Resiliente Museen
salto.bz: Wie blicken Sie in die derzeitige Südtiroler Museumslandschaft? Verärgert? Nachdenklich? Optimistisch?
Marlene Messner: Natürlich optimistisch, das entspricht nicht nur meinem Wesen, sondern auch meiner Überzeugung, dass die Museen in Südtirol über genügend Resilienz und Potential verfügen, um auch aus der derzeitigen Krise zu kommen, sie sind durch öffentliche Beiträge und/oder starke ehrenamtliche Arbeit getragen und werden Wege finden, mit neuen Situationen umzugehen.
Verärgert bin ich deshalb, weil nicht nur die Kulturorganisationen und die Kulturschaffenden, sondern auch die kulturinteressierten Menschen vergessen werden. Für mich gibt es ein elementares Bedürfnis, Kunst/Kultur zu erleben und an Kunst/Kultur zu wachsen. Leider hat sich in der Pandemie gezeigt, dass Bildung und Kultur keine Lobbys haben, wohl aber Wirtschaft und Sport.
Südtirol Entscheidungen werden mächtigen Lobbys und Gruppierungen getroffen, die weniger an Bildungskapital interessiert sind, sondern an der Absicherung ihrer Pfründe.
Wie sehr hat die Corona-Pandemie die lokale Museumslandschaft tatsächlich getroffen?
Dies ist sehr unterschiedlich, weil die Museumslandschaft in Südtirol sehr divers ist. Die Mehrzahl der Museen hat im Winter geschlossen, aber die städtischen und themenbezogenen Museen sind auch im Winter offen und werden in dieser Zeit vor allem von Schulklassen und Südtiroler Kulturinteressierten und Gruppenreisen besucht. Vor allem für die professionellen Museen mit angestellten Mitarbeiter*innen und hohen Fixkosten stellt der Ausfall der Eintrittsgelder eine große Herausforderung dar. Andere, vor allem die kleineren Museen in den Dörfern, leben vom Tourismus und deshalb ist ihre wirtschaftliche Situation auch davon abhängig, wann wieder geöffnet werden kann und ob wann und in welchem Ausmaß wieder Touristen ins Land kommen. Eine völlig andere Situation haben öffentliche Strukturen.
Während Lockdown 1 haben viele Museen digitale Angebote "erfunden" und online gestellt. Wie erfolgreich waren die Ausflüge in die digitale Welt?
Während Lockdown 1 und auch Lockdown 2 haben einige Museen virtuelle Ausstellungsrundgänge erarbeitet und ins Netz gestellt. Andere haben Vortragsreihen gezoomt, besondere Objekte als 3D-Modelle präsentiert oder podcasts angeboten. Dies war natürlich nicht für alle möglich, weil vor allem kleinere Museen nicht die entsprechenden Voraussetzungen in technischer Hinsicht, aber auch die Erreichbarkeit der Zielgruppen anlangt. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Museen Orte der Begegnung sind und das Kulturerlebnis im digitalen Raum nicht mit einem natürlichen, lebendigen, sinnlichen Kontakt zu ersetzen ist.
Werden bzgl. Pandemie sogar manche Südtiroler Museen schließen? Wie schätzen Sie die Situation ein?
Es ist noch zu früh, das abzuschätzen. Die öffentlichen Beiträge sind auch heuer wieder im Ausmaß des Vorjahres gewährt worden und die Reduzierung der Aktivitäten und weniger Personal bzw. Lohnausgleichsmaßnahmen haben die finanzielle Situation etwas entspannt. Entscheidend wird sein, wie es in den nächsten Jahren weitergeht, ob die öffentliche Unterstützung da ist, ob sich die Museen auch inhaltlich weiterentwickeln und neue Aufgaben übernehmen etc.
Kulturinstitutionen, die auch aufgrund ihrer touristischen Bedeutung eine hohe Wertschöpfung und Umwegrentabilität bringen, werden nicht berücksichtigt.
Gab es während der Lockdowns sogar Ideen für ein neues Museum? Was können Sie verraten?
Der Drang zur Musealisierung ist nach wie vor groß und ob neue Museen entstehen, hängt weniger davon ab, ob es Ideen und Konzepte gibt, sondern vielmehr davon, ob dies auch gefördert wird. Und da schaut es leider nicht so gut aus. Ich möchte aber ein Beispiel erwähnen, das mir sehr gut gefällt. Das Diözesanmuseum in Trient hat das virtuelle Museum Museo della Quarantena gegründet. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, Artefakte, Gegenstände, Bilder zu fotografieren, die sie persönlich mit der Zeit des Lockdowns, der Unsicherheit und des Wartens ins Verbindung bringt. Diese wurden zu einer digitalen Sammlung des Museums zusammengestellt und sind viele tausende Mal angeklickt worden.
In Südtirol wird erstaunlich wenig Geld für Kultur investiert. Das wurde insbesondere während er letzten Monate offensichtlich. Dabei ist Kultur doch der wahre Reichtum einer historisch nicht uninteressanten Minderheitengegend. Warum gibt es für Kultur in Südtirol kein – bzw. kaum ein – Bewusstsein?
Das ist für mich unverständlich. Das sieht man auch daran, dass auch bei der Tourismuswerbung Kultur allenfalls als Ausdruck von traditionellem Brauchtum und Folklore vorkommt. Selbst Kulturinstitutionen, die auch aufgrund ihrer touristischen Bedeutung eine hohe Wertschöpfung und Umwegrentabilität bringen, werden hier nicht berücksichtigt.
Museen sind aber, das ist mir wichtig, so wie auch andere kulturellen Räume zunächst Orte der Bildung und Begegnung und erst in zweiter Linie touristische Attraktionen. Gerade kleine, ehrenamtlich geführte Museen sind wichtige Bezugspunkte für die lokale community, arbeiten mit anderen Vereinen zusammen und stärken durch ihre Arbeit die Identität/en der Gemeinschaft.
Die Ursache liegt für mich klar darin, dass hier in Südtirol Entscheidungen von mächtigen Lobbys und Gruppierungen getroffen werden, die weniger an Bildungskapital interessiert sind, sondern an der Absicherung ihrer Pfründe.