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„Selbstjustiz ist keine Lösung“

Amtsdirektor Luigi Spagnolli warnt in der Großwildtier-Diskussion eindringlich vor Schutzmaßnahmen mit der Schrotflinte. Und lädt die Bauern einmal mehr an einen Tisch.
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Foto: Gemeinde Bozen

Salto.bz: Herr Spagnolli, der Bürgermeister von Welchnofen Markus Dejori  kündigt an, auf seinem Gemeindegebiet den Abschuss von Wölfen durch Jäger anzuordnen, sobald Tiere auftauchen. im Landtag wurde diese Woche diskutiert, ob Bären und Wölfe in Notwehr von Bauern erlegt werden können. Was antwortet der Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei auf diese Entwicklungen?
Luigi Spagnolli. Wenn wir von Notwehr sprechen, kann ich mich nur dem anschließen, was Landesrat Arnold Schuler geantwortet hat. Es gibt keine eindeutige Antwort darauf, wann Notwehr gerechtfertigt ist und straffrei bleibt. Also, auch wenn es darum geht, sich selbst oder Nutztiere zu retten: Notwehr bleibt eine Straftat, die von Artikel 52 der Strafgesetzbuches geregelt wird.

Und es gibt keine eigene Regelung für die Notwehr bei Großwildtieren?
Nein, man kann nicht sagen: In dem oder dem Fall bin ich auf der sicheren Seite. Es ist in jedem Fall eine Straftat, und das heißt, es kommt sicher zu einem Prozess. Dort entscheidet dann der Richter, was er für richtig hält. Und wenn man sich die tausenden von Urteilen ansieht, die generell zum Thema Notwehr gefällt wurden, sieht man, dass es hier keine Sicherheiten oder eindeutigen Interpretationen gibt. Das muss aber klar und deutlich gesagt werden. Sonst glauben die Leute, sie können Selbstjustiz betreiben.

Erst recht in der aufgeheizten Stimmung dieser Wochen...
Diese Stimmung ist auch eine Folge davon, dass das Thema in der Öffentlichkeit von vielen Seiten nur emotional statt sachlich diskutiert wird. Wir als Ämter haben immer versucht, sachlich zu blieben. Doch die Einstellung, die man hier in Südtirol vielfach gegenüber dem piano di lupo hat, bringt uns nicht weiter. Das hat sich diese Woche auch wieder deutlich im Pro & Contra von RAI Südtirol gezeigt.

"Siegfried Rinner war dagegen nur emotional. Er rennt mit einem Foto von einem Wolf mit eine X im Gesicht herum und sagt: Ich bin gegen den Wolf. Doch so finden wir keine Lösungen."

In dem Bauernbunddirektor Siegfried Rinner gegen den Tierschützer und Wolfsexperten Max Rossberg antrat...
Und unser Bauernbunddirektor war eindeutig der Verlierer. Denn in einem Pro & Contra gewinnt, wer seine Positionen wissenschaftlich begründen kann. Siegfried Rinner war dagegen nur emotional. Er rennt mit einem Foto von einem Wolf mit einem X im Gesicht herum und sagt: Ich bin gegen den Wolf. Doch so finden wir keine Lösungen.

Der Bauerbund , aber auch einzelne Bürgermeister fordern die Lösung: Wolfsfreies Südtirol, wolfsfreier Alpenraum...
Doch die Lösung heißt, endlich zu akzeptieren, dass die Wölfe kommen. Die Wölfe wurden ausgerottet, und jetzt sind sie wieder im Kommen. In Polen, auf dem Balkan, in Deutschland.... Vielleicht werden wir sie in 100 oder 1000 Jahren erneut ausrotten, aber im Moment sind sie eine Realität, die nicht zu stoppen ist. Nirgends in Europa. Das ist die Natur.

Doch wir dürfen in die Natur mit regulierten Abschüssen eingreifen, wie es auch der Wildbiologe Paolo Molinari nahelegt?
Absolut. Doch wie ich schon oft gesagt habe: Ein Abschussplan ist nur dann möglich, wenn wir zwei Voraussetzungen erfüllen. Erstens: Es muss sich um eine erfasste Population handeln. Doch die haben wir derzeit noch nicht, wir haben nur einzelne Wölfe, die herumirren. Und zweitens müssen Schutzmaßnahmen getroffen werden. Solange wir die nicht treffen, werden die dafür zuständigen nationalen Organe sicherlich keine Abschüsse genehmigen.

"Wir müssen uns nur vor Augen führen, dass seit 1. August ein einziger Bär im Vinschgau 29 Schafe gerissen hat. Der war alleine! Was sollen wir machen, wenn 10 kommen?"

Wir stecken also fest?
Um da rauszukommen müssen wir uns auf jeden Fall gemeinsam an einen Tisch setzen und sagen, was Sache ist.  Klar ist zum Beispiel, dass in Zukunft ganz sicher einige Details der heute betriebenen Beweidung der Almen geändert werden müssen. Das wird auch Kosten verursachen, und man kann sicherlich darüber diskutieren, zu welchem Teil diese von der Allgemeinheit übernommen werden. Schließlich hat die Allgemeinheit auch die Regel gemacht, Großraubtiere zu schützen. Doch wer glaubt, dass es so weiter gehen kann wie bisher, gibt sich einer großen Illusion hin.

Was muss sich also konkret ändern?
Wir können die freie Beweidung, wie sie heute betrieben wird, nicht mehr fortsetzen. Heute bringt jeder seine Schafe auf die Alm und die machen, was sie wollen. Doch wir müssen die Herden zusammenhalten, sie müssen geführt werden und vor allem in der Nacht zusammenbleiben, mit Hilfe von Herden- und Schutzhunden Sonst sind diese Schafe natürlich eine Essenseinladung für Großraubtiere. Wir müssen uns nur vor Augen führen, dass seit 1. August ein einziger Bär im Vinschgau 29 Schafe gerissen hat. Der war alleine! Was sollen wir machen, wenn 10 kommen?

Das sind ja genau die Sorgen der Bauern.
Ich bin für die Bauern und ich versuche Lösungen für die Bauern zu finden, genauso wie alle anderen Ämter, die in der Sache Zuständigkeiten haben. Wir sind alle bereit. Doch solange die Bauern auf ihrer Einstellung beharren und sagen: Wir tun nichts, wir wollen keine Schutzmaßnahmen treffen, treten wir eben auf der Stelle.

Oder müssen uns darauf vorbereiten, dass Bauern mit dem Gewehr zur Selbstverteidigung greifen?
Nein bitte nicht, da ist wirklich aufzupassen. Ich bin als Direktor vom Amt für Jagd und Fischerei auch dafür zuständig, Strafen auszustellen bzw. Straftaten zu melden. Wenn ich also Kenntnis davon habe, dass jemand ein Großwildtier angeschossen hat, muss ich es dem Staatsanwalt melden. Deshalb: Wenn nun auch der eine oder andere Vertreter öffentlicher Institutionen sagt: „Legal oder illegal müssen diese Tiere weg“, muss ich energisch davon abraten. Das darf man einfach nicht.