Renzi, Zingaretti, Pd
Foto: LaPresse/Stefano Costantino
Politica | Neuwahlen in Italien

Die Machtgier des Bademeisters

PD-Chef Zingaretti weist Renzis Vorschlag einer Kooperation mit der Fünf-Sterne-Bewegung entrüstet zurück.
Italiens Bademeister wirft das Handtuch. Überraschend und mit gewohnt lässiger Geste. Damit sorgt Matteo Salvini in der politisch zu Ferragosto traditionell
ruhigen Szene für ungewohnte Aufregung. La Stampa widmete dem Ereignis allein am Samstag die ersten 12 Seiten und legte am Sonntag weitere sieben nach. Governo del presidente ? Governo di scopo ? Governo di transizione?  Spekulationen, die uns in den kommenden Wochen täglich begleiten werden. 
Doch warum wirft ein aus Sicht der Bevölkerung durchaus erfolgreicher Innenminister und Vize-Premier, der das Land vom Strand regiert und die Nachfrage nach selfies in Badehose kaum befriedigen kann, plötzlich das Handtuch ? "Per capitalizzare il consenso", wie er seinen engen Mitarbeitern diskret versicherte. Mit anderen Worten: noch mehr Macht. Einen Erfolg hat er damit bereits erzielt, freilich an unerwarteter  Stelle: der Partito Democratico ist tief gespalten.
Matteo Renzi, der die Mehrheit der PD-Parlamentarier vertritt, plädiert öffentlich für eine Koalition mit den bisherigen Erzfeinden der Fünf-Sterne-Bewegung, um den Vormarsch der Rechten zu stoppen: un "governo istituzionale". Parteichef Zingaretti weist diesen Vorschlag empört zurück: "Daremmo a Salvini un immenso spazio." Auf den Plan tritt überraschend auch einer, der für surreale Stellungnahmen schon immer gut war: Beppe Grillo. Der Gründer des M5S macht sich plötzlich für einen "patto contro i barbari" stark. Auch die strenge Regel, wonach Volksvertreter nach zwei Legislaturen abtreten müssen, könne gekippt werden, um das Ausscheiden Di Maios und anderer Spitzenvertreter aus dem Parlament zu verhindern.  Dem Vernehmen nach verhandelt Renzi bereits mit den bisher verhassten Grillini. 
Vieles von dem, was etwa der Corriere am heutigen Montag auf 12 Seiten zur Regierungskrise schreibt, ist Polit-Klatsch und kann getrost überblättert werden.  Denn zunächst müssen die Fraktionssprecher des Senats aus dem Urlaub zurückbeordert werden, um über das das Datum des Misstrauensvotums gegen Premier Giuseppe Conte zu entscheiden. Der 19. oder 20. August sind die ersten dafür möglichen Tage. Wieviele Senatoren ihren mit Familien angetretenen Ferragosto-Urlaub dafür unterbrechen, bleibt  abzuwarten. Und wie viele werden dem eigenen, durchaus erfolgreichen Premier Conte das Misstrauen aussprechen,  um Salvinis Macht zu zementieren ? 
Viele im Partito Democratico und in den Reihen der Minderheitenfraktion könnten Conte das Vertrauen aussprechen und  Salvinis Höhenflug einen argen Dämpfer zu versetzen.
Der Mann, in dessen Hand die Lösung der Regierungskrise liegt, hüllt sich indessen wie gewohnt in diskretes Schweigen:  Staatspräsident Sergio Mattarella dürfte in einem "governo tecnico" die günstigste Lösung sehen. Mit einem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichts wie Valerio Onida oder Giovanni Maria Flick als Regierungschef. Natürlich fehlt es in den Zeitungen nicht an Namen möglicher Minister- von Mario Draghi bis Carlo Cottarelli.  Wahrscheinliche Wahltermine sind der 20. und 27. Oktober.  Doch bereits am 15. muss Italien in Brüssel seinen Haushalt hinterlegen. Auf dem Weg dahin liegt Anfang September ein politisch wesentliches Ereignis: die letzte nötige Abstimmung über jene Verfassungsreform, die die Anzahl der Parlamentarier um ein Drittel verkürzt und die von Kammer und Senat bereits zwei Mal gutgeheissen wurde. Salvini wird alles unternehmen, um dieses Anliegen zu Fall zu bringen - in eklatantem Widerspruch zu seinem fast täglich wiederholten Motto: "A me le poltrone non interessano."