Cultura | Stadttheater Puccini

Neuer Glanz im alten Jugendstil

Nach aufwendiger Restaurierung öffnet das Meraner Stadttheater zum 125-Jahr-Jubiläum in erstaunlichem Jugendstilglanz und Mozarts „Don Giovanni“.
Meran Theater Jugenstil Puccini
Foto: Seehauserfoto
  • Es war alles andere als eine leichte Baustelle, erzählte Jutta Telser, Präsidentin des Stadttheater- und Kurhausvereines, auf dem Weg zum ehrwürdigen Gemäuer des Stadttheaters Puccini in Meran. Durch den offenen Hintereingang dröhnen Bohrer, Hammer, Staubsauger und Sägen. Über Kabel und an Werkbänken vorbei in den hinteren Bühnenbereich, auf die Bühne und dann … stockt der Atem. Plötzlich steht man im Theatersaal, der sich stolz in einem Farben- und Formenspiel präsentiert, die ihresgleichen suchen. Eine prachtvolle Wiedergeburt. SALTO erhascht einen ersten Blick ins frisch restaurierte Puccini-Theater und wird durch die Säle, Ränge und Geschichte des Theaters geführt, das am 29. August mit Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Don Giovanni eröffnet werden soll.

  • Stadttheater Meran - Teatro Puccini: Bereits von außen ist das Stadttheater ein Schmuckstück. Am Zentauer und der Shpinx vorbei erhaschen wir einen Blick ins Innere. Foto: Seehauserfoto
  • Ein Farbenspektakel

    Auch das Laienauge erkennt, dass hier Klischees gebrochen werden oder besser gesagt wurden vor 125 Jahren bereits Klischees gebrochen. Der Preußisch-Blaue Blumenhimmel rund um den großen Saal-Kronleuchter stimmt sich etwas skurril, aber anregend, mit dem kräftigen Orange abstimmt. Schwungvoll, mutig. Ebenso wie die Schauspielerinnen und Schauspieler, die hier spielten und spielen werden. Pastell-violette Teppichwände halten sich dezent zurück und die dunkelroten Polsterungen auf den Rängen betonen die aufwändigen und zahlreichen Blattgold-Verzierungen. Bei den Blumen-Reliefs wird die Art noch diskutiert, jedoch deuten die goldenen Blütenherzen und die weißen Blütenblätter auf Edelweiß. Ober der Bühne thront der Landesadler nun in roter Farbe.

  • Münchner Jugendstil: Beinahe sind die Renovierungsarbeiten abgeschlossen. Bereits jetzt imponiert das überraschend dynamische Farbspektakel. Foto: Seehauserfoto
  • Avantgarde – Kino – Elitenprojekt

    Das Theater scheint sich einer immer farbenfrohen Zeit anzupassen, aber das stimmt so nicht ganz. Telser erklärt, dass das damalige Meraner Theaterbaukomitee in ganz Europa architektonische Eindrücke sammelte, mit der Ambition ein Theater zu bauen, das keine Schablone bereits existierender Theater war. Dies gelang dem jungen Münchner Architekten Martin Dülfer, der hiermit sein erstes Theaterprojekt entwarf. Die Besonderheit: in zahlreichen sichtbaren und unsichtbaren Details erkennt man Innovation, Mut und Ästhetik. Die Fassade ist, laut Telser, eine Kombination aus Klassizismus und Jugendstil – Dülfer gilt als Wegbereiter des Münchner Jugendstils – und die farbenprächtige Innenraum-Gestaltung trotze den damals klassischen Theaterfarben. Der Architekt entschied sich für Gelb-Violett, Blau-Orange und Rot-Pastellgrün. Eröffnet wurde das Theater, nach 14 Monaten Bauzeit, am 1. Dezember 1900.

  • Den ewigen Spöttern

    Der Meraner Bevölkerung gefiel ihr Theater, so schreibt Telser in ihrer historischen Analyse, und die „Meraner Zeitung“ widmete den ewigen Spöttern, die wir auch heute noch wiedererkennen am 05.12.1900 das folgende Gedicht:

     

    Lasst sie lästern unsre guten Alten,

    unten stehn sie blickend zum Centaur

    keinem will den Arm er richtig halten,

    allen graut noch vor des Tempel Mau’r.

     

    Diesem ist die Wand zu kahl und nackend,

    jenem scheint das Lila blauer Dunst,

    Die Geschichte des Theaters in Meran

    Drittem gar der Stil zu wenig packend,

    doch sie alle – Kenner hoher Kunst!

     

    Warten, Zeit uns gönnen und erst schweigen.

    Schauen und nicht eilig Hohn nur speien,

    Zukunft soll und Neujahrhundert zeigen,

    ob dies Haus nicht werth die höhern Weihen.

     

    Nun die Säulen stehn, und sanfte Bogen

    Wölben sich zum sonnenlichten Blau -

    Wenn das Hohngewölk sich längst verzogen,

    wirst du blühen, stolzer Dülfer-Bau!

  • Seitdem hat das Meraner Stadttheater viel erlebt. Nach täglichem Theaterbetrieb im frühen 20. Jahrhundert, wurde es für kurze Zeit geschlossen und wurde dann von lokalen Ensembles und italienischen Gastspielen wiederbelebt. 1937 benannte der italienische Kurverwalter das Stadttheater mit „Teatro Puccini“, da dieser eine Nacht in Meran verbracht hätte – eine alte Meraner Tradition Straßen, Schlösser und offenbar auch Theater nach Kurzaufenthalts-Gästen zu benennen. Heute trägt das Stadttheater den Namen: „Stadttheater Meran – Teatro Puccini“. Nachdem das Theater für die Ära der 1930er in ein Kino verwandelt wurde, kam der Krieg.

  • In den Publikumsreihen: Es stellte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus die Frage, ob das Stadttheater ein Elitenprojekt war. Foto: Seehauserfoto
  • Elitenbau oder Stadttheater?

    Im Jahr 1971 restaurierten das Architektenpaar Willy und Lilly Gutweniger das Gebäude. Die dunkle Farbgebung der Gutwenigers war zwar nur eine weitere der fünf Schichten auf den Originalfarben, distanzierte jedoch beträchtlich vom farbenfrohen Jugendstil. Zudem waren die Arbeiten mit hohen Kosten verbunden und wurden als Elitenbau kritisiert, was zu einer der wenigen Protestaktionen bei der Eröffnung am 28. November 1978 führte. 

    Der neu etablierte Stadttheater- und Kurhausverein setzte jedoch im neuen Statut fest, dass „Veranstaltungen von öffentlichen Körperschaften, künstlerisch-kulturellen Vereinen oder Theaterunternehmungen“ dienen muss, wie Telser im historischen Rückblick festhält. Die Bevölkerung bekam ihr Theater zurück und der Veranstaltungskalender blieb bis zu den aktuellen Renovierungsarbeiten mit verschiedensten Inhalten gefüllt.

  • Rinascimento

    Was als pragmatische Maßnahme begann, entpuppte sich als Beginn einer Reise in die Vergangenheit und Zukunft. Im Jahr 2020 wollte der Kurhaus- und Stadttheaterverein endlich die in die Jahre gekommenen Kinosessel der 1970er Jahre ersetzen. Neue Sitze, eine moderne Saalheizung – funktional, notwendig, wenig spektakulär. Doch die politische Lage war kompliziert: Die Gemeinde Meran stand unter kommissarischer Verwaltung. Merans damalige Kommissarin Anna Bruzzese, von Rom entsandt, erschien vorerst an langfristigen Projekten wenig interessiert – bis zu jenem Lokalaugenschein. Zufällig fiel kurz zuvor die originale Farbfassung auf und so schlug Stadtbaumeister Wolfram Pardatscher vor, vor der Auswahl neuer Sessel eine schmale Wandachse freizulegen. Als Pardatscher diese der Kommissarin zeigte, war sie vom Projekt überzeugt. Was diese kleine, mutige Geste auslöste, hätte niemand ahnen können.

     

    „Das Wellenfries in leuchtendem Orange, sattem Gelb und kräftigem Violett war eine Überraschung“

     

    Zarte Blau- und Rottöne, ein geheimnisvoll schimmernder Wellenfries in Orange, Gelb und Violett – ein Farbenrausch, der von Jugendstil-Träumen und einem künstlerischen Aufbruch um 1900 erzählte. Plötzlich rückte nicht mehr nur die Frage nach einer geeigneten Bestuhlung in den Mittelpunkt, sondern ein ganzes Raumkonzept, das seine Wiederentdeckung geradezu forderte. Arch. Markus Scherer mit der Projektleitung und die Restauratoren Gemeinschaft Zingerle/Nerobutto/Pescolder gewannen den Wettbewerb für die Restaurierung, unterstützt und beraten von Bauforscher Tim Rekelhoff konnte die Arbeit an der imposanten Stuckdecke des Stadttheaters beginnen. 

  • „Das Wellenfries in leuchtendem Orange, sattem Gelb und kräftigem Violett war eine Überraschung“, betont Telser. Obwohl historische Fotografien existierten, hatte sich niemand vorstellen können, dass sich hinter dem einheitlichen Anstrich eine derart kühne Farbkombination verbarg. Aber das stolze Lächeln im Gesicht der Präsidentin, der Restauratorinnen und Restauratoren sowie aller Anwesenden wird der einzigartigen Pracht des Stadttheaters gerecht. Nun steht die Vollendung kurz bevor, den Zuschauerraum des Theaters in seinem ursprünglichen Glanz auferstehen zu lassen. 

    Ein Glanz, der bereits zum Junibeginn internationale Aufsehen auf sich zieht. Die New York Times verfasst eine ausführliche Reportage, in der die Restauratorinnen und Restauratoren zu Wort kommen und die Geschichte des Stadttheaters dargestellt wird: „A Theater Returns to Ist Multicolor Art Nouveau Glory“ (Ein Theater erstrahlt wieder in seinem farbenfrohen Jugendstil-Glanz“.

  • Präsidentin der Stadttheater- und Kurhausverwaltung Jutta Telser, Operndirektor Marcello Ferra, Bürgermeisterin Katharina Zeller und Antonella Costanzo bei der Vorstellung von "Don Giovanni" anlässlich der 125 Jahre Jubiläumseröffnung des Stadttheaters. Foto: Seehauserfoto
  • Nach eineinhalbjähriger Restaurierung und pünktlich zum 125-jährigen Jubiläum findet am 29. August die Wiedereröffnung des Stadttheaters statt. Drei kostenlose Aufführungen am 29., 30. und 31. August von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Don Giovanni“ stehen auf dem Programm, organisiert von der Stadtgemeinde Meran, dem Stadttheater- und Kurhausverein sowie dem Verein Conductus. Die musikalische Leitung obliegt Marcello Fera: „Ich liebe das Stück und ich freue mich sehr darauf es hier im Stadttheater aufführen zu können. Die Renovierung bringt auch praktische Vorteile mit sich, unter anderem die bessere Akustik durch die neuen Böden im Publikumsaal“. Die Oper wird von jungen Sängerinnen und Sängern aus Italien und Spanien, begleitet von renommierten Ensembles und Chören, auf die Bühne gebracht.