denkst“, die rund um den Caritas-Sonntag am 16. November (zugleich der Welttag der Armen) stattfindet, will die Caritas auf die zunehmende Wohnungsnot aufmerksam machen