Brixens grünes Dilemma

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In Brixen will die Firma Progress expandieren, und zwar auf dem sogenannten Auwald – dem letzten Überbleibsel eines einst weitläufigen Auwaldes, der in den vergangenen Jahrzehnten sukzessive durch Verbauung, Landwirtschaft und Industrie zerstört wurde. Als Ausgleichsmaßnahme hat das Unternehmen Flächen für die Erweiterung der Millander Au angekauft – ein wertvolles Biotop und Rastplatz für Zugvögel – und gemeinsam mit der Umweltschutzgruppe Eisacktal Hyla ein wegweisendes Projekt ausgearbeitet. Was aus Sicht des Unternehmens ein ökologisches Zukunftsprojekt darstellt, sorgt bei einer kleinen Protestgruppe rund um Franz Pattis (Team Auwald), der Geisteswissenschaftlerin Petra Steiner, Leiterin des Artenschutzzentrums St. Georgen, die bei den letzten Gemeinderatswahlen für das Team K in Bruneck kandidierte, sowie Luigi Mariotti vom WWF Trentino-Südtirol für Empörung.
„Im mittlerweile bereits seit Jahren andauernden Kampf um den Erhalt dieses einzigartigen Naturjuwels im Süden Brixens ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“
Am vergangenen Samstag veranstaltete die Gruppe in der Domstadt eine Kundgebung, an der rund 30 Personen teilnahmen – darunter die Präsidentin des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz, Elisabeth Ladinser, Anna Ramoser, Präsidentin des Vereins „Unser Wald – nostro bosco“, die sich in Kaltern gegen den Bau der Speicherbecken engagiert, sowie Elisabeth Fulterer, Gemeinderätin in Brixen für das Team K. Die Sprecherin dieser politischen Fraktion, Sabine Mahlknecht, ist entschieden gegen eine Rodung des Auwaldrestes im Süden Brixens. Im gleichen Atemzug begrüßt man die von der Firma Progress vorgeschlagene Ausgleichsmaßnahme in Form einer Erweiterung der Millander Au, betont jedoch, dass diese keinesfalls als Ersatz für den Verlust des bestehenden Auwaldes akzeptiert werden könne. „Im mittlerweile bereits seit Jahren andauernden Kampf um den Erhalt dieses einzigartigen Naturjuwels im Süden Brixens ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, ist Mahlknecht überzeugt. Sie will sich weiterhin bei allen politischen und administrativen Instanzen dafür einsetzen, diesen besonderen Lebensraum zu erhalten.
Der Tenor der anschließenden Presseaussendung von Franz Pattis, die unter dem Motto „Stop Beton Brixen“ stand, lautete: Der Auwald dürfe nicht der Betriebserweiterung von Progress zum Opfer fallen. Stattdessen solle das Unternehmen auf bereits versiegelte Flächen wie das Ex-Holz-Magagna-Gelände, die Freifläche vor der Firma Alupress oder das Areal des ehemaligen Gasthofs Ziggler ausweichen.
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Die Firma Progress Holding AG hatte 2018 das rund drei Hektar große Wiesengrundstück samt Auwaldrestbestand mit dem Ziel einer Betriebserweiterung erworben. Die schrittweisen Erweiterungspläne sehen in den nächsten Jahren zwei neue Hallen und Büros vor. Ein Teil des Baumbestandes aus dem Auwald soll langfristig erhalten bleiben und auch in Zukunft als Grünfläche zur Verfügung stehen.
Foto: Progress -
Vor fast genau einem Jahr hatte der Stadtrat von Brixen die Einleitung des Verfahrens zur Änderung des Bauleit- und Landschaftsplans in der Brixner Industriezone beschlossen. Ausschlaggebend für diesen Beschluss waren unter anderem die im Jahr 2023 von der Fachfirma Ingena Naturraumplanung in Zusammenarbeit mit der Brixner Umweltgruppe Eisacktal Hyla durchgeführten Analysen der Fauna und Flora des Auwaldes. Diese belegen laut Gemeindeverwaltung, dass aus ökologischer Sicht eine Umwidmung zugunsten der Erweiterung des Biotops Millander Au sinnvoll sei. Entscheidend dafür sei vor allem die sich allmählich verschlechternde Umweltsituation des Auwaldes, insbesondere durch die fehlende Verbindung zum Wasser und die damit ausbleibende Überschwemmungsdynamik.
Während die Brixner Umweltgruppe Eisacktal Hyla also die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen und die Erweiterung des Biotops befürwortet, lehnt der harte Kern rund um Pattis diese strikt ab. Seit Bekanntwerden des Projekts kämpft er gegen die Rodung des Waldes und scheut keine Auseinandersetzung. So lieferte er sich auf der Webseite der Grünen mit dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Hanspeter Staffler – der Anfang 2022 eine Anfrage zum Brixner Auwald eingebracht hatte – einen heftigen Schlagabtausch. Der Tenor: Während Pattis auf seiner Meinung beharrt, das Wald- und Wiesenstück müsse erhalten bleiben, vertritt Staffler die Position der Experten, wonach dieser Auwaldrest aus ökologisch-funktionaler Sicht schon lange kein echter Auwald mehr sei – auch wenn der Baumbestand derzeit noch attraktiv und Heimat vieler Vogelarten ist. „Es handelt sich bei diesem Waldstück um ein Habitat, das räumlich extrem eingeschnürt ist und das im Zuge der natürlichen Sukzession seine heutige Eigenart verlieren wird“, so Staffler in seinen Ausführungen. Doch die Argumente des heutigen Geschäftsführers des Dachverbands für Natur und Umwelt konnten offenbar nicht überzeugen. Dem vorausgegangen war bereits ein Leserbriefstreit in der ff im Herbst 2020, bei dem sich die Umweltschutzgruppe Hyla und der Dachverband – seinerzeit noch unter Klaus-Peter Dissinger – auf der einen Seite sowie Franz Pattis und Petra Steiner auf der anderen Seite darum gestritten hatten, wer denn nun recht hat: Auwald – ja oder nein? Schützenswert – ja oder nein?
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Verhärtete Fronten
Obwohl der Stadtrat mit dem Beschluss zur Umwidmung den Startschuss gegeben hatte, stockt das Verfahren. Der Grund? Ein Einspruch von Pattis sowie ein Antrag auf Unterschutzstellung des Areals, eingereicht von dessen Mitstreitern – unter anderem dem WWF. Diese verzögern die Arbeit der Landesverwaltung. Wie Umweltlandesrat Peter Brunner erklärt, wurde ein weiteres Gutachten angefordert. Man warte auf die Unterlagen der Gemeinde Brixen, erst dann könne das Projekt weiter geprüft werden.
„Wenn das Projekt scheitert, fällt auch die Erweiterung des Biotops weg – und es ist kaum vorstellbar, dass Progress das Gelände der Gemeinde schenkt.“
Stadtrat Peter Natter, unter anderem zuständig für den Bereich Umwelt, kennt beide Seiten und hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Projekt befasst. Es sei immer bedauerlich, wenn ein Waldstück wie der Auwald verschwindet – wobei es sich hier „nur mehr dem Namen nach“ um einen Auwald handle, da keine regelmäßige Überflutung mehr stattfinde. Viele Fachleute sähen in der Erweiterung der Millander Au einen ökologischen Gewinn. Die Progress Group habe dort bereits Flächen gekauft. „Wenn das Projekt scheitert, fällt auch die Erweiterung des Biotops weg – und es ist kaum vorstellbar, dass Progress das Gelände der Gemeinde schenkt“, bringt Natter das Dilemma auf den Punkt. Forderungen wie jene des Team K, sowohl den Auwald zu erhalten als auch die Au zu erweitern, hält er für unrealistisch. Ein Kompromiss liege auf dem Tisch und dieser biete einen echten ökologischen Mehrwert.
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Was sagt die Firma Progress?
Marketing-Manager Robert Oberhollenzer betont im Gespräch mit SALTO die Transparenz des Unternehmens: „Wir haben das Projekt vor eineinhalb Jahren detailliert vorgestellt – der Presse ebenso wie den Umweltgruppen und politischen Vertretern.“ Unter dem Motto „Win-Win für Wirtschaft und Umwelt“ sollte die Zusammenarbeit zwischen der Progress Group und der Umweltschutzgruppe Eisacktal Hyla den Weg für eine Betriebserweiterung sowie die Vergrößerung des Biotops ebnen. Kurz gesagt: Es sollten nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern gleichzeitig auch gefährdete Tierarten geschützt werden. Laut Oberhollenzer war es die Umweltgruppe Hyla selbst, die das Projekt mitentwickelt und aktiv unterstützt habe. Der Kauf der Obstwiesen, die an die Millander Au angrenzen, sei eine bedeutende Investition gewesen. „Für Firmeninhaber Philipp Froschmayr ist dieses Projekt eine Herzensangelegenheit. Er hat sich alle Positionen angehört, und es ist ihm extrem wichtig, dass kein Eingriff vorgenommen wird, der sich negativ auf das Ökosystem auswirkt“, unterstreicht Oberhollenzer. Er verweist auf die unabhängigen Studien von Ingena und Revital, die belegen sollen, dass die geplanten Ausgleichsmaßnahmen einen größeren ökologischen Mehrwert schaffen würden.
Was den Protest betrifft, so habe man mittlerweile den Eindruck, dass es eher ums Prinzip gehe – und nicht mehr um fachliche Einwände. Unabhängig davon, welchen Mehrwert man schaffen wolle, dürfe laut den Gegnern weder ein Baum gefällt noch ein Strauch gerodet werden. Und obwohl der verbliebene Auwald ökologisch bereits stark beeinträchtigt, von Straßen umgeben und teilweise degradiert sei, solle ein beträchtlicher Teil auch nach der Erweiterung erhalten bleiben. Nach wie vor würde man die Erweiterungspläne gerne umsetzen, durch verschiedene Faktoren – wie die oben genannte Eingabe und der Antrag auf Unterschutzstellung – sei das Vorhaben allerdings verzögert worden. Bis dato warte man auf die behördliche Genehmigung.
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Ein Projekt für die Zukunft der Millander Au
Bereits vor einigen Jahren hat die Firma Progress rund 1,7 Hektar landwirtschaftlich genutzte Flächen angrenzend an die Millander Au erworben. Mit Abschluss der Umwidmung soll die gesamte Fläche an die Gemeinde Brixen übergehen. In enger Abstimmung mit der Umweltgruppe Eisacktal Hyla wurde ein Projekt erarbeitet, mit dem durch die Anlegung zusätzlicher Wasserflächen und einer Feuchtwiese ein einzigartiger Mikrokosmos der Biodiversität entstehen soll. Bereits heute ist die Millander Au mit ihren 40.000 m² Sumpf-, Wald- und Wiesenflächen ein wertvoller Rückzugsort für 130 verschiedene Vogelarten, darunter der extrem gefährdete Purpurreiher, die Zwergdommel oder der Weißstorch. Die Umweltgruppe betonte im Rahmen des Pressegesprächs, dass die Millander Au ein lebensnotwendiger Rastplatz für Hunderte von Zugvögeln auf ihrer Reise über den Alpenhauptkamm sei – insbesondere bei Schlechtwetter. Es fehle jedoch an Wasserflächen und einer Feuchtwiese, die im Frühsommer bei Hochwasser vom Eisack überschwemmt wird. Die geplante Erweiterung um über ein Drittel biete nun die Möglichkeit, diese zusätzlichen Lebensräume zu schaffen – für Frösche, Flusskrebse, Libellen und andere Kleintiere, die wiederum das Futterangebot für seltene Vogelarten darstellen. Ein weiterer Pluspunkt sei die Nähe zur Sarnser Au: Bestehende, intakte Gebiete rücken wieder näher zusammen, was die Überlebenschancen kleiner Populationen erhöht. Am Rand des Biotops will die Gemeinde Aussichtstürme errichten und am Eisackdamm einen didaktischen Bereich schaffen, der für Führungen und Schulklassen genutzt wird. Das Biotop selbst soll für Besucherinnen und Besucher tabu bleiben.
Wer hat das alles…
Wer hat das alles eingefädelt? Das ist alles unter dem damaligen Bürgermeister und des möchte gerne neuen Landeshauptmann Brunner passiert. Glaube das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.
@opa1950 klaro war der ex…
@opa1950
klaro war der ex-Bürgermeister Brunner bei diesem sehr fragwürdigen „Deal“ mit dabei, siehe Presseaussendung Unternehmerband vom 25.7 2023: https://www.madeinbz.info/win-win-fur-wirtschaft-und-umwelt/
Lese im obigen Bericht: „Ausschlaggebend für diesen Beschluss waren unter anderem die im Jahr 2023 von der Fachfirma Ingena Naturraumplanung in Zusammenarbeit mit der Brixner Umweltgruppe Eisacktal Hyla durchgeführten Analysen der Fauna und Flora des Auwaldes. Diese belegen laut Gemeindeverwaltung, dass aus ökologischer Sicht eine Umwidmung zugunsten der Erweiterung des Biotops Millander Au sinnvoll sei“.
Dagegen spricht aber das immer noch unter Verschluss gehaltene Gutachten der Osttiroler Firma Revital aus dem Jahre 2021, bezahlt von der Gemeinde Brixen mit 9600 Euro (der Rechnungshof lässt grüßen!!).
Wieso dieses Gutachten nicht den aktuellen Unterlagen zur Bauleitplanänderung
https://www.buergernetz.bz.it/civis/de/raum-landschaftsplanung-suche-ve…
in der Abteilung 28 des Landes aufliegt, ist mehr als klar: Das Revital Gutachten von 2021 betrachtet den Auwald zu drei Vierteln immer noch als sehr hochwertig bestehend aus Weichholz- bzw. Erlenauwald!
Also genau das Gegenteil von dem was der ex-Brixner Bürgermeister Peter Brunner im Salto-Artikel vom 23.11.2023 behauptet, siehe:
https://salto.bz/de/article/23112022/gutachten-bestaetigt-verwaltung
Kein Wunder also dass das Revital Gutachten von 2021 immer noch nicht herausgerückt wird bzw. man pinkelt sich ja nicht ans einige Bein!!
Die Erweiterung der Millander Au ist auf jeden Fall auch ein lobenswertes Projekt, aber nicht auf Kosten des Auwaldes in der Industriezone. Es gibt genug Mittel dafür nämlich Umweltgelder der Kraftwerke und des BBT, weiters aus dem nationalen PNNR-Fond und von der EU (Efre).
Fazit: es braucht dafür absolut nicht die Firma Progress und der Auwald in der Industriezone bleibt dafür bestehen. Zudem schreibt das neue EU-Renaturierungsgesetz dies genau vor bzw. den Schutz von Grüninseln in verbauten Gegenden. Die Wiedervernässung des Auwaldes kann dann mit einem unterirdischen Rohr zum nahen Eisack hin vollzogen werden!
Und die Firma Progress soll dann doch endlich einen der drei oben beschriebenen Leerstände für ihr neues Industriegebäude nutzen!
Was den im obigen Bericht zitierten Geschäftsführer des Dachverbandes Hanspeter Staffler betrifft, frage ich mich ob dieser Herr bezüglich seiner Einstellung zum Brixner Auwald vielleicht doch nicht abgelöst werden sollte?!
Abschließend noch einen Rat an den Stadtrat Natter bezüglich seiner „Ängste“ im obigen Text: „Wenn das Projekt scheitert, fällt auch die Erweiterung des Biotops weg – und es ist kaum vorstellbar, dass Progress das Gelände der Gemeinde schenkt“!
Die Gemeinde kann den Progress-Grund in der Millander Au auch mit meinen oben angeführten Finanzierungsquellen erwerben!
Wie sagte doch auch kürzlich der neue Präsident der Umweltgruppe Eisacktal Rene Federspieler in einer Pressemitteilung: „diese Umweltgelder werden andauernd zweckentfremdet bzw. für Gehsteige usw. ausgegeben und nicht für die Natur, der sie eigentlich zustehen würden“!
Das Land Südtirol stellt mittlerweile 1,5 Millionen Euro im Jahr für den Ankauf von Biotopen bereit und es wurde damit unlängst ein Grundstück in Leifers angekauft. Schlage vor als nächstes damit den Auwald in der Brixner Industriezone anzukaufen und als Biotop endgültig unter Schutz zu stellen. Die Progress soll dann doch endlich einen von mehreren Leerständen im Süden von Brixen (im obigen Pressetext zitiert) bebauen!
In risposta a @opa1950 klaro war der ex… di Franz Pattis
Ergänzung zum Revital…
Ergänzung zum Revital Gutachten….
Im Salto Artikel vom 23.11.2022
https://salto.bz/de/article/23112022/gutachten-bestaetigt-verwaltung
sagt der ex-Brixner Bürgermeister und jetziger Umwelt-Landesrat Peter Brunner im letzten Absatz zum unter Verschluss gehaltenen Revital Gutachten von 2021: „Was das angeforderte Gutachten selbst anbelangt, so handle es sich dabei um ein internes Dokument, das nur für den institutionellen Gebrauch vorgesehen ist. Zu einem öffentlichen Dokument wird es in dem Moment, wenn das Verfahren für eine Landschaftsplanänderung eingeleitet wird“.
NB: Dieses Verfahren wurde bekanntlich vom Brixner Stadtrat mit Beschluss Nr. 198 vom 19.06.2024
https://bauleitplaenedl.gvcc.net/011/2024/B103158047.PDF
eingeleitet, aber das Revital Gutachten von 2021 wurde nicht beigelegt, siehe:
https://www.buergernetz.bz.it/civis/de/raum-landschaftsplanung-suche-ve…
Grund: dieses Gutachten bewertet den Auwald immer noch als sehr hochwertig!
Passt logischerweise nicht gut zum Rodungs-Antrag….