Società | Gastbeitrag

Urlaub „am anderen Ufer“

"Gay-friendly" Hotels gibt es auch in Südtirol. Diskriminierung gegenüber Homosexuellen, oder Oasen der Freiheit? Ein Erfahrunsgbericht*.
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Foto: pixaby

Südtirol – ein idealer Ort, um die Seele baumeln zu lassen. Sei es für die Sportliebhaber bei einem Skitag in Ratschings, für die Abenteuerlustigen bei einer Wanderung auf den Schlern, für die Genießer bei einer deftigen Jause im Törggelenkeller oder für die Kulturinteressierten beim Schlendern durch die Innenstadt Bozens. Urlaub kann vielseitig sein, doch vor allem ist Urlaub eines – Erholung. Der Stress des Alltags kann von sich gestrichen werden und der Mensch darf sich – zumindest für einige Tage – der Entspannung hingeben.

Das fängt schon bei der Urlaubsplanung an. Bereits die Suche nach dem Reiseziel und der passenden Unterkunft weckt das erste Fernweh. Ein luxuriöses Hotel oder doch lieber das familiäre Ambiente einer kleinen Pension? Dabei wird das Für und Wider abgewogen, Preis und Lage spielen eine wichtige Rolle oder die Gästebewertungen auf den diversen Booking-Portalen. Dann endlich ist das perfekte Urlaubsziel gefunden und mit großer Vorfreude kann sich dem Kofferpacken gewidmet werden.

Doch so leicht fällt die Wahl des Urlaubs nicht jedem – zumindest mir persönlich nicht. Das liegt nicht daran, dass meine Ansprüche zu hoch wären oder mein Budget zu niedrig, sondern vielmehr daran, dass ich zu einer Minderheit gehöre, die aus den Rastern der 0815-Touristen herausfällt. Ich bin homosexuell. Eigentlich ist es mir zuwider, meine sexuelle Orientierung ständig ins Zentrum meiner Lebenswirklichkeit zu stellen. Gerne würde ich unbeschwert mit meinem Freund Hand in Hand durch die Straßen meiner Heimatstadt flanieren. Doch jede Geste dieser Art stellt in unserer Gesellschaft immer noch ein Statement dar: „Ich habe keine Angst davor, unsere Liebe öffentlich zu zeigen!“ Immer öfter werden Paare – ja auch in Europa – aufgrund dessen in der Öffentlichkeit bloßgestellt oder sehen sich im schlimmsten Falle sogar mit Gewalt konfrontiert. Über derartige Beispiele berichten die europäischen Medien in beunruhigend kurzen Abständen. Somit wird das Private zum Politikum. Mit dieser Problematik haben nicht nur Mitglieder der LBGTQ-Community zu kämpfen, sondern alle gesellschaftlich diskriminierten Gruppen oder Individuen im Allgemeinen.

Gerne würde ich unbeschwert mit meinem Freund Hand in Hand durch die Straßen meiner Heimatstadt flanieren. Doch jede Geste dieser Art stellt in unserer Gesellschaft immer noch ein Statement dar. Im Alltag werden wir so zu Aktivisten

Im Alltag werden wir so zu Aktivisten. Farbe bekennen fällt nicht immer leicht. Es kommt auf die Tagesform an und manchmal fühlt man sich nicht bereit mit Beleidigungen oder Blicken, die ebenso wie Worte verletzen können, umzugehen. Besonders im Urlaub – der Zeit der Entspannung – möchte man sich diese Konfrontation ersparen. Doch wie gelingt das? Es existiert in allen Urlaubsgebieten eine Vielzahl sogenannter gay frienldy Hotels und Pensionen. Auch gay cruises oder andere Reiseformate werden zunehmend populär innerhalb der communtiy. Und auch in Südtirol mehren sich die Angebote dieser Art – eine kurze Online-Recherche reicht aus, um dies zu bestätigen. 

 

 

Doch ist das der richtige Weg? Ich würde hier gern zwei Bedenken anführen: Zum einen denke ich, dass es nicht förderlich ist, eine Parallelgesellschaft zu etablieren, da dies eine selbstgemachte soziale Exklusion zur Folge hat. Wer sich selbst abgrenzt, schafft den anderen nur die Legitimationsgrundlage dafür. Zum anderen hat nicht jede Minderheit in Europa die Möglichkeit von diesem Angebot gebrauch zu machen. Eine Unterkunft, die sich als „friendly“ für Menschen mit Mitrationshintergrund betitelt, sucht man vergebens. 

Wenn ich das ganze Jahr über im Alltag eh Aktivist sein muss, warum darf ich mir dann nicht wenigstens im Urlaub eine unbeschwerte Zeit gönnen?

Allerdings bin ich bei meiner Recherche zum Thema Urlaub auf ein Zitat von Shakespeare gestoßen, dass mir zu Denken gab: „Wenn das ganze Jahr über Urlaub wäre, wäre das Vergnügen so langweilig wie die Arbeit.“ Umkehrt und auch hinsichtlich der Thematik betrachtet, bedeutet das hingegen: Wenn ich das ganze Jahr über im Alltag eh Aktivist sein muss, warum darf ich mir dann nicht wenigstens im Urlaub eine unbeschwerte Zeit gönnen? Solange also Menschen aufgrund bestimmter Attribute alltäglich diskriminiert und stigmatisiert werden, denke ich, dass kleine Inseln der Unbeschwertheit und des ungestörten Wohlbefindens durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Vielleicht sollte man diese Inseln nur erweitern und aus gay friendly einfach nur friendly machen. Für alle die sich nach einem Urlaub sehen, an einem Ufer, das Sicherheit bietet. 

* Der Autor dieses Beitrages ist der Redaktion bekannt. Der Südtiroler hat aber ersucht, anonym zu bleiben.