Arbeitnehmer überwiegend zuversichtlich

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Klimaschutz erfordert nicht nur eine fossilfreie Energieversorgung, sondern auch mehr Energieeffizienz und die Einsparung knapper Energie, die immer teurer wird. Die damit verbundenen betrieblichen und privaten Investitionen belasten Geringverdiener und Arbeitnehmerhaushalte naturgemäß stärker. Wie sehen die Arbeitnehmenden selbst diese Herausforderung? Wie schätzen sie den Anspruch Südtirols ein, bis 2040 die Klimaneutralität zu erreichen? Überraschend positiv, denn 62,3% zeigen sich laut Frühjahrs-AFI-Barometer überzeugt, dass Südtirol das in 15 Jahren schaffen kann. Die Jüngeren sind zwar etwas skeptischer, aber unabhängig vom Einkommen sind rund zwei Drittel der Arbeitnehmerschaft zuversichtlich. Immerhin 61,2% der Befragten stufen den Klimaschutz auch als wichtig oder sehr wichtig ein.
Handlungsmöglichkeiten bei der Mobilität
Da in Südtirol 44% der CO2-Emissionen durch den Verkehr verursacht werden, muss bei den verkehrsbedingten Emissionen angesetzt werden. Die Bereitschaft zum Umstieg auf Bahn und Bus hängt – aus Sicht der Arbeitnehmenden – stark von Wohnort und Angebot ab. Wenn Tarife, Frequenzen, Anbindung an ÖPNV passen, sind immerhin 67,4% der Arbeitnehmenden bereit umzusteigen. Allerdings kann die Hälfte der Betroffenen den eigenen Arbeitsplatz zurzeit nicht optimal mit dem ÖPNV erreichen, weil dies zu lange dauern würde.
Den Einkauf eines E-Autos zieht ebenfalls eine Mehrheit in Betracht, wobei die heutigen Kosten solcher Fahrzeuge in der Regel von Arbeitnehmenden nicht leicht geschultert werden können. Wenn die Preise für E-Autos deutlich niedriger wären, würde immerhin 64,1% der Arbeitnehmerschaft auf ein voll batteriebetriebenes Auto umsteigen. Wenn es ausreichend Ladesäulen im ganzen Land gäbe, würden 57,2% ein batteriebetriebenes Auto wählen.
Entscheidend für das Mobilitätsverhalten sind, wie aus dem Frühjahrs-AFI-Barometer hervorgeht, für Arbeitnehmende am Ende die konkreten Kosten: erst wenn die Preise für Benzin und Diesel auf das Doppelte des heutigen Preises gestiegen sein werden, werden sich 40,8% für den Umstieg entscheiden, nur 59,2% würden dies auch schon vorher tun. Erst wenn man mit dem ÖPNV gleich schnell und kostengünstiger ans Ziel kommt, sagen 62%, würde man umsteigen. Bei den Geringverdienern unter den Arbeitnehmenden teilen 70% diese Einstellungen, mit anderen Worten: solange die Nutzung des eigenen Diesel-Benzin-PKW billiger erscheint, wird man eher dabei bleiben.
Wie steht es mit der Gebäudeheizung?
Immerhin scheinen 47,6% der Arbeitnehmerhaushalte heute schon fossilfrei zu heizen, also mit Biomasse, Fernwärme oder Wärmepumpe. Das Problem der Klimabelastung durch Öl- oder Gasheizungen wird aber von der großen Mehrheit erkannt. Nur mehr 30% sehen in solchen fossil betriebenen Heizungen kein Problem.
Die Kosten der Umrüstung spielen aber eine wesentliche Rolle. Erst wenn die Anschaffungskosten für eine Wärmepumpe und die entsprechenden Stromkosten für ihren Betrieb sinken, werden sich 50,8% der Arbeitnehmenden diese überhaupt leisten können. Erst wenn das Land diese Heizungsumrüstung stärker fördert, kommt sie für knapp 60% überhaupt in Frage. Ein Drittel der Befragten will überhaupt erst umrüsten, wenn fossil betriebene Heizungen verboten werden. Bekanntlich rentiert sich die Heizungsumrüstung im Fall von Wohnungen im Altbaubestand erst bei ausreichender Thermosanierung (Klimahaus A oder B). Erst dann greift auch die volle Förderungsmöglichkeit durch das Land. 44,8% der Arbeitnehmerfamilien können sich diese Investition zurzeit nicht leisten.
Bei den Geringverdienern wird dies nochmals deutlicher: 40% dieser Arbeitnehmenden würde die alte Öl- oder Gasheizung überhaupt erst dann ersetzen, wenn sie verboten würde. Das wird vor 2040 nicht der Fall sein, weshalb Südtirol 2040 auch nicht de facto klimaneutral sein wird.
Damit wird ein Kernproblem bei der angestrebten Heizungswende offensichtlich. Sie scheint den einkommensschwächeren Teil der Gesellschaft finanziell zu überfordern, auch weil die nötigen Ersparnisse einfach nicht verfügbar sind. Somit liegt auch hier der Ball bei der Politik: die Anreize für die Umrüstung der Heizungen müssten deutlich ausgebaut und die Kosten für die Geräte gesenkt werden.
Rahmenbedingungen entscheidend
In Südtirol ist die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft und die Energiewende technisch und wirtschaftlich machbar. Doch ob sie bis 2040 schon gelingt, hängt nicht nur vom Konsens und der Handlungsbereitschaft der Bevölkerung ab. Der Klimaschutz ist auch eine zutiefst soziale Frage. Sowohl die direkte Verantwortlichkeit für die CO2-Emissionen, als auch die konkreten Folgen der Erderhitzung und die finanziellen Handlunsgmöglichkeiten sind sozial sehr ungleich verteilt. Der Weg zur klimaneutralen Gesellschaft ist nicht für alle gleich einfach oder beschwerlich. Während dem einen der Umstieg auf einen vollelektrischen PKW leicht fällt, bleibt dies für andere derzeit unerschwinglich. Während die einen in klimafreundliche Wärmepumpen bei Vollsanierung des Hauses mit Photovoltaikbetrieb investieren können, fehlt Geringverdienern dafür das nötige Sparkapital. Umso überraschender ist, dass sich die deutliche Mehrheit der Arbeitnehmenden überzeugt zeigt, dass diese Umstellungen zu schaffen sind, sofern einige wesentliche Rahmenbedinungen geschaffen werden. Damit liegt der Ball wieder ein Stück weit bei der Politik.
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